Geburten ohne Grenzen

Warum viele Eifeler Babys in Belgien zur Welt kommen

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Autor/in
Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Im belgischen St. Vith bringen jährlich Eifeler Frauen ihre Kinder zur Welt, weil es rund um Prüm keine Geburtsklinik mehr gibt. Ohne geeintes Europa wäre das undenkbar.

Als der kleine Matthes zum ersten Mal die Augen aufschlägt, liegt er in einem Krankenhausbett im belgischen St. Vith. Dass er hier im Nachbarland zur Welt kommt, hat seine Mutter Mareike Frey bewusst entschieden. Denn hier hat sie schon seinen großen Bruder Lukas geboren, erzählt sie: "Die Geburtsstation wird sehr liebevoll geführt. Es ist einfach ein tolles Gefühl, das sie einem vermitteln."

Mareike Frey hat zwei ihrer drei Kinder in der Klinik in St. Vith zur Welt gebracht. Die junge Mutter ist begeistert von dem Krankenhaus in Ostbelgien.
Mareike Frey hat zwei ihrer drei Kinder in der Klinik in St. Vith zur Welt gebracht. Die junge Mutter ist begeistert von dem Krankenhaus in Ostbelgien.

Ihr erstes Kind hat Frey in einem Krankenhaus in der Region Trier bekommen. "Aber die hatten wenig Personal und da hab ich mich nach der Geburt irgendwie allein gelassen gefühlt", erzählt die Grundschullehrerin. In St. Vith sei das ganz anders gewesen.

45 Eifeler Babys wurden 2023 in St. Vith geboren

Auf der Station gibt es nämlich nicht nur fünf Gynäkologen, sondern auch 20 Hebammen. "Und die machen das hier mit so viel Herzblut und sehen die zwei Menschen, um die es geht", erinnert sich Mareike Frey: "Man denkt nachher wirklich, dass jede Hebamme persönlich bei der Geburt dabei war."

In der Klinik in St. Vith kommen jedes Jahr 400 Kinder zur Welt. Jedes Zehnte hat eine deutsche Mutter.
In der Klinik in St. Vith kommen jedes Jahr 400 Kinder zur Welt. Jedes Zehnte hat eine deutsche Mutter.

Zwei Jahre ist das nun her. Und seitdem sind noch viele Eifeler Babys in St. Vith geboren worden. Allein 2023 haben nach Angaben der Klinik 45 Frauen aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm und dem Vulkaneifelkreis ihre Kinder dort entbunden. Tendenz: steigend.

Keine Geburtshilfe mehr in Prüm und Daun

Das hat auch mit einer Versorgungslücke auf der anderen Seite der Grenze zu tun. 2016 hat im Prümer Krankenhaus die Geburtsstation zugemacht, drei Jahre später der Kreißsaal in Daun. Alle anderen Kliniken in der Region Trier liegen für Mütter aus der nördlichen Eifel mindestens eine Dreiviertelstunde entfernt.

Eine Zumutung für schwangere Frauen in den Wehen, sagen Frauen wie Christina Müller aus der Nähe von Daun. Sie ist bekannt geworden, weil sie ihr Kind auf dem Weg ins Bitburger Krankenhaus auf einer Tankstelle geboren hat. Sie konnte die nächste Klinik vor der Geburt nicht mehr erreichen.

Am Krankenhaus in Prüm gibt es seit zehn Jahren keine Geburtshilfestation mehr. In der Nachbarstadt Daun hat die Geburtshilfe ebenfalls zugemacht.
Am Krankenhaus in Prüm gibt es seit zehn Jahren keine Geburtshilfestation mehr. In der Nachbarstadt Daun hat die Geburtshilfe ebenfalls zugemacht.

Abkommen regelt Zusammenarbeit der Länder

Umso glücklicher ist die Grundschullehrerin Mareike Frey darüber, dass sie ihre Kinder nur 25 Minuten von Prüm entfernt bekommen durfte - und das sogar ohne Sprachbarriere. Denn in St. Vith und dem Umland sprechen die Belgier Deutsch: "Man sieht hier keine Grenze mehr, man kann sich ins Auto setzen und rüber düsen." So sollte es überall in Europa sein, findet Frey.

Selbstverständlich ist das nicht. Dass Mütter aus Bleialf, Arzfeld oder Jünkerath in St. Vith ihre Kinder bekommen können, musste in einem Abkommen mit dem Land Rheinland-Pfalz und den Krankenkassen festgeschrieben werden. Dafür hatten Kommunalpolitiker in beiden Ländern seit der Schließung der Prümer Geburtshilfe gekämpft.

Deutsche dürfen nur im Notfall in Belgien behandelt werden

"Das war ganz wichtig für die Lebensqualität in unserer Grenzregion", sagt Herbert Grommes, der Bürgermeister von St. Vith. Er macht da genauso wie sein Kollege Aloysius Söhngen aus Prüm keinen großen Unterschied zwischen Ostbelgien und den Nachbarn in der Eifel: "Man kennt sich, man fährt täglich über die Grenze zum Einkaufen, zum Arbeiten, zum Essen gehen."

Wollen die Zusammenarbeit der Kliniken in ihren Gemeinden weiter vorantreiben: Herbert Grommes, Bürgermeister von St. Vith (links), und Aloysius Söhngen, Bürgermeister von Prüm.
Wollen die Zusammenarbeit der Kliniken in ihren Gemeinden weiter vorantreiben: Herbert Grommes, Bürgermeister von St. Vith (links), und Aloysius Söhngen, Bürgermeister von Prüm.

Da sei es nur natürlich, dass man auch bei der Gesundheitsversorgung zusammenarbeite. Das Problem: Abgesehen von Geburten dürfen deutsche Patienten nur im Notfall in Belgien behandelt werden. Mehr lässt die Gesetzeslage nicht zu.

Klinikdirektor will keine Patienten mehr abweisen müssen

Gaetan Dumoulin, Direktor der Klinik in St. Vith, ärgert das. Und für manche Patienten habe das auch "dramatische Folgen", sagt er. Erst neulich hätten sie in der Notaufnahme einen Mann aus der Eifel behandelt und bei ihm Krebs diagnostiziert, erzählt Dumoulin. Doch sie mussten den Patienten abweisen: "In Trier, was viel weiter von seinem Wohnort entfernt liegt, hat er dann erst viel später einen Termin bekommen. Das hat mir für ihn leidgetan."

Gaetan Dumoulin, der Klinikdirektor in St. Vith, wünscht sich eine Patientenversorgung über Grenzen hinweg.
Gaetan Dumoulin, der Klinikdirektor in St. Vith, wünscht sich eine Patientenversorgung über Grenzen hinweg.

Der Klinikchef fordert daher, dass Europa bei der Gesundheitsversorgung enger zusammenwachsen müsse. Zumindest in den Grenzregionen sollte es seiner Meinung nach möglich sein, sich auch im Nachbarland behandeln zu lassen. "Es ist eine Vision und das wird Zeit brauchen", weiß Dumoulin. Denn vorher gilt es zu klären, welche Krankenkasse die Behandlung im Ausland übernimmt.

Kliniken wollen Zusammenarbeit ausbauen

Bis dahin machen die Kliniken in St. Vith und Prüm aber zumindest möglich, was rechtlich möglich ist: Sie bauen die Zusammenarbeit einzelner Abteilungen aus. Fachärzte aus Prüm beraten Kollegen in St. Vith und umgekehrt. Und künftig soll die Kooperation der beiden Krankenhäuser noch enger werden.

In den nächsten drei Jahren wird mit Fördergeld der Europäischen Union die digitale Infrastruktur geschaffen, um Ferndiagnosen in den zwei Krankenhäusern zu ermöglichen. In St. Vith könnte dann zum Beispiel ein Neurologe online ermitteln, was einem Prümer Patienten fehlt. "Kleine Krankenhäuser können nicht alle Fachabteilungen selbst vorhalten", sagt Klinikdirektor Gaetan Dumoulin. Mit dem Projekt könne man sich gegenseitig aushelfen.

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