Donald Duck

Deutscher Donald-Duck-Zeichner im Gespräch

Der ewige Aktivist: Donald Duck wird 90

Stand
Autor/in
Tobias Stosiek

Donald Duck ist ein Weltstar – da ist natürlich schwer rankommen. Wir haben deshalb mit einem Mann gesprochen, der den Erpel kennt, wie kaum ein zweiter: sein deutscher Zeichner Jan Gulbransson.

Tollpatsch und Choleriker, Pleitenvogel, Steh-auf-Erpel oder Jedermann – Donald Duck ist schwer zu fassen. Der Erpel sei die „komplexeste Comicfigur“, die er kenne, sagt Jan Gulbransson. Das beginnt schon beim Schnabel. Purer Ausdruck sei diese Figur. „Alles, was ein guter Schauspieler bringen kann, kann ich auch zeichnen, denn alles ist beweglich und in der Form veränderbar.“

Gulbransson zeichnet Donald Duck seit über 40 Jahren

Jan Gulbransson muss es wissen. Er zeichnet Donald Duck jetzt seit über 40 Jahren. Eine Lebensaufgabe. Lange war er der einzige Deutsche, dem diese Ehre zu Teil wurde. Außerdem ist er der einzige, der in die Disney-Hall of Fame aufgenommen wurde. Es habe Jahre gedauert, bis er Donald anständig hingekriegt habe, sagt er. „Und ich zeichne, seit ich denken kann. Das ist ein schweres Brot.“

So beschwert wirkt Jan Gulbransson allerdings gar nicht, während er erzählt. Wir sitzen bei ihm zuhause in München-Schwabing. Dritter Stock, Blick auf den Englischen Garten. Die Wohnung strahlt eine sympathische Ramschigkeit aus. Bücher bis unter die Decke – und wo keine Regale stehen, dort bedecken Bilder die Wände. Petersburger Hängung, ein wilder Stilmix – und hier und da eine Ente.

Jan Gulbransson
Jan Gulbransson sitzt in seiner Wohnung in München und zeichnet an einem Comic. Er ist einer der wenigen deutschen Disney-Zeichner und verfasst seit über 40 Jahren Donald-Duck-Comics.

Diese Woche ist Gulbransson 75 geworden – Donald hat ihm also eineinhalb Jahrzehnte voraus. Vom Ruhestand sind beide aber noch weit entfernt. Zusammen mit einem Kollegen erfindet er gerade einen neuen Donald Duck, erzählt der Zeichner gut gelaunt. Wenn man sich sein fliegendes, weißes Haar wegdenkt, meint man fast, sein Großvater sitze einem gegenüber: die spitze Nase, die tiefliegenden Augen ... nur die für Olaf Gulbransson so charakteristische Glatze fehlt.

Schon Großvater Olaf Gulbransson zeichnete — für den „Simplizissismus“

Olaf Gulbransson war ein berühmter Karikaturist, vor allem in den 20er und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Ein Norweger, der in der Münchner Bohème sein zweites Zuhause fand. Dort verkehrte er mit Schriftstellern wie Oskar Maria Graf, Frank Wedekind oder Thomas Mann. Gearbeitet hat er in erster Linie für die Satirezeitschrift „Simplizissismus“. Jan, der Enkel, ist in seine Fußstapfen getreten.

In der frühen Bundesrepublik waren Comics verpönt

Oder vielleicht sollte man besser sagen: selbstbewusst einen Schritt daneben. Als der kleine Jan den Erpel für sich entdeckt – zunächst als Leser natürlich –, ist Comic nämlich Pfui. Anders als heute, war mit Donald damals, in der frühen Bundesrepublik, kein Staat zu machen. Die Heftchen gelten als Schund. Der SPIEGEL nennt sie sogar das „Opium der Kinderstube“.

Galten in der frühen Bundesrepublik als als Schundliteratur: Donald-Duck-Comics
Galten in der frühen Bundesrepublik als als Schundliteratur: Donald-Duck-Comics

Die Angst vor dem Sittenverfall klebt an den bunten Bildern. Sogar zu Heftverbrennungen kommt es. Das sind eingeübte Reflexe, die sich wenige Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus gegen dieses neue und außerdem amerikanische, also kulturfremde Medium richten.

Ist Donald Duck ein Linker?

„Ich war das arme, missgeleitete Kind, das seine wunderbare Begabung leider für die dunkle Seite der Macht verwendet hat“, erzählt Gulbransson augenzwinkernd. „Auf der anderen Seite hat mich das gerade motiviert. Also ich bin sicher: Die Berufswahl hat schon mit der Rache des kleinen Burschen zu tun, der dann sagt: So jetzt zeig ich’s euch!“

Jan Gulbransson
Er habe Jahre gebraucht, bis er Donald Duck zeichnen konnte, sagt Jan Gulbransson. Hier skizziert er den berühmten Erpel.

Donald Duck als Emanzipationsbooster. Etwas, das es zu verteidigen galt gegen die deutsche Nachkriegsspießigkeit. Wenn man Gulbransson so zuhört, kommt man fast auf die Idee, dass die Achtundsechziger, zu denen er auch selbst gehört, sowas waren wie die Generation Duck.

Zumindest die Renitenz der Sponti-Bewegung scheint von Donald inspiriert, der doch quasi in Reinform das verkörpert, was der Philosoph Ralf Konersmann die „Bürgertugend des Troublemaking“ nennt. Und es kann kein Zufall sein, dass auch die sogenannten Donaldisten, die sich seit den Siebzigern mit fröhlicher Akribie der Erforschung von Entenhausen widmen, vor allem dem linken Millieu entstammten.

„Donald Duck geht in die Luft“
Meister in der „Bürgertugend des Troublemaking“. Szene aus dem Cartoon: „Donald Duck geht in die Luft“.

Reaktionär oder subversiv? Donald lässt sich nicht unterkriegen

Er habe sich oft gefragt, wie das sein könne, erklärt Gulbransson. Oberflächlich betrachtet sei die Moral der Donald-Geschichten schließlich eher reaktionär. Alles, was der Erpel versucht scheitert am Ende. Und die Verhältnisse sind wieder so wie sie vorher waren.

„Aber das ist nur das, was an der Oberfläche zu sehen ist – in Wirklichkeit ist die Botschaft nämlich: Donald versucht die Verhältnisse zu verändern, er scheitert, aber er lässt sich nie unterkriegen, sondern fängt einfach wieder von vorne an.“

Szene aus „Donald Duck's lucky Days“ von 1939
Und schon wieder droht ein Projekt von Donald zu scheitern ... Szene aus „Donald Duck's lucky Days“ von 1939.

Donald Duck – das ist also nicht nur der pleitengeplagte Pechvogel, ein Sisyphos in Entengestalt. Vor allem ist Donald ein Unermüdlicher, der mit aktivistischer Langmut jeder Idee folgt, die in seinem kleinen Entenhirn aufploppt. Und wenn auch nicht im Comic – in der Realität zahlt sich sowas manchmal aus.  

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