Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu steht erneut wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht. Die Proteste gegen ihn haben in den letzten Monaten jedoch deutlich nachgelassen. „Die Proteste gegen die Justizreform und das Verfahren gegen Netanjahu finden immer noch statt, auch wenn andere Themen derzeit die öffentliche Diskussion dominieren“, berichtet Maja Sojref vom New Israel Fund Deutschland e.V.
Was wurde von der Regierung erreicht?
Nach den Angriffen der Hamas am 7. Oktober 2023 erlebte Israel eine Phase der Einheit, die jedoch mittlerweile einer kritischen Haltung gegenüber der Regierung gewichen sei.
Der Druck auf die Zivilgesellschaft habe jedoch zugenommen, insbesondere auf Personen, die Mitgefühl mit der Zivilbevölkerung in Gaza äußern.
Einschränkung der Meinungsfreiheit
Netanjahu und seine Regierung versuchten, Kritiker zu diskreditieren und sie als Verräter darzustellen, so Sojref: „Das ist eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, die in Verbindung mit den Angriffen auf die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht.“
Auch der Vorwurf, Netanjahu inszeniere sich, ähnlich wie andere populistische Politiker, als Opfer einer politischen Justiz, steht im Raum.
Spaltung der Gesellschaft
Die israelische Gesellschaft bleibe tief gespalten zwischen Unterstützern und Gegnern Netanjahus. Daran werde auch der Ausgang des Prozesses nichts ändern, so Sojref.
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Tagesgespräch "Es fehlt eine politische Perspektive von Netanjahu im Gazakrieg"
Das Vorgehen Israels im Gazakrieg wird international kritisiert, das Land ist zunehmend isoliert. Was bedeutet das für den Krieg? Politikwissenschaftlerin Bente Scheller (Heinrich-Böll-Stiftung) erklärt im SWR Tagesgespräch: "Das Gefühl, dass es einsamer wird, hat Netanjahu, haben die Menschen in Israel, bestimmt. Aber ich denke, politisch ist es auch eine Gradwanderung. Das Selbstverteidigungsrecht Israels steht natürlich nicht in Frage, aber die Art der Kriegsführung in Gaza ist sehr umstritten wegen der vielen zivilen Opfer." Scheller vermisst von der israelischen Regierung vor allem eine politische Perspektive. "Das einzige Ziel, das formuliert worden ist, ist die Zerschlagung der Hamas – und das ist natürlich schwierig zu definieren. Wann ist das erreicht? Und wie soll es dann weitergehen?" so Scheller. Was die jüngste UN-Resolution zum Gazakrieg für eine Bedeutung hat, erklärt die Politikwissenschaftlerin im Gespräch mit SWR2 Aktuell-Moderator Gerhard Leitner.
Forum Gaza am Abgrund – Riskiert Netanjahu die Solidarität mit Israel?
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Neues Buch des Israelischen Historikers Moshe Zimmermann: Netanjahus Regierung trägt Mitschuld am Nahost-Konflikt
Der Israelische Historiker Moshe Zimmermann nennt die Regierung Netanjahus eine „Kakistokratie“ – eine „Herrschaft der Schlechtesten“. Bereits die Regierungen vor Netanjahu hätten extrem rechte Tendenzen gezeigt, doch nie sei es extremer gewesen als jetzt. Man dürfe nicht nur nationalistisch handeln, das sei chauvinistisch und führe dazu, dass man nie Frieden mit der arabischen Seite finden könne.