Mit Filmen über Frauen im Schatten großer Staatsmänner lassen sich ganze Archive füllen. Eine der berühmtesten unter ihnen war Marie-Jeanne Bécu, Gräfin du Barry. Ihr hat die französische Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn eine neue Filmbiografie gewidmet. Eine junge Frau aus einfachsten Verhältnissen wird die Favoritin des Königs und ist Marie Antoinette, der Frau des Thronfolgers, ein Dorn im Auge.
Neun Worte, ein großes Politikum
Versailles am Neujahrstag 1772: Es ist eine belanglose Phrase, gerade einmal neun Worte, die Marie Antoinette, die Ehefrau des französischen Kronprinzen, der Gräfin Jeanne du Barry entgegenraunt. Neun Worte, die für die Gräfin ein Triumph auf ganzer Linie bedeuten. Sie hat die künftige Königin Frankreichs in die Knie gezwungen.
Seit ihrer Hochzeit ist Marie Antoinette die ranghöchste Frau am französischen Hofe. Die Etikette verbietet es anderen Damen, unaufgefordert das Wort an sie zu richten. Und dieses Wort verweigert die Kronprinzessin der Gräfin über Monate hinweg. Der Grund: Jeanne du Barry, die Mätresse des Königs Ludwig XV., ist eine Bürgerliche und, wie man so schön sagt, „ von zweifelhaftem Ruf“.
Der Machtkampf zwischen Prinzessin und Geliebter bringt letztlich sogar die österreichisch-französische Allianz in Gefahr: Ludwig XV. droht ob der Demütigung seiner Geliebten, das Bündnis aufzukündigen, das über Jahre mühevoll ausgehandelt und mit der Hochzeit des Prinzenpaares besiegelt wurde.
Es ist schließlich Österreichs Kaiserin Maria Theresia, die ihre Tochter Marie Antoinette zur Kapitulation bewegt.
Eine Frau von niederem Stand und lockerer Moral
Das Bild der Edelhure Jeanne du Barry besteht bis heute. Stefan Zweig lässt in seiner Biografie über Marie Antoinette kein gutes Haar an der Gräfin:
Marie-Jeanne Bécu wird im August 1743 geboren. Sie ist das uneheliche Kind einer Näherin, ihr Vater ist vermutlich ein Franziskanerpater. Bildschön soll sie gewesen sein und schnell verstanden haben, wie sie auf Männer wirkt.
Eine Stelle als Gesellschafterin einer älteren Witwe verliert sie, weil deren verheiratete Söhne ihr den Hof machen. Zeitweise arbeitet Jeanne als Putzmacherin und Verkäuferin, während sie unter dem Decknamen „Mademoiselle Lange“ Umgang mit Herren der besseren Gesellschaft pflegt.
Eine neue Frau für Ludwig XV.
Dass Marie-Jeanne Bécu den Grafen du Barry in einem Bordell kennenlernt, ist vermutlich eine Erfindung späterer Schmähschriften. Doch der Graf erkennt das Potenzial der schönen, junge Frau und lässt sie nach Versailles bringen.
Dort ist der Platz an der Seite des Königs frei: Im Winter 1764 ist die Favoritin, Madame de Pompadour, an der Tuberkulose gestorben. Und nun findet Ludwig XV. Gefallen an der deutlich jüngeren Jeanne. Durch eine gefälschte Geburtsurkunde und die Heirat mit dem Bruder ihres Förderers wird sie salonfähig: Aus Marie-Jeanne Bécu wird die Comtesse Jeanne du Barry.
Im April 1769 wird die frischgebackene Gräfin bei Hofe eingeführt. Sie ist 25 Jahre alt, der König 59.
Samt, Seide und Schulden
In Versailles bezieht du Barry die Gemächer direkt über den Appartements des Königs. Dieser macht ihr teure Geschenke, darunter erlesenste Juwelen und ein Schloss bei Paris. Auch das berühmte Diamanten-Collier, das Marie Antoinette Jahre später in der sogenannten „Halsbandaffäre“ zum Verhängnis wird, wurde ursprünglich für ihre Widersacherin gefertigt.
Trotz der hohen königlichen Zuwendungen ist die Gräfin immer verschuldet. Sie lebt verschwenderisch, wird aber auch als freigiebig und gutherzig beschrieben. In politische Angelegenheiten mischt sie sich – ganz im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Pompadour – nur ein, wenn sie ihre Stellung bei Hofe bedroht sieht.
Der sterbende König verbannt seine Kurtisane
Ihren Triumph gegen Marie Antoinette kann die Gräfin nicht lange genießen: Im Frühjahr 1774 erkrankt Ludwig XV. an den Pocken. Jeanne weicht trotz der hohen Ansteckungsgefahr nicht von seiner Seite.
Auf Druck seines Beichtvaters und aus Angst um sein Seelenheil lässt der geschwächte König seine Mätresse schließlich vom Hof verbannen und in ein Kloster bringen. Luwig XV. stirbt am 10. Mai und hinterlässt ein heillos überschuldetes Land. 15 Jahre später sollen die Revolutionäre die Bastille stürmen und der Bourbonen-Monarchie ein Ende setzen.
Rückkehr nach Frankreich inmitten der Revolution
Die Gräfin kehrt schließlich nach Louveciennes zurück, in das Schloss, dass der König ihr in den gemeinsamen Jahren geschenkt hatte. Als 1789 in Frankreich die Revolution ausbricht, wähnt sie sich, fernab von Versailles, nicht in Gefahr. Sogar noch nach der Hinrichtung des Königs kehrt sie aus dem sicheren England nach Frankreich zurück.
Im September 1793 wird Jeanne du Barry gefangen genommen und vor das Revolutionstribunal gestellt. Die Anklage fordert, dass „nach der Frau des letzten französischen Tyrannen“, Marie Antoinette, auch das Urteil über die Geliebte seines Vorgängers gesprochen werden müsse.
Am 8. Dezember 1793 steigt Jeanne du Barry auf der Place de la Revolution aufs Schafott. Sie stirbt durch die Guillotine, nicht mal zwei Monate nach der Königin, die ihr einst den Gruß verwehrte. Gegen ihr Schicksal soll sie sich gewehrt haben bis zum bitteren Ende.
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