Die Urlaubszeit hat begonnen, und viele Deutsche fahren wieder mit dem Auto in die Ferien. Wenn die Fahrt zu lang wird oder der Stau den Fortschritt bremst, könnten die braunen Schilder am Autobahnrand in der Nähe einer Ausfahrt zu einem kulturellen Abstecher verführen - etwa zur Stuttgarter Wilhelma, zum Freilichtmuseum Hohenfelden oder neuerdings auch zum Wacken Open Air. Doch wie viele Menschen setzen wegen dieser Schilder tatsächlich den Blinker und besuchen die Sehenswürdigkeiten?
Burgen, Museen und andere Sehenswürdigkeiten erscheinen am Fahrbahnrand
Gerade auf langen und ermüdenden Strecken sorgen die Schilder – im Amtsdeutsch „Touristische Unterrichtstafeln“ genannt – für eine ersehnte Abwechslung in der grauen Eintönigkeit bundesdeutscher Autobahnen.
Ob Burgen und Schlösser, berühmte Persönlichkeiten, renommierte Ausstellungshäuser, Konzertsäle oder Festivals: Die braunen Schilder weisen die Vorbeifahrenden auf ihrem Weg auf möglicherweise interessante Ausflugsziele hin. Es sind vor allem kulturelle Sehenswürdigkeiten, die am Fahrbahnrand beworben werden.
Ob Regen oder Sonnenschein: Diese Ausflugsziele sind bei jedem Wetter ein kulturelles Highlight
Die Thermen müssen dem Festspielhaus weichen – bleiben aber auf der A5
Auch an der A5 bei Baden-Baden gibt es in beide Fahrtrichtungen solche Schilder. Bisher haben diese bei Kilometer 654,1 das Museum Frieder Burda und die Thermen gezeigt. Nun aber setzt die Kurstadt mit dem Festspielhaus und dem Museum Frieder Burda voll auf die Kultur und ihre Sogwirkung am Rande der Autobahn – und die Thermen als kulturelle Sehenswürdigkeit bleiben der A5 überdies erhalten:
„Da die Thermen durch ein zusätzliches Schild ,UNESCO-Welterbe‘ bereits beworben sind, wurde es gegen eine neue Touristische Beschilderung an der A5 ausgetauscht“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt vom 13. Februar 2023. Im Mai 2022 wurde nämlich bereits ein braunes Schild mit dem Hinweis auf den UNESCO-Welterbetitel der Stadt aufgestellt. Wie ein Pressesprecher auf Nachfrage erläutert, sei die Initiative für das neue Schild von der Stadt ausgegangen, gemeinsam mit einem beauftragten Büro sei das Motiv erarbeitet worden.
Ein Exportschlager aus Frankreich erreicht das Schwabenland
Weil die Schilder Ländersache sind und es demzufolge kein bundesdeutsches Verzeichnis gibt, ist ihre genaue Anzahl ein Mysterium. Der ADAC beziffert sie im Jahr 2020 mit „mehr als 3.400“. Und ihre Anzahl nimmt stetig zu – wie ja auch das Baden-Badener Beispiel zeigt. Eine wissenschaftliche Untersuchung aus dem Jahr 2019 kam noch nach Abfrage der einzelnen Landesbehörden zum Schluss, dass insgesamt 2.919 braune Schilder an deutschen Autobahnen zu finden sind.
Der Beginn der „Touristischen Unterrichtstafeln“ liegt in Frankreich: Mitte der 1970er Jahre erfolgten hier die ersten Hinweise auf touristische Ausflugsziele. Das Regierungspräsidium Stuttgart war offenbar so angetan von der Idee, dass in einem Pilotprojekt 1983 mehrere Hinweisschilder im Regierungsbezirk Stuttgart aufgestellt wurden. Das erste derartige, in Deutschland aufgestellte Schild befindet sich auf der A8 und zeigt die Burg Teck.
Jeder Sechste ist schon mal wegen eines braunen Schilds von der Autobahn abgefahren
Doch welchen Effekt haben die Schilder? Wie viele Menschen verlassen ihre Reiseroute, um mal eben eine Burg zu besichtigen oder ein Museum zu besuchen? Wie eine repräsentative Untersuchung der Hochschule Harz in Wernigerode aus dem Jahr 2019 ergab, ist knapp jeder sechste Verkehrsteilnehmer bereits einem braunen Hinweisschild gefolgt. Während nur etwa vier Prozent der Befragten noch nie ein solches Schild wahrgenommen haben will, könnten sich etwa zwei Drittel der Befragten an konkrete Inhalte einzelner Tafeln erinnern.
Teilweise würden sich Verkehrsteilnehmer*innen auch einzelne Sehenswürdigkeiten merken und später ansteuern, so eine weitere Erkenntnis der Befragung. Rund 70 Prozent erklärten jedenfalls, sich bereits mit Mitfahrenden über die braunen Schilder am Fahrbahnrand unterhalten zu haben, etwa 30 Prozent unter ihnen gaben an, dass sie sich regelmäßig über die Inhalte der Hinweise ausgetauscht hätten.
Die braunen Schilder scheinen demnach nicht nur langweilige Autobahnfahrten etwas aufzupeppen, sondern einen Mehrwert in Sachen kulturelle Bildung zu beinhalten: Regionales Erbe wird im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar – und zwar nicht im Musentempel oder innerhalb der ästhetisch gestalteten Reiseliteratur, sondern im gesichtslosen Grau-in-Grau der Autobahn. Alltagskultur könnte man das nennen.
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