Immer mehr fallen durchs Raster

SKF Trier fordert mehr Hilfe für kranke obdachlose Frauen

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Autor/in
Nicole Mertes
Nicole Mertes arbeitet als Redakteurin im SWR Studio Trier

Der Sozialdienst Katholischer Frauen in Trier will den zuständigen Behörden in Stadt und Land ein Konzept vorstellen, das psychisch kranken Obdachlosen hilft. Das Problem drängt.

Es ist eigentlich ein ganz normaler Tag in der Unterkunft für obdachlose Frauen in Trier. Doch was heißt schon normal? Eine psychisch kranke, obdachlose Frau versucht auf einmal, eine Mitarbeiterin die Treppe herunter zu stoßen. Zum Glück passiert nichts. Doch die Polizei muss gerufen werden.

Wird die kranke Frau, die aggressiv wurde, in eine Klinik gebracht? Das ist nicht sicher, sagen die Polizeibeamten vor Ort. Da die Mitarbeiterin ja nicht die Treppe hinab stürzte, sondern es beim Versuch blieb, sie runter zu stoßen. Das reiche für eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik vielleicht nicht aus.

Immer mehr Obdachlose sind psychisch krank

Obdachlos und psychisch krank - das kommt immer häufiger vor, sagt Regina Bergmann, die Geschäftsführerin des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF) in Trier. Die betroffenen Frauen fielen durch alle Raster, viele würden nicht behandelt, hätten keinen Zugang zu medizinischer Hilfe.

Das Café Haltepunkt in Trier ist Anlaufstelle für obdachlose Frauen
Der Sozialdienst Katholischer Frauen in Trier ist mit dem Café Haltepunkt Anlaufstelle für obdachlose Frauen. Bild in Detailansicht öffnen
Der Wohncontainer auf dem Gelände des Sozialdienstes Katholischer Frauen in Trier bietet Platz für zwei bis drei Frauen
Um mehr Platz für obdachlose Frauen in Trier zu haben, hat der Sozialdienst Katholischer Frauen einen Wohncontainer auf seinem Gelände aufgestellt. Er bietet Platz für zwei bis drei Frauen, ein Bad und eine kleine Küche. Bild in Detailansicht öffnen
Blick aus der Unterkunft für obdachlose Frauen auf die Terrasse im Innenhof
Die Unterkünfte für obdachlose Frauen des SKF in Trier sollen wie ein Zuhause wirken. Es gibt im Hof der Unterkunft auch eine Terrasse. Bild in Detailansicht öffnen
Die Küche im Woncontainer der Unterkunft für obdachlose Frauen in Trier
Um mehr Platz für obdachlose Frauen zu bieten, hat der Sozialdienst Katholischer Frauen einen Wohncontainer aufgestellt. Er biete ein kleines Bad und eine kleine Küche. Bild in Detailansicht öffnen
Der Garten in der Trierer Unterkunft für obdachlose Frauen
Der Garten in der Trierer Unterkunft für obdachlose Frauen soll Ruhe und Geborgenheit bieten. Bild in Detailansicht öffnen

Der SKF Trier hat ein Konzept entwickelt, wie man Betroffene erreichen und wie man ihnen helfen könnte. Obdachlosenunterkünfte wie die in Trier könnten ein Knotenpunkt sein, der Zugang zu medizinischer Hilfe schafft. Der SKF Trier will es den zuständigen Behörden vorstellen. Dabei geht es auch darum, klar zu machen, wie die aktuelle Situation in den Obdachlosenunterkünften ist.

Bergmann: Immer mehr junge Frauen obdachlos

"Es werden immer mehr junge Frauen obdachlos, die psychische Probleme haben", sagt Regina Bergmann, die Geschäftsführerin des Sozialdienstes Katholischer Frauen. "Viele werden mit 18 aus der Jugendhilfe entlassen, finden keinen Halt mehr und kommen dann in die Obdachlosenhilfe."

Für die Betroffenen ist es unendliches Leid

Immer häufiger komme die Kombination von Drogensucht und psychischer Krankheit vor. "Das ist für die Betroffenen unendliches Leid", sagt Regina Bergmann vom SKF Trier. Allein in den letzten sechs Wochen sei es in der Trierer Notunterkunft zu mehreren drastischen Fällen gekommen.

Viele junge Frauen sind betroffen

Eine junge Frau mit Borderline-Symptom bräuchte dringend eine Psychotherapie, die sie nicht bekomme. Phasenweise sei die Frau auch aggressiv gegenüber anderen Frauen geworden, so Regina Bergmann. Man habe der Frau deshalb für die Notunterkunft ein Hausverbot erteilen müssen. Nachts habe die psychisch kranke Frau dann mit einem dicken Stein die Scheibe der Notunterkunft eingeworfen, um sich Zugang zu verschaffen.

Eine andere junge, psychisch kranke Frau habe sich mit ihrer Matratze in der Nähe des Müllhäuschens ein Lager eingerichtet. Sie wolle nicht in die Notunterkunft, aber trotzdem in Sicherheit sein. Die Frau lehnte ab, mit den Mitarbeiterinnen der Obdachlosenunterkunft zu sprechen, sie fanden keinen Zugang zu ihr.

Frauen ohne Krankheit meiden Unterkünfte

Eine junge Frau, die an paranoider Schizophrenie leide, weigere sich, die Notunterkunft zu nutzen. Sie mache sich Sorgen wegen der Kosten, die sie der Allgemeinheit verursachen würde.

Obdachlose Frauen, die nicht psychisch krank seien, mieden inzwischen die Notunterkunft, weil sie mit dem Verhalten der psychisch Kranken nicht zurecht kämen, sagt Regina Bergmann.

Hilfsstrukturen sind weggebrochen

Regina Bergmann arbeitet seit fast 30 Jahren mit psychisch kranken Menschen. Sie sagt, früher seien die obdachlosen Frauen oft über einen längeren Zeitraum in einer Klinik behandelt worden, bevor sie in die Obdachlosenunterkunft gekommen seien. Sie seien medikamentös eingestellt gewesen.

In der Unterkunft habe es regelmäßig eine Visite einer Fachärztin gegeben. Sicher, man habe damals mehr in die Lebensführung psychisch kranker Menschen eingegriffen, während jetzt die Selbstbestimmung im Vordergrund stehe. Strukturen, die es in den 1990er-Jahren noch gegeben habe, fehlten jetzt aber. So komme es dazu, dass immer mehr psychisch kranke Menschen sich im öffentlichen Raum bewegten, die keine medizinische Behandlung bekämen.

SKF will Fachärzte für Psychiatrie gewinnen

Der SKF Trier hat ein Konzept entwickelt, wie man psychisch kranken Obdachlosen helfen könnte. Zu vielen müsste man erst einmal Zugang bekommen, Vertrauen aufbauen. In Luxemburg gebe es in Obdachlosenheimen offene Sprechstunden eines Arztes im Ruhestand, der das ehrenamtlich mache. "Wenn es uns gelänge, eine Fachärztin für Psychiatrie zu gewinnen, die einmal in der Woche erst einmal einfach nur da wäre", so Regina Bergmann. "Dann könnten die Mitarbeiterinnen in der Unterkunft darauf hinarbeiten, dass die psychisch kranken, obdachlosen Frauen diese Sprechstunde in Anspruch nehmen würden."

Denn vielen müsse man erst vermitteln, dass sie Hilfe bräuchten und annehmen sollten. Erst einmal müsse die Einsicht der Betroffenen da sein, dass sie sich behandeln ließen. Gegen ihren Willen sei das nicht möglich.

Obdachlosenheime Anlaufpunkt für psychisch Kranke

"Die Obdachlosenheime sind keine psychiatrischen Einrichtungen und auch nicht mit entsprechendem Personal ausgestattet", so Regina Bergmann. Aber die Notunterkünfte würden zum Anlaufpunkt für psychisch kranke Obdachlose. Hier setzt das Konzept des SKF an, dass die Frauen jetzt den zuständigen Behörden in der Stadt und der Landesregierung vorstellen möchten.

Für die Wohnungslosenhilfe an sich ist das Land zuständig, die Kosten für die Unterkunft trägt die Stadt. Diese Mischung aus Zuständigkeiten macht es noch schwieriger, so Regina Bergmann vom SKF Trier.

Wohnungen werden dringend benötigt

"Auf jeden Fall brauchen wir Wohnungen, in denen psychisch kranke Menschen leben können", so Regina Bergmann. Jede Hilfe laufe ins Leere, wenn die betroffenen Frauen weiter auf der Straße leben müssten. Außerdem sei medizinisch geschultes Personal in den Obdachloseneinrichtungen notwendig.

Die Kliniken seien überlastet, entließen Obdachlose oft auf deren Wunsch schon nach drei Tagen. Psychisch kranke Obdachlose seien aber meist nicht in der Lage, an Medikamente zu kommen und diese regelmäßig selbstständig einzunehmen. Hier könnten bei entsprechender Ausstattung die Obdachlosenunterkünfte helfen.

Corona hat Situation verschärft

Die Situation psychisch kranker Obdachloser hat sich nach der Erfahrung des SKF durch die Corona-Jahre verschlechtert. Viele, die vorher irgendwie zurechtgekommen seien, würden jetzt auffällig. Immer weniger schafften den Weg aus der Obdachlosigkeit heraus. Ausgrenzung, die solche Menschen erlebten, mache sie oft noch aggressiv gegenüber der sie ablehnenden Gesellschaft.

In Deutschland seien psychisch kranke Menschen sehr lange einfach weggesperrt worden, so Regina Bergmann. Jetzt lebten psychisch Kranke im öffentlichen Raum. Man müsse deshalb Menschen auch mehr und besser informieren, was sie tun könnten, wenn ihnen jemand mit Problemen auffalle, im Mehrfamilienhaus oder auf der Straße.

"Damit unser Zusammenleben im öffentlichen Raum gut bleibt und Gefährdungen verhindert werden", sagt Regina Bergmann.

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