Er war ein Provokateur, aber auch ein Visionär: Der deutsche Designer Luigi Colani. Seine bunte Welt war rund – organische, fließende Formen statt Kanten und rechten Winkeln. Viele seiner futuristischen Entwürfe haben heute Kultstatus. Ob Kugelschreiber, Lastwagen wie Raumschiffe oder Fernseher – seine enorme Bandbreite zeigt jetzt die Ausstellung „Luigi Colani. Popstar des Designs“ in der Stihl Galerie in Waiblingen.
Urinal, futuristisches Motorrad, Kindernachttopf – Colanis Werk ist bunt und vielfältig
Eine hellblaue geschwungene Keramikskulptur, die sich bei genauerem Hinsehen als Urinal entpuppt, direkt neben einer Weltrekord-Maschine – einem futuristischen Motorrad – oder einem Kindernachttopf. Der Ausstellungsraum der Stihl Galerie in Waiblingen zeigt, wie vielfältig das Werk von Lutz alias Luigi Colani war. Rund und bunt sind fast alle Ausstellungsstücke – zu seiner Zeit ein Novum.
![Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani (Foto: SWR, Sophia Volkhardt) Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani](/swrkultur/kunst-und-ausstellung/1713429856124%2Cgalerie-stihl-luigi-colani-106~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
„Der Designdiskurs in Deutschland ist sehr stark vom Bauhaus geprägt, und das Bauhaus ist relativ minimalistisch und gradlinig, um es reduziert auszudrücken“, sagt Kuratorin Mirjam Kreber. „Und das steht natürlich dem total entgegen, was Colani produziert hat. Er hat organische, fließende Formen verwendet und eckige Kanten und rechte Winkel total abgelehnt. Das war etwas ganz Neues.“
Auftrumpfende dreidimensionale Stücke, aber auch Zeichnungen und Skizzen
Colani wird in Berlin groß, sein Vater arbeitet beim Film, die Mutter am Theater. Die Eltern geben dem Sohn kein Spielzeug, er soll es sich selbst basteln. Später studiert Luigi Colani Bildhauerei und Malerei, später Aerodynamik in Paris.
![Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani (Foto: SWR, Sophia Volkhardt) Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani](/swrkultur/kunst-und-ausstellung/1713429855302%2Cgalerie-stihl-luigi-colani-114~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Die Ausstellung trumpft mit vielen dreidimensionalen Stücken eines Berliner Sammlers auf – unter anderem das aufsehenerregende Cabrio Colani GT mit Kunststoff Karosserie – Kunst auf Rädern mit 44 PS. Doch eigentlich ist die Stihl Galerie auf Papierwerke spezialisiert. Und so stehen auch seine Skizzen im Fokus. Sie zeigen: Colani war ein erstklassiger Zeichner.
So sind in der Ausstellung immer wieder Blätter der Zeichnungen-Sammlung „YLEM“ zu sehen, die zum Teil durch die Originalvorskizzen ergänzt werden. „Sie führen uns durch die Ausstellung und geben ein Backgroundwissen darüber, was Colani sich oft dachte“, erklärt Kuratorin Mirjam Kreber.
Colani spaltet die Kunst- und Designwelt
Stets in Weiß gekleidet, am liebsten mit Zigarre im Mund – Luigi Colani spaltet zu seiner Zeit die Kunst- und Designwelt. Die einen halten ihn für ein Universalgenie, einen Visionär und ein Marketingtalent, die anderen bezeichnen ihn als provokationssüchtigen Superspinner, der Ideen wie am Fließband spuckt, und: als Marketingtalent.
-
Das Weltrekordmotorrad Egli MDR-1 im Colani-Design ist ein Unikat. 1986 haben Colani und der Schweizer Fritz Egli mit der Maschine mit mehr als 272 Kilometern pro Stunde einen Weltrekord aufgestellt. Colanis Stromlinienform sei Dank. SWR Sophia Volkhardt -
Das aufsehenerregende Cabrio Colani GT ist ein Kit Car. Auf die Bodengruppe eines VW Käfers wurde eine Karosserie aus Kunststoff montiert. Schätzungen zufolge wurden knapp 360 solcher Fahrzeuge gebaut. Jeder Wagen ist ein Unikat. SWR Sophia Volkhardt -
Das Sitzobjekt "Zocker" entwickelte Luigi Colani ursprünglich für Kinder. Sie sollten Sitzgelegenheit und zugleich Spielgerät sein. Er verwendete dafür Polyethylen, das bis dahin nur in der Industrie eingesetzt wurde. Kurz darauf stellte Colani auch eine leicht modifizierte Variante des Möbels für Erwachsene vor. SWR Sophia Volkhardt -
Bunte Sitzmöbel in der Ausstellung „Luigi Colani. Popstar des Designs“ in Waiblingen SWR Sophia Volkhardt -
Kunstobjekt oder Urinal? Ausgestellt in der Galerie Stihl in Waiblingen SWR Sophia Volkhardt -
Colanis Welt war bunt. SWR Sophia Volkhardt -
Colani verwendete organische, fließende Formen und lehnte eckige Kanten und rechte Winkel ab. SWR Sophia Volkhardt -
Rund und bunt sind fast alle Stücke Colanis – zu seiner Zeit ein Novum. SWR Sophia Volkhardt -
Immer wieder kritisierte Colani auch die Autodindustrie und präsentierte seine Gegenentwürfe zu deren Modellen. SWR Sophia Volkhardt
Ohne Frage: Der selbsternannte Formphilosoph Colani versteht es mit seinen markigen Sprüchen im Gespräch zu bleiben. Dauerbrenner wie: „Das Bauhaus ist out. Outer geht’s gar nicht mehr.“ Oder: „Jedes Spinnennetz ist eine Offenbarung gegenüber dem, was an Architektur heute gemacht wird“ hallen bis heute nach.
Griffe zum Wegwerfen – Colanis Kritik an einem Automodell
Sein provokantes Auftreten machte auch vor der Industrie nicht Halt. Immer wieder kritisierte er auch die Automobilindustrie, wie Mirjam Kreber erzählt: „Wir haben hier die Darstellung eines Korrekturversuchs eines Mercedes, der in den 1970er-Jahren auf einer Messe ausgestellt wurde. Und Colani zeigt seinen Gegenentwurf.“
![Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani (Foto: SWR, Sophia Volkhardt) Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani](/swrkultur/kunst-und-ausstellung/1713429856883%2Cgalerie-stihl-luigi-colani-112~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Die Griffe seien zum Wegwerfen – so Colanis Urteil zu dem Entwurf des Autobauers – das aerodynamische Heck sei nur vorgetäuscht. Solche Aktionen lockten natürlich nicht alle großen Marken, mit ihm zusammenzuarbeiten. Etwa 70 Prozent seiner Entwürfe blieben Skizzen in der Schublade, erklärte er einmal. Er war seiner Zeit voraus, sagen heute viele über seine Visionen.
Colani bedachte alle Lebensbereiche des Menschen
In der Ausstellung fällt auf, dass manches davon sich heute durchgesetzt hat oder andere seiner Ideen gerade im Kommen sind, wie Mirjam Kreber erklärt. So hatte Colani schon 1971 ein elektrisch angetriebenes Stadtauto entworfen.
In seinen Entwürfen bedachte er alle Lebensbereiche des Menschen – ob es bequeme Bürostühle für Sekretärinnen sind oder große Sofalandschaften, die neue Formen der Gemeinschaft anregen sollen.
![Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani (Foto: SWR, Sophia Volkhardt) Galerie Stihl - Ausstellung Luigi Colani](/swrkultur/kunst-und-ausstellung/1713429855229%2Cgalerie-stihl-luigi-colani-110~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Es ging um mehr als „nur“ Design, erklärt Kuratorin Mirjam Kreber: „Es war durchaus eine Gesellschaftsvision. Es ging ihm nicht darum, für eine bestimmte Schicht zu produzieren, für die finanziell Gutgestellten, sondern jeden zu erreichen und das Leben zu verbessern“
Colani wollte mit seinen umstrittenen Designs nichts weniger als die Welt verändern. Manchmal lag er dabei komplett daneben, zum Beispiel als sein Ruderboot für den Olympia-Achter vor versammelter Presse absoff. Und dennoch: wer heute seine Skizzen anschaut, stellt fest: Sie bleiben ikonisch. Ganz egal, ob die Idee letztendlich ein grandioser Flop war.
Mehr zum Thema Kunst
Tassen, Taschen, Kleider Massenphänomen Mondrian – warum die Farben und Linien des Künstlers heute allgegenwärtig sind
Gelb, rot und blau, eingepfercht von schwarzen Linien zu Quadraten und Rechtecken. Das ist das Rezept für den Welterfolg des niederländischen Künstlers Piet Mondrian. Mode, Design, Architektur, Werbung: Es gibt kaum einen Bereich, in dem die „Mondrialisierung“ nicht stattgefunden hat.
Ausstellung „Beyond Fame“ Kunst oder nur Kommerz? Nicht jeder Star ist auch ein Künstler
Es gibt Künstler, die sind sehr prominent. Gerhard Richter zum Beispiel oder Anselm Kiefer. Und dann gibt es Prominente, die auch Kunst machen. Sind diese dann automatisch auch prominente Künstler?
Zum 90. Geburtstag von Yoko Ono Der Yoko-Ono-Effekt: Warum die Fluxus-Pionierin heute noch Hass erntet – und warum das sexistisch ist
Die japanische Fluxus-Künstlerin Yoko Ono ist auch heute noch die meistgehasste Frau der Popgeschichte. Warum? Weil sich der hartnäckige Mythos hält, dass sie einst die Beatles zerstört hätte. Dieses Phänomen hat einen Namen: Yoko-Ono-Effekt. Warum Yoko Ono zu Unrecht als Sündenbock verschmäht wird – und was das mit Meghan Markle zu tun hat.