Mechanismen der NS-Propaganda

Doku-Drama „Führer und Verführer“: Goebbels beim Lügen über die Schulter schauen

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Silke Arning
Moderatorin Silke Arning

Warum haben sich Millionen Deutsche scheinbar so leichtfertig für die perfide Kriegs- und Vernichtungsmaschinerie der Nazis einspannen lassen? Diese Frage versucht Regisseur Joachim A. Lang in seinem Film „Führer und Verführer“ zu beantworten. In einer Mischung aus Dokumentation und Fiktion analysiert der Filmemacher die ausgefeilten Propaganda-Strategien von Joseph Goebbels.

Filmstill
Filmszene: Joseph Goebbels (Robert Stadlober, 3.v.l.) und Adolf Hitler (Fritz Karl, 3. v.r.) bei einem Bankett unter NS-Granden.

Doku-Material zum Dritten Reich stammt aus Goebbels' Propaganda-Maschine

Es ist der 12. März 1938: Die deutsche Wehrmacht überquert die Grenze nach Österreich. Nur wenige Tage später zeigt die „Wochenschau“, wie Hitler in Wien vor 100.000 jubelnden Menschen den sogenannten „Anschluss“ verkündet.

Alle offiziellen Bilder vom Dritten Reich, die wir zur Verfügung haben in den „Wochenschauen“, wurden von Goebbels mit dem Ziel erschaffen, die Wahrheit zu verschleiern. Wenn wir also diese Bilder in Dokus usw. zeigen, laufen wir Gefahr, Sklave des Materials zu sein.

Regisseur Joachim A. Lang versucht mit seinem Film die inszenierten Aufnahmen der Nazis zu dekonstruieren. Und er tut das, indem er die Bilder schafft, die nach dem Willen von Propaganda-Minister Goebbels auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gelangen durften. Sein Film „Führer und Verführer“ ist daher eine Mischung aus Dokumentation und einer Fiktion, die auf historischen Quellen, Originalzitaten und wissenschaftlichen Forschungsergebnissen beruht.

Demagogen brauchen Bereitschaft zu Extremismus

Der Film konzentriert sich auf die Zeit von 1938 bis Mai 1945. Mit der Fokussierung auf die NS-Täter, auf Hitler und Goebbels, werden die Deutschen, die einem wahren Kriegs- und Vernichtungsrausch verfielen, allerdings keinesfalls entlastet, betont der wissenschaftliche Berater der Produktion, der Historiker Thomas Weber.

Jemand wie Goebbels oder Hitler kann nur eine Chance haben – und auch heute die Volksverführer, die Demagogen, können nur eine Chance haben, wenn es eine extremistische Grundeinstellung der Bevölkerung gibt.

Filmstill
Der Propagandaminister sonnt sich im Glanz der deutschen Filmproduktion: Joseph Goebbels (Robert Stadlober) lässt sich mit Ehefrau Magda (Franziska Weisz, links) und seiner Geliebten, der Schauspielerin Lída Baarová (Katia Fellin, rechts), bei einer Filmpremiere bejubeln.

Parallelen zu heutiger Desinformation und Manipulation

Die Konstruktion einer falschen Wirklichkeit, gezielte Desinformation, um Ängste und Vorurteile zu schüren – das sind Mechanismen, mit denen Populistinnen und Populisten heute vor allem im Netz Menschen und deren Meinungen zu manipulieren versuchen. Mit seinem Film wolle er daher auch ganz bewusst eine Brücke in die Gegenwart schlagen, betont Regisseur Joachim Lang.

Ich will Goebbels beim Lügen über die Schulter schauen. Immer mit dem Ziel, dass man dann auch wachsamer gegen heutige Demagogen wird, dass man heutigen Verführern die Maske vom Gesicht reißen kann.

Trailer „Führer und Verführer“, ab 11.7. im Kino

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