Für Olaf Scholz werden die Schuhe eines Bundeskanzlers immer zu groß sein, meint Martin Rupps nach dem jüngsten Verhandlungsmarathon.
Auf dem Karussell der Ampelkoalition wirken starke Fliehkräfte, die mich an das erste rot-grüne Kabinett von Gerhard Schröder (SPD) erinnern. Damals, ab 1998, wie heute gehörten bzw. gehören der Bundesregierung frische, unverschlissene und intellektuell starke Köpfe an. Damals Herta Däubler-Gmelin, Oskar Lafontaine, Otto Schily (jeweils SPD) und Joschka Fischer (Grüne); in der Gegenwart Annalena Baerbock, Robert Habeck (jeweils Grüne), Christian Lindner und Volker Wissing (jeweils FDP).
Kabinett der Alphatiere
Derlei Geister verhalten sich wie Alpha-Tiere. Sie fliegen auf dem Karussell gern am Limit. Gerhard Schröders erstes Regierungsjahr verlief so chaotisch wie keines sonst. Doch weil der Bundeskanzler das stärkste aller Alpha-Tiere war, hielt er als "Basta-Kanzler" den Laden zusammen.
Über Schröders Härte verfügt sein sozialdemokratischer Amtsnachfolger Olaf Scholz nicht, wie der Koalitionsausschuss-Marathon der vergangenen Tage aufs Neue gezeigt hat. Vielleicht wäre es auch das falsche Mittel. Ich denke an mehr starke Reden. Überhaupt an den Willen zu mehr Kommunikation.
Natürlich, Olaf Scholz steht vor Aufgaben mit größerer Tragweite als Gerhard Schröder vor 25 Jahren. Aber jede Zeit gibt ernste Herausforderungen - damals erstmals Kampfeinsätze der Bundeswehr, heute der Klimawandel - auf. Ob sie eine Frau bzw. ein Mann auf dem Kanzlerstuhl meistert, hat nach meinem Dafürhalten viel mit der politischen Persönlichkeit und der Regierungstechnik zu tun. Mit dem Charisma eines Buchhalters, der keine Lust auf Erklärungen hat, werden Olaf Scholz die Schuhe eines Bundeskanzlers immer zu groß sein.
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