Die Freien Wähler ziehen als sechste Fraktion in den neuen Mainzer Landtag ein. Als "Kraft der Mitte" sehen sie sich bundesweit auf dem Vormarsch - und kündigen schon einen Gesetzentwurf an.
Die Freien Wähler wollen sich im Landtag vor allem für die Kommunen, aber auch für von der Corona-Pandemie betroffene Selbstständige stark machen. Mit den Freien Wählern ziehe erstmals eine Partei in den rheinland-pfälzischen Landtag ein, "die sich als kommunaler Arm versteht", sagte der Spitzenkandidat Joachim Streit am Montag in Mainz. Er kündigte an, ein Gesetz zum Kommunalen Finanzausgleich in den Landtag einzubringen, das die Zuwendungen für die Kommunen um 400 Millionen Euro pro Jahr erhöhe. Dieses und alle anderen Gesetzesvorlagen seiner Fraktion würden mit Finanzierungsvorschlägen hinterlegt.
"Kein Wurm-Fortsatz der CDU"
"Wir wollen eine neue bürgerliche Mitte in Rheinland-Pfalz bilden", sagte Streit. Es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD. Die Politik der Freien Wähler sei "ideologiefrei". "Mit dem 365-Euro-Ticket für alle haben wir die Grünen links überholt." Wichtig sei zudem das Thema Bildung. "Egal, was die Zukunft bringt, bei Schulen und Kitas wird nicht gespart", sagte der Vater dreier Kinder.
Das Amt als Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm werde er mit dem 18. Mai - dem Tag der Konstituierung des Landtags - niederlegen, kündigte Streit an. Über die Wahl müsse noch mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) gesprochen werden. Streit schlug vor, seinen Nachfolger zeitgleich mit dem Bundestag am 26. September zu wählen. Der Erste Beigeordnete Michael Billen - ehemaliger CDU-Landtagsabgeordneter - könne so lange Interims-Landrat sein.
Der Landesvorsitzende Stephan Wefelscheid betonte: "Wir sind kein Wurm-Fortsatz der CDU". Der Wähler-Zuwachs speise sich aus allen Parteien. "Wir sind keine Anfänger." Und: "Wir sehen uns als Problemlöser." Außer der Pandemie hätten die Landtagswahl 2021 keine bundespolitischen Themen überlagert und die Freien Wähler daher ihre Stimmenanteile etwa verdoppeln können. Dagegen hätten die Explosion des japanischen Atomkraftwerks Fukushima bei der Wahl 2011 und das Thema Flüchtlinge im Jahr 2016 keinen Raum für die Themen der Freien Wähler gelassen.
Freie Wähler auf Augenhöhe mit Liberalen
Die Freien Wähler sind nach eigenen Angaben in mehr als 2.000 Gemeinden in Rheinland-Pfalz mit über 7.000 Mitgliedern vertreten. Bei der Landtagswahl am Sonntag schafften sie erstmals den Einzug ins Parlament und werden mit 5,4 Prozent der Stimmen 6 Sitze haben, so viele wie die FDP.
Nach dem Wahlerfolg in Rheinland-Pfalz sieht Freie-Wähler-Bundeschef Hubert Aiwanger seine Partei auch vor dem Einzug in den Landtag von Sachsen-Anhalt - und sogar auf dem Weg in den Bundestag. "Die Freien Wähler sind auf jeden Fall der schlafende Riese in der politischen Landschaft." Aiwanger sieht die Freien Wähler nun auf Augenhöhe mit der FDP. Die eigene Basis sei stärker als die der FDP. SPD-Landeschef Roger Lewentz sagte: "Es sind neue Kollegen, die meisten kennt man, und da wird man dann gut miteinander arbeiten."
Politikwissenschaftler: Von Schwäche der CDU profitiert
Politikwissenschaftler Uwe Jun spricht von "einer großen Überraschung. Das hätte man vor acht Wochen noch nicht geglaubt". Der Einzug der Freien Wähler zeige: "Sie profitieren von der Schwäche der CDU. Denn die Freien Wähler sind immer dann gut, wenn die Wähler unzufrieden sind mit der CDU", sagte der Wissenschaftler von der Universität Trier.
"Die Freien Wähler haben zwei Dinge gut gemacht: Sie haben die kommunalen Aspekte gut in den Vordergrund gestellt. Aber sie haben eben auch offensiv das Corona-Management der Bundesregierung kritisiert." Damit hätten sie Wähler der CDU zu sich ziehen können. "Das ist auch für die Freien Wähler ganz gut. Denn sie müssen gucken, dass sie sich von der CDU nicht vereinnahmen lassen." Die programmatischen Schnittmengen seien recht groß, sagte Jun.
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