Henriette Confurius und Sabin Tambrea – zwei der aufregendsten deutschen Gegenwartsschauspieler – überzeugen in der Verfilmung des Romans von Michael Kumpfmüller über Kafkas letzte Liebe: Der schon kranke 40-jährige Kafka lernt im Sommer 1923 die 25-jährige Dora an der Ostsee kennen, doch ihre Liebe ist zum Scheitern verurteilt.
Boy meets Girl oder Girl meets Boy?
Es ist eine ganz normale, fast schon banale Geschichte: Boy meets Girl. Genauer gesagt: eigentlich trifft hier die junge Frau den jungen Mann, und läuft ihm am Anfang regelrecht nach – auch das nichts Ungewöhnliches in den schon emanzipierten, bildungsbürgerlichen, urbanen Kreisen der 20er-Jahre des frühen 20 Jahrhunderts. All das wäre wie gesagt nicht weiter der Rede wert, handelte es sich nicht bei dem jungen Mann um den Jahrhundertschriftsteller Franz Kafka, berühmt für seine einzigartigen surrealen, manche sagen „kafkaesken" Erzählungen und einen vollkommen neuen Blick auf die Welt.
Dora Diamant, die große Unbekannte unter Kafkas Frauen
Dora Diamant ist die dritte große Liebe Franz Kafkas, der durchaus nicht wenige Frauen in seinem kurzen Leben gekannt hat. Sie ist die große Unbekannte unter Kafkas Frauen. Tatsächlich sind auch ihre Manuskripte über Kafka, aber vor allem, von ihm selbst, ein ungehobener Schatz, von dem alle Kafka-Forscher wissen, ohne dass sie ihn bisher erschließen konnten. Es fängt am Strand im Ostseebad Müritz an. Dort lernt der 40-jährige Franz Kafka im Sommer 1923 die 25-jährige, aus Polen stammende Kindererzieherin Dora Diamant kennen.
Kafkas letztes Lebensjahr
Dies ist kein Film, der unserem Kafka-Bild irgendetwas Neues hinzufügen möchte. Eher ist dies ein Werk fürs breite Publikum, das unterhalten will und dies auch gebildet und geschmackvoll tut. Und dann an ein paar Dinge anknüpft, die wir von Kafka wissen oder zu wissen glauben. Bald ziehen Dora und Franz in Berlin in eine gemeinsame Wohnung. Kafkas Familie, mit der er zeitlebens haderte, stimmt der Beziehung zuerst nicht zu.
Sabin Tambrea gibt Kafka eine angenehme Normalität
Kafka wird in diesem Film von Sabin Tambrea verkörpert, der Kafka zurückhaltend spielt und dem oft als menschenscheu, seltsam und irgendwie „schräg“ verschrieenen Autor eine angenehme Normalität gibt. Da wo Joel Basman in der in wenigen Tagen startenden ARD-Serie den Kafka extrovertiert, exaltiert und außergewöhnlich erscheinen lässt – als „Genie“ – da ist Tambrea das angenehme Gegenteil: Sanft und zögernd, manchmal fast schüchtern, dann wieder verschmitzt witzig und jedenfalls warmherzig. Zugleich ist der Mann, wir wissen es, und man sieht es, ein Todgeweihter.
Henriette Confurius und Sabin Tambrea überzeugen
Das eigentliche emotionale Zentrum ist darum aber Henriette Confurius als Dora Diamant. Sie verkörpert das Leben und ermöglicht mit ihrer selbstlosen Zuneigung dem großen Autor einen sanften Tod. So bringt diese Verfilmung zwei der aufregendsten deutschen Gegenwartsschauspieler in einer überzeugenden Konstellation auf die Leinwand.
Trailer „Die Herrlichkeit des Lebens“, ab 14.3. im Kino
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