Tyrannischer Autokrat oder Wegbereiter des modernen Europas? Die Meinungen zu Napoleon Bonaparte klaffen auch heute weit auseinander. Für seinen Aufstieg zum wichtigsten Mann Europas setzte Napoleon bewusst auf die Macht der Bilder, er inszenierte sich als Feldherr und römischer Imperator. Napoleons Bildpropaganda prägt sein Andenken bis heute – auch im neuen Film von Ridley Scott.
Ein moderner Hannibal überquert die Alpen
Fest sitzt der General im Sattel. Obwohl das Pferd mit angstgeweiteten Augen steigt, bleibt sein Reiter unbeeindruckt. Die Zügel fest in der Hand blickt er entschlossen zum Betrachter, den Zweispitz unverrückt auf dem Kopf, den roten Umhang wehend im Wind.
Es ist großes Kino, wie Jacques-Louis David den ersten Konsul der französischen Republik, Napoleon Bonaparte, in seinem Gemälde verewigt hat. Es zeigt Napoleon, der den Pass am Sankt Bernhard überquert, um in Italien die Truppen des österreichischen Kaisers zurückzuschlagen. Die Botschaft des Bildes ist eindeutig: Hier reitet der neue Hannibal über die Alpen, der sich den Machthabern Europas widersetzt.
In Wahrheit war die Passüberquerung wohl deutlich weniger heroisch: Napoleon saß auf einem Maultier, von einem Bergführer geführt und fest eingewickelt in seinen Mantel, um sich gegen die eisige Kälte zu schützen.
Doch das Bild des unbeugsamen Heroen zu Pferde ging um die Welt: Fünf Versionen malte David zwischen 1800 und 1802. Sie hängen heute in Versailles, Berlin, Wien und Paris. Als Stich, Bronzeplastik und auf Vasen findet das Motiv den Weg in die Haushalte der Bürgerschaft.
Der General und sein Schlachtenmaler
Ein kühner Macher in der Nachfolge der großen Feldherren der Vergangenheit: So inszeniert sich Napoleon bewusst schon zu Beginn seiner Karriere.
1769 als Spross einer korsischen Adelsfamilie geboren, wird der ambitionierte Schüler mit gerade einmal 16 Jahren zum Offizier der königlichen französischen Armee ernannt. Als 1789 die Französische Revolution ausbricht, schlägt sich Napoleon auf die Seite der Revolutionäre. 1791 erklärt er sich zum Jakobiner.
Der General Napoleon macht sich einen Namen als Militärstratege. Er ist federführend an der Eroberung der Royalistenhochburg Toulon (1793) beteiligt und wird bald darauf zum Oberbefehlshaber der Armee im Inneren. Seine Erfolge im Italienfeldzug (1796) und später im Ägyptenfeldzug (1798) weiß er geschickt in der Heimat zu verkaufen – nicht zuletzt auch dank der Bilder, die ihn in der Schlacht zeigen.
Vor allem der Maler Antoine-Jean Gros weckt das Interesse des Generals: Zu Gedenken der Schlacht von Arcole hat er den 27-jährigen Napoleon im Kampf mit dem Schwert und der Standarte in den Händen gemalt.
Napoleon ernennt den Künstler zum Schatzmeister seiner Armee, damit Gros ihm auf seinen Feldzügen folgen kann. Es entstehen monumentale Schlachtenbilder, die in der Heimat von den Erfolgen des Generals im Ausland erzählen sollen.
Ein Kaiser nach römischem Vorbild
Nach seiner Rückkehr steigt Napoleons Einfluss in der französischen Politik. Er wird 1799 zum Ersten Konsul der Republik ernannt und krönt sich schließlich am 2. Dezember 1804 selbst zum Kaiser der Franzosen. Die Selbstkrönung ist auch politische Ansage: Nicht einmal der Papst, der extra nach Paris bestellt wurde, soll in der Macht über dem Kaiser stehen.
Als offizieller Krönungsmaler fängt Jacques-Louis David den Moment ein, wenn der neue Kaiser im Ornat eines römischen Imperators seine Ehefrau, Joséphine de Beauharnais, feierlich zur Kaiserin krönt. Das Kaiserpaar steht klar im Zentrum des Gemäldes, der Papst und mit ihm die katholische Kirche, verkommt zur sitzenden Nebenfigur.
Aus dem Feldherren Bonaparte ist der Kaiser Napoleon geworden. Dieser Wandel ist am offensichtlichsten im Krönungsbild, das der junge Porträtmaler Jean-Auguste-Dominique Ingres 1806 im Pariser Salon ausstellen lässt. Napoleon sitzt auf dem Kaiserthron, mit zwei Zeptern in den Händen und dem goldenen Lorbeerkranz auf seinem Haupt.
Ingres' Bild bezieht sich in seiner Inszenierung auf die Herrscherdarstellungen in mittelalterlichen Buchmalereien oder – noch gewagter – auf Statuen des römischen Göttervaters Jupiter. Napoleon, so die Botschaft, ist nicht bloß Amtsnachfolger der französischen Könige, er übertrifft sie im Rang.
Erfolgreiche Propaganda verdrängt Napoleons Scheitern
Napoleon nutzt seine neue Macht zur Neuordnung Europas. In zehn Jahren überrennt er den Kontinent, unter seiner Herrschaft vereint er Spanien, Italien, die deutschen Fürstentümer des Rheinbundes, Preußen, Österreich und Warschau. Doch der Siegeszug endet jäh mit der Niederlage im Russlandfeldzug (1812) und der Völkerschlacht bei Leipzig (1813).
Napoleon dankt im April 1814 zu Gunsten seines Sohnes ab. Geschlagen geht er ins Exil auf der Insel Elba. Noch einmal nutzt Napoleon 1815 die instabile politische Lage für eine Rückkehr, doch bei Waterloo wird er final geschlagen. Verbannt auf der afrikanischen Insel St. Helena stirbt der Kaiser am 5. Mai 1821 mit nur 51 Jahren.
Paul Delaroche malt zwanzig Jahre später den Kaiser in den Tagen seiner Abdankung, müde, abgekämpft und in einem Stuhl zusammengesunken. Doch nicht der gescheiterte Napoleon bleibt im kollektiven Gedächtnis, zu präsent sind die Bilder seiner Ruhmestage.
Im Kino: So inszeniert Ridley Scott das Leben Napoleons
Napoleons Bild-Politik wirkt bis ins moderne Kino
Bis heute lebt Napoleon als der energische Feldherr der Propagandabilder weiter. Auch US-Regisseur Ridley Scott kann sich diesen Bildern nicht verwehren.
Zwar inszeniert er seinen Napoleon (gespielt von Oscar-Gewinner Joaquin Phoenix) in tristen Grau- und Sepiatönen, doch auch das macht die Aufmärsche vor den Pyramiden oder die Selbstkrönung in Paris nicht weniger spektakulär.
Der General aus Korsika wusste sich zu inszenieren. Bis in die Gegenwart bleibt er so der Hüter seines eigenen Angedenkens.
„Napoleon“ von Ridley Scott. Die Kritik von Rüdiger Suchsland
Napoleon und der Südwesten
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Napoleon Bonaparte - Der Emporkömmling
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