Die Zahl derjenigen, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild besitzen, habe sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht, sagt Beate Küpper, Sozialpsychologin und Mitautorin der "Mitte-Studie 2023" der Friedrich Ebert Stiftung. Das sei ein massiver Anstieg und hinzu kommen weitere zwanzig Prozent der Befragten, die sich in einem Grau-Bereich befänden, also den Aussagen der Studie weder zustimmen, sie aber auch nicht ablehnen, so die Mitautorin der Studie.
Bei Wählern der AfD rechtsextremes Weltbild stark verbreitet
Besonders bei den Wählern der AfD sei ein rechtsextremes Weltbild sehr stark verbreitet, sodass man davon ausgehen müsse, dass die Wählerinnen und Wähler ausdrücklich das meinen und wählen was die Partei ihnen als Themen anbiete. Auch umgekehrt muss man sagen, dass die AfD die Themen vertritt, die den Einstellungen ihrer Wählerschaft entsprechen und das wären insbesondere Fremdenfeindlichkeit und Nationalchauvinismus, sagt Beate Küpper und warnt davor, die Zustimmung zur AfD als Protest anzusehen.
Normalisierung antidemokratischer Positionen zersetzt Grundwerte
Zu dem eklatanten Anstieg in der Zustimmung zu rechten Haltungen meint Küpper: "Ich gehöre nicht zu denjenigen, die alarmistisch unterwegs sind, aber ehrlich gesagt, bereitet mir das Sorgen, vor allem wenn wir uns den großen Graubereich ansehen. Hier müssen wir leider sehen, dass wir es mit einer Normalisierung zu tun haben, bei der Menschen nicht mehr erschrecken, wenn sie antidemokratische Positionen hören oder sie mit Abwertung, Hass und Hetze konfrontiert sind." Die Normen der Grundwerte einer Demokratie, die auf Empathie, Akzeptanz und Toleranz beruhen, würden dadurch aufgelöst.
Politisch sei jetzt "Schutz, Einbindung und Rückendeckung für diejenigen geboten, die unmittelbar bedroht sind", fordert Küpper als Konsequenz aus der Studie. Nicht die Sorgen der sogenannten "Wutbürger" ernst nehmen, sondern die Ängste derjenigen vielen, die Sorge haben, dass ihnen die "Demokratie unter den Händen zerbröselt".
Demokratie in Gefahr
Demokratie lebt von der Beteiligung Staatsrätin für Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg: „Gehört werden ist extrem wichtig“
In Baden-Württemberg wird seit Jahren Demokratiebeteiligung ganz direkt erprobt: Mitglieder von Bürgerräten werden repräsentativ, aber per Zufallsprinzip ausgewählt. Das Land hat dafür ein eigenes Amt: Barbara Bosch, ehrenamtliche Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung betont in SWR2 dessen Bedeutung: „Die Menschen nehmen ihre demokratischen Rechte weniger wahr als früher“.
Forum Die bekämpfte Partei – Soll die AfD verboten werden?
Michael Risel diskutiert mit
Prof. Dr. Eckhard Jesse, Extremismusforscher, Universität Chemnitz
Prof. Dr. Heribert Prantl, Autor und Kolumnist, Süddeutsche Zeitung
Andreas Speit, freier Journalist und Autor, Hamburg
SWR2 lesenswert Kritik Julian Nida-Rümelin – „Cancel Culture“ – Ende der Aufklärung?
Canceln ist seit jeher Teil unserer Kulturgeschichte, doch die Fronten in der oft hoch emotionalen Debatte um die Cancel Culture, also das Unterbinden bestimmter Meinungsäußerungen, sind zunehmend verhärtet. Der Philosoph Julian Nida-Rümelin beleuchtet in „„Cancel Culture" – Ende der Aufklärung? Ein Plädoyer für eigenständiges Denken" das Phänomen des Cancelns aus demokratie- und erkenntnistheoretischer Perspektive und ist überzeugt: Die Demokratie muss auch unbequeme Meinungen aushalten.
Piper Verlag, 192 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-492-07179-6