Zum ersten Mal ist beim länderübergreifenden Ausstellungsprojekt „Heimspiel“ auch das Kunstmuseum Thurgau beteiligt. Die Ausstellung im schweizerischen Arbon zeigt, dass bei vielen Kunstschaffenden das Haptische und das Handwerkliche wieder eine Rolle spielen.
Es ist der Sound von Stickmaschinen, der schon im Treppenhaus des riesigen Industriebaus an die Zeit erinnert, in der die Textilindustrie in der Ostschweiz noch blühte. Bis Ende der 1980er-Jahre wurden hier Webmaschinen hergestellt. Heute stellen in der ehemaligen Produktionshalle Kunstwerke Fragen an unsere Gegenwart.
Videoinstallation als kriegerisches Symbol
Als erstes springt einem das Video ins Auge, von dem der Stickmaschinen-Sound ausgeht. Darauf bewegen sich viele Webschiffchen aufeinander zu. Ihre Fäden verhaken ineinander, bis ein völliges Chaos entsteht.
Kuratorin Stefanie Hoch erläutert die Arbeit der ukrainischen Künstlerin Elena Corvaglia: „Die Arbeit steht zum einen für die abgewanderte Technik des Stickens, die in Niedriglohnländer abgewandert ist. Zum anderen ist es ein Symbol für ein kriegerisches Aufeinandertreffen zweier Fronten.“
Reflektion unserer Zeit
Als Kontrast zu den dünnen Fäden der Webschiffchen hängt an der Decke ein dickes Seil, an dem Keramikobjekte und Magnete in der Schwebe gehalten werden. Ein Mobile der Künstlerin Martina Böttiger.
Auch hier wird mit einfachen Materialien, wie Ton und Kordel, unsere Zeit reflektiert.
Rückkehr zu Haptik und Handwerk
Fast 500 Kunstschaffende haben sich mit speziellen Arbeiten für das Ausstellungsprojekt „Heimspiel“ beworben. Es wird an fünf Häusern in der Schweiz, in Österreich und im Fürstentum Lichtenstein gezeigt.
Stefanie Hoch vom Kunstmuseum Thurgau, hat für die Schau in der ehemaligen Webmaschinenhalle rund 20 Arbeiten ausgewählt. Werke, bei denen Stoffe oder das Handwerk eine Rolle spielen.
Das passt zum Ausstellungsort, spiegelt aber auch das momentane Interesse der Kunstschaffenden wider: „Eine Weile war Videokunst stark vertreten, das ist zurückgegangen. Aber die Neugier mit Stoff zu arbeiten, die Rückkehr zu etwas Haptischem und Handwerklichem ist sicher da“, sagt Stefanie Hoch.
Zukunft der Stadt
Das Künstlerduo Dorothy Wong Ka Chung und Benjamin Reyser befestigen gerade an der Decke das letzte von 4 Tüchern, die wie vier Wände einen Raum bilden, den man betreten kann.
In der Vorstellung des Duos liegt dieser Ort sowohl in Hongkong als auch in Venedig und stellt die Frage, welche Zukunft die Städte haben, angesichts des Rekordhochwasser 2019 in Venedig und der zeitgleich in Hongkong stattfindenden Pro-Demokratie-Proteste.
Auf die Stoffe sind Fotos von Statuen gedruckt, die auf den Kirchen und Tempeln der beiden Städte stehen.
Sie seien Beschützerinnen und personifizieren den Glauben, dass es für die beiden bedrohten Städte eine Zukunft geben kann, erklärt Benjamin Reyser. Er stammt ursprünglich aus der Ostschweiz und ist für das Ausstellungsprojekt dorthin zurückgekommen.
Wunsch nach geeinter Erde
Es wurden viele Geschichten in die ehemalige Webmaschinenhalle getragen: von dem Wunsch nach einer geeinten Erde ohne Kleinstaaterei, vom Unterwegssein, von Kindheitserinnerungen und von der Bedeutung des analogen Zusammenkommens in digitalen Zeiten.
Dafür steht ein Holzkasten in der Mitte des Raumes. Darin befindet sich eine Bar. Sie ist immer freitags und zu Sonderveranstaltungen geöffnet.
Eine Arbeit des Künstlerduos Signer und Bodenmann: „Es ist ganz wichtig zu zeigen, dass sie Gegenwart aus Momenten der Vernetzung und nicht nur aus düsteren Themen besteht“, sagt Kuratorin Stefanie Hoch.
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