Lesetipps der Literaturredaktion

Irgendwas mit Sommer!

Stand
Redakteur/in
Katharina Borchardt

Heiß, heißer, Sommer! Wie herrlich sind die heißen Tage, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Man braucht immer ein wenig, um den Frühling ziehen zu lassen und in der schwitzigen Hitze des Sommers anzukommen. Irgendwann aber ergibt man sich: Langärmliges wird in die Schränke verbannt. Der Eiskonsum steigt. Abends kehrt man glücklich-erschöpft vom Freibad heim. Die Musik dazu machen tausende von Grillen.

Mecklenburg oder Italien? – Hauptsache raus aufs Land

An den Klimawandel dachte man früher noch nicht. Da zog man raus nach Mecklenburg oder Brandenburg (Christa Wolf und Judith Hermann) oder an die See (Christiane Rochefort und Heinz Strunk). Oder – warum nicht? – gleich nach Hollywood (Aldous Huxley). Nach Italien will man natürlich sowieso immer (Benedict Wells und Gianfranco Calligarich). Und selbst das graue West-Berlin erlebte einmal einen dreißigjährigen Sommer, zeigt der Philosoph Philipp Felsch.

„Der Sommer war sehr groß“, schrieb einst Rilke in seinem Gedicht „Herbsttag“. Ein Rückblick aus den ersten wieder kühlen Tagen, die auch ein bisschen staunen lassen über diese hellste aller Jahreszeiten. So schaut auch Ali Smith aus der Gegenwart von Brexit und Klimakrise zurück auf eine Jahreszeit, die nicht nur reiche Ernte, sondern auch eine ungeahnte Freiheit versprach.

  • Heinz Strunk – Ein Sommer in Niendorf

    Der Mann, das peinliche Wesen! Auch in Heinz Strunks neuem Roman geht es um einen mittelalten Mann, der mit sich, dem Leben und der Liebe hadert. Angesiedelt im sommerlichen Niendorf an der Ostsee, schreibt Strunk eine Art RTL2-Version von Thomas Manns „Tod in Venedig“. Keine besonders aufmunternde, aber eine sehr dynamisch erzählte und stellenweise rasend komische Sommerlektüre.

    Rowohlt Verlag, 240 Seiten, 22 Euro | ISBN 978-3-498-00292-3

  • Ali Smith – Sommer

    „Sommer“ ist der letzte Roman der Jahreszeitentetralogie der schottischen Autorin Ali Smith. Vielfach wird hier der Sommer beschworen, auch wenn die Geschichte im ausgehenden Winter 2020 angesiedelt ist, in dem der Brexit und die Corona-Pandemie England erschüttern. In den Erinnerungen der alten und jungen Protagonist*innen werden die unterschiedlichsten Sommer lebendig. Da sind zum Beispiel der 104-jährige Daniel Gluck, die sechzehnjährige Sacha oder auch ihre Mutter Grace. Ihre Sommer waren niemals nur lichthell, sondern teils auch von Schatten gezeichnet, doch sie tragen eine Wärme in sich, die bis in die bedrohte Gegenwart reicht.

    Aus dem Englischen von Silvia Morawetz | Luchterhand Verlag, 384 Seiten, 22 Euro | ISBN 978-3-630-87581-1

  • Judith Hermann – Sommerhaus, später

    Vieles scheint möglich in den Berliner Sommern der Nachwendezeit. Die um die 30-Jährigen leben und lieben wie auf Probe. „Sommerhaus, später“ war vor 25 Jahren Judith Hermanns Debüt. Diese traumwandlerischen, melancholischen Erzählungen lesen sich immer noch frisch. Empfehlung für den Sommer!

    S. Fischer Verlag, 208 Seiten, 23 Euro | ISBN 978-3-10-397511-6

  • Christiane Rochefort – Zum Glück geht's dem Sommer entgegen

    Die Kinder ziehen ans Meer. Eine Art Massenflucht. Einfach so, zu Fuß. Eine sadistische Lehrerin reicht, dann steht die ganze Klasse auf und geht. Davon erzählt Christiane Rocheforts in ihrem 1975 erschienenen Roman „Zum Glück gehts dem Sommer entgegen“. Am Ende steht der Traum von einer besseren Welt ohne Geschlechtergrenzen. Das Buch war in der Hippiebewegung populär. Damals arbeitete Rochefort mit der Philosophin Simone de Beauvoir zusammen. Man kann es heute sehr aktuell lesen als ein Buch zur LGBTQ+ Bewegung.

    Aus dem Französischen von Eugen Helmlé | Suhrkamp Verlag, 222 Seiten, 11 Euro | ISBN 978-3-518-38416-9

  • Christa Wolf – Sommerstück

    Ein echte Hitzesommererzählung: Christa Wolfs „Sommerstück“, geschrieben in den 1970er Jahren, erschienen im Jahr der Wende 1989.
    Schriftsteller, Autorinnen, Maler, Lebenskünstler ziehen sich aufs Land zurück. Die Hoffnung auf politische Veränderung sind zerstoben.
    Jetzt kreist man um sich: trifft sich, geht spazieren, diskutiert, feiert Feste. Aber die Spannungen bleiben nicht aus...
    Ein Meisterwerk, das nicht verbirgt, dass auch die Autorin nicht mit sich im Reinen ist.

    Suhrkamp Verlag, 233 Seiten, 11 Euro | ISBN 978-3-518-45941-6

  • Aldous Huxley – Nach vielen Sommern

    Sonne, Swimming-Pools und ewiges Leben. Darum geht es in Aldous Huxleys Hollywoodroman „Nach vielen Sommern“ aus dem Jahr 1939. Der Brite Huxley wusste, wovon er schrieb: Erst zwei Jahre zuvor zog er nach Kalifornien, wo er sich – wie auch seine Romanfigur Jeremy Clayton – inmitten von reichen Menschen mit seltsamen Eigenheiten wiederfand. Ein wiederkehrendes Motiv im Roman ist die Suche nach einem Mittel für ewiges Leben. Der Roman könnte einmal eine Neuübersetzung vertragen. Trotzdem: Er ist herrlich bissig im Ton. Und worüber möchte man lieber im Sommer nachdenken als über das ewige Leben?

    Aus dem Englischen von Herberth E. Herlitschka | Piper Verlag, 270 Seiten, 17 Euro | ISBN 978-3-492-97663-3

  • Benedict Wells – Becks letzter Sommer

    Ein Roadtrip, Bob Dylan und gescheiterte Träume. Darum geht es in Benedict Wells Roman „Becks letzter Sommer“. Im Zentrum: der desillusionierte Gymnasiallehrer Robert Beck, der in seinem Schüler Rauli ein geniales Musiktalent entdeckt. Der Roman startet in München und führt durch Osteuropa über Istanbul bis nach Italien. Ein wilder und melancholischer Sommertraum. Zur Lektüre empfehlen sich eisgekühltes Dosenbier und eine Bob Dylan-Platte.

    Diogenes Verlag, 464 Seiten, 19,90 Euro | ISBN 978-3-257-06676-0

  • Gianfranco Calligarich – Der letzte Sommer in der Stadt

    Der Roman „Der letzte Sommer in der Stadt“ von Gianfranco Calligarich ist in Italien ein Kultbuch und liegt nun erstmals auf Deutsch vor: Leo Gazzarra kommt Anfang der 1970er-Jahre nach Rom, arbeitet als Journalist, lernt eine Frau kennen. Es ist heiß in der Stadt, die Liebe ist wichtiger als der Job. Doch bevor das Leben so richtig beginnt, wird auch die Endlichkeit von allem deutlich. Ein atmosphärisch elegantes Stadt- und Epochenporträt. Das sensationelle Debüt des 1947 geborenen Calligarich bietet gewiss nicht nur eine passende Lektüre für heiße Tage in einer schönen Stadt, sondern an jedem Ort, den man beim Lesen ohnehin bald vergisst. Denn dieser melancholischen Prosa wohnt ein Zauber inne.

    Aus dem Italienischen von Karin Krieger | Hanser Verlag, 208 Seiten, 22 Euro | ISBN 978-3-552-07275-6

  • Philipp Felsch – Der lange Sommer der Theorie

    Vor ein paar Tagen war ich auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof in Berlin und habe Peter Gente und Heidi Paris besucht. Das berühmte Verleger-Paar vom Merve-Verlag liegt dort begraben. Ich hatte den „Langen Sommer der Theorie“ von Philipp Felsch dabei. Eine mitreißende Kulturgeschichte des wilden Denkens in West-Berlin. Am Beispiel des Merve-Verlags. Heiß, heißer, Merve!

    S. Fischer Verlag, 336 Seiten, 14 Euro | ISBN 978-3-596-03622-6

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