Vor 60 Jahren, am 22. Januar 1963, unterzeichneten Charles de Gaulle und Konrad Adenauer mit dem Elysée-Vertrag ein Abkommen, das nach Jahrhunderten des Krieges die deutsch-französische Freundschaft besiegeln sollte. Das ist auch gut so, denn Deutschland und Frankreich, das passt einfach zusammen!
1. Die Sprachen: französische Diplomatie trifft deutsche Präzision
Dass Französisch als „Sprache der Diplomatie“ gilt, erklärt sich aus seiner Bedeutung als Sprache der europäischen Königshöfe. Aber auch ohne diesen geschichtlichen Hintergrund gibt sich das Französische ausgesprochen diplomatisch. Schön zeigt sich das in der Umschreibung „dame d’un certain âge“, „Dame eines gewissen Alters“.
Völlig undenkbar für einen Franzosen oder eine Französin, das Alter des Gegenübers zum Thema zu machen. Schon gar nicht, wenn das Gegenüber noch dazu weiblich ist. Umschreiben, beschönigen, versöhnen – das kann die französische Sprache mit ihrer sanften Bindung und ihrer sich wiegenden Melodie. Kein Wunder, dass sich das Deutsche einige Worte aus der Nachbarsprache entliehen hat.
Der wiegenden Melodie steht die deutsche Sprache mit wagnerianischer Gravitas gegenüber. In jeder Silbe wohnt dem Deutschen Bedeutung inne. Kaum eine Sprache neigt so zu präziser Formulierung und hat mit „Schadenfreude“, „Zeitgeist“ und „Sehnsucht“ Worte hervorgebracht, die beschreiben, wo andere Sprachen nur noch umschreiben können.
Wer noch Zweifel an der Genauigkeit der deutschen Sprache hat, dem sei das laut „Guinness-Buch der Rekorde“ längste deutsche Wort zitiert: „Donaudampfschifffahrtselektrizitätenhauptbetriebswerkbauunterbeamtengesellschaft“. Noch genauer kann man in einem Wort nicht formulieren – oder durch den Anschluss von „sdirektor*in“ erweitern. Eine Exaktheit, um die uns unsere französischen Nachbar*innen mitunter bewundern.
2. Die kulinarischen Vorlieben: Käse trifft Brot
„Wie wollen Sie ein Volk regieren, das 246 Käsesorten besitzt?“, soll einmal verzweifelt der französische Präsident Charles de Gaulle ausgerufen haben. Die Antwort auf seine Frage suchen seine Amtsnachfolger bis heute vergeblich, doch die 246 Käsesorten sind der Franzosen größter Stolz. Vom würzigen Camembert der Normandie bis zum herben Cantal der Auvergne, vom samtig-milden Ziegenkäse Valençay der Loire bis zum robusten Munster im Elsass – Käse ist Kunst und für Französ*innen Quell der Lebensfreude.
Was könnte besser die Vielfalt der französischen Käsereikunst ergänzen als der Deutschen Liebe zum Brot. Ob Weizen oder Roggen, geschrotet oder gemahlen, mit Hefe oder Sauerteig, vom Pumpernickel über das Vollkornbrot bis zum süddeutschen Laugengebäck – so vielfältig wie die Deutschen isst kein anderes Volk der Welt sein „täglich Brot“ und bietet damit eine Vielfalt für französischen Käse, an den – mit Verlaub – das Baguette nicht ran kommt.
Unsere Empfehlung: französischen Käse und deutsches Brot einfach bei einem Glas Wein miteinander verheiraten – wahlweise bei einem vollmundigen Bordeaux oder spritzigen Riesling.
Die Arte-Serie „Karambolage“ erklärt, wie man Käse à la française zu Brote lässt:
3. Die Mentalität: französisches Savoir-vivre trifft deutsche Effizienz
„Leben wie Gott in Frankreich“ heißt es in Deutschland nicht ohne Grund, wenn das Leben einmal besonders schön zu sein scheint. Mit einem Quäntchen Neid blicken wir auf unsere Nachbar*innen links des Rheins: ihre Küche, die Lavendelfelder der Provence und die einladenden Cafés in den Straßen von Paris. In Frankreich, so die romantisch verklärte Vorstellung der Deutschen, laufen die Uhren anders, denn Genuss und gute Gesellschaft stehen im Zentrum des Lebens.
Den Deutschen wird hingegen der ständige Wille zur Optimierung nachgesagt. Gut ist, so meint man, was effizient ist. Und gerade in der Zusammenarbeit mit Französ*innen verrät sich der oder die Deutsche gerne durch das notorische Bedürfnis für feste Zusagen, verbindliche Termine und verlässliche Planbarkeit.
Wo französisches Savoir-vivre auf deutsches Savoir-faire trifft, da gewinnen beide Seiten.
4. Die gemeinsamen Vorfahren
Wenn Sie meinen, deutsche Geschichte könne man unabhängig von der französischen betrachten: Falsch gedacht! Nicht zuletzt berufen sich sowohl die deutsche als auch die französische Geschichtsschreibung auf ein und dieselbe Gründungsfigur: Karl den Großen bzw. Charlemagne. Der Karolinger-Fürst ließ sich am 25. Dezember 800 in Rom zum Kaiser krönen und zementierte damit den Herrschaftsanspruch der französischen Königsdynastien genauso wie das römisch-deutsche Kaisertum.
Das Funk-Format MrWissen2go zu Karl dem Großen:
Gerade die Grenzregionen im deutschen Südwesten werden, wie das Elsass und Lothringen, im Laufe der Geschichte immer wieder zum Spielball deutscher und französischer Machtansprüche. Umso herausragender ist der langanhaltende Frieden, den Konrad Adenauer und Charles de Gaulle Ende der 1940er-Jahre vorantreiben und der am 22. Januar 1963 im Elysée-Vertrag seine schriftliche Form findet.
5. Zusammen für ein starkes Europa
Der Elysée-Vertrag trieb die Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs nach Jahrhunderten des Krieges voran. Beide Regierungen verpflichteten sich 1963 zum regelmäßigen Austausch, Absprachen in der Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik und zum intensiven Jugendaustausch, um das gegenseitige Verständnis in der Bevölkerung zu stärken.
Frankreich und Deutschland trieben gemeinsam in den 1970er Jahren die Einrichtung des Europäischen Rates und das einheitliche europäische Währungssystem voran. François Mitterand und Helmut Kohl intensivierten die deutsch-französische Zusammenarbeit nochmals und initiierten unter anderem den zweisprachigen Kultursender ARTE, der heute online sein Angebot in sechs Sprachen zur Verfügung stellt.
Archivradio-Gespräch Die Geschichte der deutsch-französischen Freundschaft
Die Beziehung Deutschland-Frankreich spielt für Europa heute wieder eine besondere Rolle. Diese Freundschaft fiel nicht vom Himmel – sie wurde mühsam erarbeitet. Das SWR2 Archivradio dokumentiert die Entwicklung in zahlreichen Originalaufnahmen. (Aktualisierte Produktion von 2013)
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