„Geistervilla“, „Indiana Jones“, „Elemental“, „Arielle, die Meerjungfrau”: Früher galten Blockbuster aus dem Hause Disney als relativ sichere Hit-Garanten. Doch die vier großen Kinospektakel der vergangenen zwei Monaten blieben an den Kinokassen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Hat sich der Konzern mit seiner offensiven Streaming-Politik das Kinogeschäft verbaut?
Schlechte Kinozeiten für Disney
Eigentlich sollte es dieses Jahr Grund zur Freude geben im Hause Disney. Der Konzern feiert sein hundertjähriges Bestehen mit einem spektakulären Feuerwerk an Filmen, Serien und Live-Events. Doch mit der Fest-Stimmung dürfte es derzeit in der Firmenzentrale im kalifornischen Burbank nicht sonderlich weit her sein.
An der Kinokasse läuft es derzeit alles andere als rosig für das „Haus mit der Maus“. Folgende Zahlen veröffentlicht der Branchendienst Box Office Mojo:
- Mit seiner Grusel-Komödie „Geistervilla“ versuchte Disney in bester „Fluch der Karibik“-Manier, ein Disneyland-Fahrgeschäft auf Zelluloid zu bannen. Mit einem internationalen Einspielergebnis von 61 Millionen Euro in den ersten zwei Wochen kann der Film gegen die Omnipräsenz von „Barbie“ und „Oppenheimer“ nur wenig entgegensetzen. Die Produktionskosten werden auf 150 Millionen Dollar beziffert.
- Der fünfte und voraussichtlich letzte Teil der „Indiana Jones“-Reihe (Kinostart 28. Juni) spielte bislang 369 Millionen Dollar ein. Aufgrund der hohen Produktions- und Marketingkosten, die auf bis zu 400 Millionen Euro geschätzt werden, muss der Film ein Flop gewertet werden.
- Pixars Animationsabenteuer „Elemental“ legte mit 29 Millionen Dollar einen der schlechtesten Filmstarts in der Geschichte der Animationsschmiede hin. Bislang spielte der Film, gemessen an früheren Erfolgen, nur 425 Millionen Dollar ein. Es ist für Pixar die dritte Kino-Enttäuschung in Folge nach „Lightyear“ und „Rot“ im Jahr 2022.
- „Arielle, die Meerjungfrau“ ist zwar mit einem internationalen Einspielergebnis von 566 Millionen Dollar einer der bislang erfolgreichsten Filme des Jahres 2023, bleibt aber deutlich hinter anderen großen Remakes von Disney-Zeichentrickklassikern zurück. „Die Schöne und das Biest“ (2017) erwirtschaftete im Kino 1.266 Millionen Dollar, „Aladdin“ (2019) 1.054 Millionen Dollar, „Der König der Löwen“ (auch 2019) sogar 1.663 Millionen .
Nachwirkungen der Corona-Zeit?
Vergleiche mit den Einspielergebnissen vor der Pandemie hinken natürlich bis zu einem gewissen Grad. Auch wenn sich die Zahl der Kino-Besucher*innen immer weiter der Vor-Corona-Zeit annähert und der „Barbie“-Hype aktuell die Menschen ins Kino zieht, bleiben gerade Filme aus dem Hause Disney hinter den Erwartungen zurück.
Dabei haben Disney-Produktionen auch in der Zeit nach Corona keineswegs ihre Publikumswirksamkeit verloren. Den Beweis liefert Disneys 2021 veröffentlichter Zeichentrickfilm „Encanto“. An den Kinokassen verfehlte der Film über eine kolumbianische Familie mit magischen Kräften die finanziellen Ziele deutlich. Der Erfolg stellte sich erst einen Monat nach dem Kinorelease ein – mit der Veröffentlichung auf Disneys Streaming-Plattform Disney+.
Zerstört das eigene Streaming-Angebot Disneys Kinogeschäft?
Disney launchte seinen hauseigenen Streaming-Service in den USA im November 2019, in Westeuropa Ende März 2020, nur wenige Tage nach dem ersten Corona-Lockdown. Um den Rückstau an Kinoproduktionen zu minimieren und Anreize für Neukund*innen zu schaffen, veröffentlichte der Konzern eine Vielzahl an hochkarätigen Produktionen exklusiv auf der hauseigenen Plattform: Marvels „Black Widow“, Pixars Filme „Luca“ und „Soul“ sowie die Real-Verfilmung von „Mulan“ landeten ohne Kino-Auswertung direkt auf der Plattform.
Auch nach der Wiederöffnung der Kinos hielt Disney die Zeitfenster für Kino-Releases sehr eng. Viele Disney-Filme, darunter auch „Encanto“, waren bereits wenige Wochen nach der Kinopremiere im normalen Release auf Disney+ verfügbar. Disneys Zuschauerinnen und Zuschauer haben sich nun an diese sehr enge Taktung bis zum Home-Release gewöhnt und spekulieren auch bei hochkarätigen Filmproduktionen auf einen zeitigen Streaming-Start.
Dieser Umstand dürfte gerade auch Disneys letztem Zeichentrickabenteuer „Strange World“ das Einspielergebnis verhagelt haben. Der Film spielte bei Kinostart im November 2022 trotz wohlwollender Kritiken weltweit nur 73,6 Millionen Dollar ein und machte gegenüber den Produktions- und Marketingkosten einen Verlust von mindestens zu 100 Millionen Euro. Ein „katastrophales Ergebnis“, wie das Branchenmagazin „Variety“ titelte.
Zur Streaming-Veröffentlichung führte der Film in allen Ländern, in denen er abrufbar war, über mehrere Wochen die Streamingcharts bei Disney+ an.
Eine Umstrukturierung für Disneys Streaming-Strategie ist unvermeidbar
Das Streaming-Geschäftsmodell rund um Disney+ ist alles andere profitabel: Hohe Kosten für Exklusiv-Serien rund um die Flaggschiff-Franchises „Star Wars“ und „Marvel“ und verfehlte Zielmarken bei den Abonnement-Zahlen machen den Service zuletzt so unprofitabel, dass in den letzten Wochen vehement über einen Verkauf des Medienkonzerns an Apple spekuliert wurde.
Nun will es Disney seinem Konkurrenten Netflix nachmachen und gegen das Teilen von Account-Passwörtern vorgehen. Die werbefreie Variante des Streaming-Angebots soll in den USA künftig 13,99 Dollar kosten, doppelt so viel wie bei der Einführung des Services im November 2019. In Deutschland liegt das Abonnement noch bei 8,99 Euro.
Für Entspannung dürften auch die Streiks der Autor*innen- und der Schauspiel-Gewerkschaften nicht sorgen, stellt doch die gerechte Entlohnung durch Streaming-Anbieter eine der Kernforderungen der Streikenden dar.
Disney-CEO Bob Iger, der Anfang Juli seinen Vertrag bis Ende 2026 verlängerte, hat bereits angekündigt, die bisherige Streaming-Strategie auf den Prüfstand stellen zu wollen. Die Kosten rund um das Streaming-Geschäft sollen um wenigstens 5,5 Milliarden Dollar gedrückt werden.
Bitter nötig, dass Iger im Zuge der Umstrukturierung auch die derzeitige Kino-Strategie auf den Prüfstand stellt.
Disney-Produktionen im Fokus
Disney-Remake unten im Meer „Arielle, die Meerjungfrau“: Story altbekannt, Halle Bailey fulminant
Ein regelrechter Aufschrei ging durchs Internet, als Disney im Juli 2019 die Besetzung der Hauptrolle für das Realfilm-Remake von „Arielle, die Meerjungfrau“ bekanntgab. Der Stein des Anstoßes: Halle Bailey ist Schwarz. Disney opfere eine seiner beliebtesten Figuren dem „woken Zeitgeist“, lautete der Vorwurf. Entgegen aller Aufregung bleibt der Film in seinen Aktualisierungsversuchen dann doch ziemlich brav.
USA Der Disney-Konzern – Vom weißen Entenhausen zur Schwarzen Arielle
Es begann mit Micky Maus. Heute ist Disney ein politischer Faktor in den USA. Einst Inbegriff des weißen Familienideals, ist der Konzern längst divers geworden, manche sagen: woke. Wirklich?
Realfilm nach Disney-Klassiker „Peter Pan und Wendy“ auf Disney+: Weg mit dem Rassismus der 1950er-Jahre!
Mit „Peter Pan“ erhält einer der beliebtesten Zeichentrickfilme aus dem Hause Disney nun eine Frischzellenkur: Auf der hauseigenen Streaming-Plattform ist jetzt der neue Disney-Realfilm erschienen. Keine einfache Aufgabe, denn das Original aus dem Jahr 1953 steht seit Jahren wegen Rassismus und überholten Rollenbildern in der Kritik. Entsprechend kritisch hat sich Regisseur David Lowery mit der Vorlage auseinandergesetzt.
Score Snacks – Die Musik deiner Lieblingsfilme Mandalorian – Kopfgeldjäger mit Blockflöte
Wie geht man damit um, wenn man den Soundtrack für etwas neues in einer so epischen Reihe wie Star Wars schreiben soll? Das Erbe von John Williams anzutreten ist keine Kleinigkeit. „Einfach ganz frei machen“, sollte sich Komponist Ludwig Göransson dafür.
Wie er es schafft, diesen harten Typen, diesen Kopfgeldjäger in der dunklen Rüstung, den Mandalorianer, lediglich mit einer Blockflöte zum Helden zu machen? Und wie Göransson dabei trotzdem noch eine Hommage an seinen großen Vorgänger einbaut?
Das alles erfahrt ihr in dieser Folge von Score Snacks: The Mandalorian – Kopfgeldjäger mit Blockflöte
Autoren: Malte Hemmerich und Jakob Baumer
Host: Malte Hemmerich
Sprecherin: Henriette Schreurs
Produzent: Jakob Baumer
Line-Producer: Chris Eckardt
Kontakt zur Redaktion: podcasts@swr2.de
Weitere Eckdaten zur Folge:
Serie: The Mandalorian (2019)
Tracks: The Mandalorian, Imperial March
Komponisten: Ludwig Göransson, John Williams
9.7.1951 Walt Disney über sein Leben und "Alice im Wunderland"
9.7.1951 | 1951 gab es noch kein Disneyland und die Walt Disney Company, 1923 gegründet, war noch nicht der Milliardenkonzern von heute. Beim Namen Walt Disney (1901 - 1966) dachte die Welt vielmehr an Micky Maus, Donald Duck und vor allem an einen charmanten, erfolgsverwöhnten Mann in seinen besten Jahren mit gepflegtem Schnurrbart, der den Familien rund um den Globus mit seinen Zeichentrickfilmen ein bisschen heile Welt bescherte und ein Märchen nach dem anderen ins Kino brachte: Schneewittchen, Aschenputtel, Pinocchio und 1951 Alice im Wunderland nach dem gleichnamigen Kinderbuch. Die Geschichte von Alice hatte für Disney eine besondere Bedeutung, weil mit einer Reihe von Alice-Kurzfilmen ("Alice in Cartoonland") seine Karriere in den 1920ern begonnen hatte. Kurz bevor der Film herauskommt, reist Walt Disney nach Europa. In Kopenhagen trifft er NDR-Reporter Ernst August Stolte, der ihn nicht als Filmemacher oder Unternehmer anredete, sondern als "Karikaturisten".