Jeden zweiten bis dritten Tag kommt an der Uniklinik in Ulm ein Kind zur Welt, ohne dass ein Arzt dabei ist. Die Hebammen machen das alleine. Erfahrungen mit einem neuen Konzept.
Der 5. Mai ist der internationaler Welthebammentag - Anlass für die Chefin im Ulmer Kreißsaal, erstmals Bilanz eines neuen Entbindungskonzepts zu ziehen: einer Geburt ohne Arzt. "Die Nachfrage ist sehr groß", erklärt Susanne Lehr, Bereichsleiterin der Sektion Geburtshilfe am Universitätsklinikum Ulm. "Wir haben bereits jetzt Anmeldungen für Entbindungen im September." In Frage kommt dieses neue Angebot nur für Frauen, die keine Risiken während der Schwangerschaft haben.
Bei der Geburt in Ulm kommt eine zweite Hebamme hinzu
Der sogenannte Hebammenkreißsaal beschreibt eigentlich keinen Raum, sondern ein Betreuungskonzept. Die Geburt in der Klinik findet dabei quasi wie bei einer Hausgeburt statt.
"Es ist interventionsarm, ohne große Schmerzmittel mit einer 1:1-Betreuung durch eine Hebamme. Bei der eigentlichen Geburt kommt dann anstelle eines Arztes eine zweite Hebamme hinzu", berichtet Susanne Lehr. Seit fünf Monaten gibt es das Konzept in Ulm. Man habe ausgesprochen gute Erfahrungen damit gemacht.
Hebammenkreißsaal: "Wir sind noch am Anfang"
Jeden zweiten bis dritten Tag kommt auf diese Weise ein Kind an der Uniklinik zur Welt. Insgesamt sind es noch nicht viele. Am Ende des Jahres werden es vielleicht etwas mehr als 100 sein - von insgesamt 3.000 Geburten am Ulmer Klinikum. "Aber wir sind noch am Anfang und wollen das Angebot allmählich erweitern", so Lehr.
Luisa Oelhaf hat erst kürzlich eine Geburt als Hebamme ohne Arzt geleitet. "Ich empfinde es als sehr wertvoll, wenn man eine Frau von der Aufnahme über die Geburt bis zur Entlassung begleiten kann", erläutert sie. Sie habe keine Angst vor der Verantwortung und spüre auch keine Unsicherheit. "Ich weiß ja, dass ich jederzeit einen Arzt hinzuziehen kann, wenn es Komplikationen gibt."
Pilotprojekt am Klinikum Neuer Hebammenkreißsaal öffnet Mitte Oktober in Worms
Am Wormser Klinkum öffnet im Herbst ein sogenannter Hebammenkreißsaal. Frauen können dort ohne ärztliche Hilfe ihr Kind auf die Welt bringen.
Manchmal muss ein Arzt oder eine Ärztin gerufen werden
Bei rund einem Drittel der Fälle müssen die Hebammen während der Geburt tatsächlich Hilfe oder Rat einholen, von Gynäkologen, Kinderärzten oder Narkoseärzten. Alle sind in der Nähe. Das ist der Vorteil eines Universitätsklinikums. "Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Kind zu lange auf sich warten lässt und wir die Geburt einleiten müssen oder das Baby unregelmäßige Herztöne hat oder die Schmerzen bei der Frau zu groß werden", sagt Chefin Susanne Lehr.
Die bisherigen Rückmeldungen der Paare nach einer von Hebammen geleiteten Geburt seien durchweg positiv. "Die Hebammen sind ja durch ihre Ausbildung befähigt, eine Geburt alleine zu leiten. Natürlich müssen wir das in der Klinik nun erst wieder lernen", meint Lehr. Jedenfalls seien die Kolleginnen nach einer solchen Geburt "richtig beglückt".
Für die Bereichsleiterin ist der Hebammenkreißsaal ein Konzept der Zukunft. "Ich glaube, da wird sich noch ganz viel entwickeln und immer mehr Kliniken werden das anbieten." Nach den ersten Erfahrungen in Ulm spricht jedenfalls vieles dafür, dass immer mehr Kinder ohne Arzt auf die Welt kommen werden.