Nahbare und öffentlich zugängliche Kunst, so könnte man Urban Art bezeichnen. Eine Kunstform, die fasziniert, die viel interpretiert wird, sich aber dennoch nie ganz greifen lässt. Aber wie ist Urban Art eigentlich entstanden? Steckt eine Botschaft dahinter?
Kunst, die nicht im Museum hängt, sondern für jeden im urbanen Raum sichtbar ist; die nicht „behütet“ wird, sondern ganz im Gegenteil Gefahr läuft oder gerade darauf ausgerichtet ist, flüchtig, vergänglich zu sein: Das kann man im Großen und Ganzen als Gemeinsamkeit von Kunst im Freien bezeichnen. Ansonsten unterscheiden sich die einzelnen Formen durchaus voneinander, wobei Urban Art als eine Art Oberbegriff verstanden werden kann.
Street Art - Kunst mit einer Botschaft
Street Art ist ein sich seit den 1980er Jahren weltweit verbreitendes Phänomen, das zeitgleich in verschiedenen urbanen Räumen aufgetreten ist und von der Graffiti-Bewegung inspiriert wurde. Häufig wird der Begriff Street Art auch gleichbedeutend für Graffiti und alle anderen Formen von Straßenkunst verwendet, was den unterschiedlichen Kunstformen allerdings nicht gerecht wird.
Zwar wechseln einige Künstler im Laufe ihrer Karriere von einem in den anderen Bereich und die Unterschiede sind teils fließend, doch gibt es auch eklatante Unterschiede, was die Herangehensweise und Zielgruppe betrifft.
Während Werken der Street Art Künstler Banksy, Blek le rat, Jean-Michel Basquiat oder Keith Haring eine Botschaft immanent ist, seien es soziale Missstände oder politische Ungereimtheiten, geht es Graffiti-Künstlern in erster Linie um die Verbreitung ihres Namens.
Auch ist das soziale Milieu häufig ein anderes, während in der Graffiti-Szene meist männliche Jugendliche aus einkommensschwächeren Verhältnissen zu finden sind, sind Street Art Künstler eher Kunststudenten oder bereits etablierte Künstler.
Legal, öffentlich und kostenlos
Davon abgesehen nutzen sie ebenso die Öffentlichkeit für ihre Kunst und arbeiten mit ähnlichen Werkzeugen und Techniken. Allerdings steht ihnen eine größere Palette an Ausführungsmöglichkeiten zur Verfügung.
So sind auch Schablonen, Poster, Sticker oder ein direkter Farbauftrag erlaubt. Ziel ist es, zur Diskussion anzuregen und Reaktionen auszulösen, sowie eine große Masse zu erreichen - sozusagen Kunst kostenlos für jedermann sichtbar inmitten des urbanen Raums herzustellen.
Mural – Große farbenfrohe Form von Street Art
Diejenigen, die den illegalen Raum und damit in gewisser Weise die Graffiti-Szene verlassen haben und zur Street Art gewechselt sind, finden etwa in Form von sogenannten "Murals" (Wandgemälden) die Möglichkeit, ihre Kunstwerke großformatig und legal einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren.
Murals erstrecken sich häufig über eine gesamte Häuserfassade und erregen durch ihre schiere Größe Aufmerksamkeit. Sie sind sozusagen gerade prädestiniert dafür, eine politische Botschaft zu vermitteln oder an bestimmte historische Ereignisse zu erinnern. Oftmals werden Murals wie etwa bei dem Mannheimer Projekt Stadt.Wand.Kunst in Auftrag gegeben, um zur Unverwechselbarkeit von Orten und zur Stärkung einer „lokalen Identität“ beizutragen.
Teils sind Murals bereits zu Sehenswürdigkeiten avanciert und finden in Reiseführern Erwähnung. So etwa eine schwarze Katze mit leuchtenden Augen an einer Häuserwand im portugiesischen Porto.
Graffiti – Der Reiz am Sprayen
Während bei Street Art mehr ein Bild im Vordergrund steht, ist bei Graffiti die Schrift ausschlaggebend. Künstler wollen ihren Alias-Namen mit einem gesprühten Schriftzug, einem Tag, verewigen, in der Szene Aufmerksamkeit erregen, gesehen werden und vielleicht auch ein bisschen ihr Revier markieren.
Graffiti-Kunst hat ihren Reiz im Illegalen, gesprüht wird auf fremde Züge, Mauern, Laternen, Fassaden - auf alles, was öffentlich zugänglich ist und für eine Großzahl an Menschen sichtbar und wahrnehmbar ist.
Kunst, politische Botschaft, oder beides?
Genau fassen lässt sich das Phänomen Graffiti nicht, aber der Sinn dahinter ist eigentlich immer der Gleiche, sich verewigen oder eine Botschaft senden. Auch wenn die Botschaft bei Graffiti nicht zwingend politisch ausgerichtet sein muss, löst sie doch in den meisten Fällen eine dahingehende Diskussion aus.
Oft geht es darum, dass sich Graffiti-Künstler nicht gesehen fühlen, sich Gehör verschaffen wollen und somit eventuell auch ungewollt ein politisches Statement setzen. Viele wollen anonym bleiben, keine für sie vorgesehene Plattform angeboten bekommen, sondern vorhandene Flächen für sich nutzen. Ein Sprayer, der anonym bleiben möchte, ist etwa der Auffassung, dass der Raum für seine Kunst quasi schon vorhanden sei, nur eben bislang ungenutzt.
Immer wieder geraten Sprayer durch ihre Kunst mit dem Gesetz in Konflikt, denn Fakt ist, was im Eigentum anderer steht, darf nicht besprüht werden. Die Deutsche Bahn etwa erleidet nach eigener Aussage durch Graffiti jährlich einen Schaden von rund zwölf Millionen Euro.
Ist legale Spraykunst gar kein Graffiti mehr?
Aber funktioniert diese Art von Kunst überhaupt legal? Oft wird das Taggen auch als Ausdruck aufgestauter Energie gesehen, Druck entlädt sich praktisch wörtlich durch den Sprühstoß. Wobei die mit der Szene assoziierte Aerosol-Spraydose erst 1949 von Edward Seymour erfunden wurde. Das technische Prinzip dahinter ist bis heute kaum verändert worden.
Wenn man sich den Ursprung anschaut, muss man allerdings weiter zurückblicken, doch auch da verschwimmen die Grenzen. Einige sind der Auffassung, Graffiti gab es eigentlich schon immer, etwa in Form von Höhlenmalerei, im Mittelalter oder in Pompeji. Andere sehen ihren Anfang erst in den 1960er Jahren mit Beginn der Hip Hop Kultur.
Höhlenmalerei als „Steinzeit-Graffiti“
Teils halten Wissenschaftler Tierdarstellungen in der Steinzeit für einen Vorläufer dieser Kunstrichtung und prägen die Bezeichnung „Steinzeit-Graffiti“ für Höhlenmalerei. Gemalt wurde damals etwa mit Holzkohle, Rötel oder Ocker unter Zuhilfenahme von Zweigen, Knöchelchen, Borsten oder Röhrchen, durch die die Farbe mit dem Mund sozusagen auf die Fläche gesprüht wurde. Dabei kamen neben pinselartigen Objekten auch die eigenen Finger oder Schablonen zum Einsatz.
Graffito „Kilroy was here“ tauchte in den 1940er und 1950er Jahren auf
Insbesondere im Zweiten Weltkrieg prägten US amerikanische Soldaten das Graffito „Kilroy was here“, was letztendlich fast zu einem Running Gag wurde, da das Männchen mit der langen Nase, das über eine Mauer schaut, sozusagen immer schon überall war, es also immer schon vor jemandem an einem bestimmten Ort war.
So kam es, dass sich das Graffito in den 1940er und 1950er Jahren schnell verbreitete und an etlichen Orten hinterlassen wurde, mal mit besagtem Schriftzug, mal ohne.
Moderne Graffiti entstanden mit der Hip Hop Kultur
Moderne Graffiti sind auf die Mitte der 1960er Jahre, als sich die Hip Hop Kultur entwickelte, zurückzuführen. Als erster überlieferter Graffiti-Künstler der Welt gilt Darryl McCray alias Cornbread aus Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania. Schnell schwappte das Phänomen nach New York und löste unter den Jugendlichen einen regelrechten Trend aus.
In Europa und Deutschland wurden Jugendliche mit der „modernen“ Graffiti-Kunst und dem Lebensgefühl der New Yorker Ghettos insbesondere Anfang der 1980er Jahre durch die Graffiti-Filme „Beat-Street“ und „Wildstyle“ infiziert. Mit den Jahren wurden die Tags immer bunter und aufwendiger, die Erkennungsmerkmale blieben aber die gleichen. So sollen Graffiti beispielsweise nur dann als „echt“ gelten, wenn Schriftzüge oder Symbole mittels einer Sprühdose oder eines Markers freihändig ausgeführt werden.
Sonderform Pixação aus Brasilien
Als Sonderform der Graffiti gelten die aus hauptsächlich geraden Linien bestehenden monochromen Buchstaben, die sogenannten Pixação. Dabei handelt es sich um eine sich in den 1980er Jahren entwickelnde, besonders für São Paulo typische, abstrakte Kunstform, die sich vornehmlich mit Typographie und Kalligraphie beschäftigt. Anders als in anderen Ländern üblich, wird in Brasilien nicht zwischen Graffiti und Street Art, sondern zwischen Graffiti und Pixação unterschieden.
Pixações werden mit einer Spraydose oder einer Farbwalze aufgetragen. Erwünscht sind klare Konturen ohne tropfende Farbe, eckige, meist einfarbige Buchstaben, die sich an einer Hausfassade vertikal in die Länge ziehen. Im Gegensatz zu Graffiti sind sie unerwünscht und man geht rigoros gegen diese Form des Taggens vor, sieht sie als Angriff auf den Staat.
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