Einer der beliebtesten Disneyfilme erhält eine Frischzellenkur. Auf der hauseigenen Streaming-Plattform ist nun „Peter Pan“ als Realverfilmung erschienen. Für Regisseur David Lowery war die Adaption keine einfache Aufgabe, denn das Original von 1953 steht seit Jahren wegen rassistischer Stereotype und überholter Rollenbilder in der Kritik. Das Ergebnis ist eine liebenswerte Aktualisierung, die dem Vorbild in Sachen Magie in nichts nachsteht.
„Peter Pan“: Disneys problematischer Klassiker
Dass Disney seine Zeichentrick-Klassiker mit großen Stars und noch größerem Budget als Realfilme neu herausbringt, ist seit Jahren eine lohnende Nostalgie-Maschinerie für den Mediengiganten. Neuester Zugang ist „Der Junge, der niemals erwachsen wird“. Seit dem 28. April ist „Peter Pan und Wendy“ zwar nicht im Kino, dafür aber exklusiv auf Disneys Streaming-Plattform Disney+ verfügbar.
Kein einfaches Unterfangen, denn der Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1953 – die weithin bekannteste Filmadaption des Kinderbuchs von James Matthew Barrie – gilt heute als problematisch: rassistische Entgleisungen und ein Frauenbild, das nicht in unsere Zeit passen will. Wer den Film heute auf Disney+ sehen möchte, bekommt ihn nur noch mit Warnhinweis.
Unzählige Male neu erzählt: „Peter Pan“ von 1905 bis heute
Für Regisseur David Lowery, der bereits 2016 „Elliott und das Schmunzelmonster“ für Disney neu verfilmte, war es keine einfache Aufgabe, die Klischees der Vorlage zu umgehen. „Der originale ‚Peter Pan‘-Film ist ganz offensichtlich fürchterlich rassistisch, das müssen wir aus dem Fenster werfen“, sagte Lowery 2018 in einem Interview mit Entertainment Weekly. Und das ist ihm mit „Peter Pan und Wendy“ geglückt.
Mehr Sichtbarkeit durch Inklusion und Diversität
Disney hat es sich in vergangenen Jahren zum Ziel gemacht, seine Filme inklusiver und diverser anzulegen. Dafür erntet der Konzern einerseits großen Applaus, wird aber auch Zielscheibe von Angriffen, wie etwa bei der Besetzung der Meerjungfrau Arielle mit der Schwarzen Sängerin Halle Bailey. „Woke Disney“ ist zum neuen Kampfbegriff der amerikanischen Rechten geworden.
Das Streben nach Diversität ist auch in „Peter Pan und Wendy“ deutlich zu spüren. 1953 war Peter ein Weißer Junge mit roten Haaren und schelmischem Grinsen. Das Grinsen hat auch Alexander Molony, der 16-jährige Brite, der die Figur in der Neuverfilmung spielt, perfektioniert. Mit ihm geht die berühmte Rolle erstmals an einen nicht-Weißen Schauspieler.
Peter Pans ständige Begleiterin, der Fee Tinker Bell, spielt die Schwarze Schauspielerin Yara Sayeh Shahidi. Es ist ebenfalls eine Besetzung mit klarem Symbolcharakter: Neben Mickey Maus ist die kleine Fee seit langem eines der beliebtesten Maskottchen der Disney-Studios.
Die Verlorenen Jungen, die Kindertruppe, deren Anführer Peter Pan ist, sind in Lowerys Film nicht zwangsläufig Jungs und bewusst divers. Die Änderung wird im Film thematisiert ohne dabei forciert zu wirken. Für Aufsehen sorgte im Vorfeld der Veröffentlichung die Besetzung des 15-Jährigen Noah Matthews Matofsky als Slightly, einer der verlorenen Jungen in Nimmerland. Er ist der erste Schauspieler mit Down-Syndrom, der in einem Disneyfilm eine größere Rolle übernimmt.
Peter Pan und das „Indianer“-Problem
In Nimmerland, dem Ort wo Kinder niemals erwachsen werden, gibt es neben Meerjungfrauen und Feen auch „Indianer“. Sie sind Peter Pans Verbündete im Kampf gegen den Piratenkapitän Hook (gespielt von Jude Law). Die Darstellung im Film von 1953 ist wie in der Buchvorlage von Bildern aus der Kolonialzeit geprägt: Die amerikanischen Ureinwohner werden als „gute Wilde“ mit Federschmuck dargestellt. Im Lied „Warum ist die Rothaut rot“ erklären sie den Kindern sogar, dass sie durch Schamesröte zu ihrer Hautfarbe gekommen seien.
Statt die Figuren im neuen Film zu übergehen, macht Lowery aus Tiger Lily, der Tochter des Häuptlings, einen zentralen Charakter. Sie ist eine der wichtigsten Verbündeten Peter Pans und seine Ratgeberin. Besetzt wurde die Rolle mit der kanadischen Schauspielerin Alyssa Wapanatahk. Sie stammt aus dem Volk der Cree, spricht im Film ihre Sprache und trägt eine Tracht, die ihre Herkunft authentisch repräsentieren soll.
Ein modernes Frauenbild für Wendy
Bereits der Titel ließ erahnen, dass Wendys Geschichte im neuen Disneyfilm eine zentralere Rolle spielen würde. Und tatsächlich: Während das Mädchen im Film von 1953 mit allen anderen weiblichen Figuren um Peters Aufmerksamkeit buhlen muss und als „Mutter“ der Verlorenen Jungen das Versteck sauber halten und putzen soll, gibt die Neuverfilmung Wendy deutlich mehr Raum, um sich zu entfalten.
Die neue Wendy (Ever Anderson) spielt mit ihren Brüdern im Dreck, bietet Peter Pan ständig Paroli und antwortet auf die Frage, ob sie die neue Mutter der Verlorenen Jungs sein will, völlig entgeistert: „Große Güte, nein“. Ihr Hadern mit dem Erwachsenwerden ist das zentrale Thema in Lowerys Adaption.
Statt sich mit Tinker Bell und Tiger Lily um Peters Gunst zu streiten, verschwestern sich die Frauen im modernen Nimmerland. Wendy hat ein offenes Ohr für die kleine Fee und hört auf den Rat der Indianerprinzessin, die für sie wie eine große Schwester ist.
Zugegeben: Der moralische Zeigefinger schwingt im neuen Nimmerland-Abenteuer irgendwo immer mit. Doch dadurch wird es kein bisschen weniger magisch und abenteuerlich. Regisseur David Lowery schafft es, der eigentlich zu oft erzählten Geschichte von Peter Pan neue Ideen und Blickwinkel abzuringen und die Handlung somit ins 21. Jahrhundert zu übersetzen. Der Spagat zwischen nostalgischer Schwelgerei und bitter nötiger Aktualisierung ist in diesem Fall eindrucksvoll geglückt.
Trailer zu „Peter Pan und Wendy“. Ab 28. April auf Disney +
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