Wenn es noch einmal so regnen würde wie vor zwei Jahren. Was würde dann passieren? Kämen wir dieses Mal glimpflicher davon? Wären wir besser vorbereitet?
Natürlich hoffen Politiker, Feuerwehrleute und Bürger, dass inzwischen alle sensibler sind, dass Fehler nicht mehr passieren. Aber sind Strukturen, Entscheidungswege und auch die Ausstattung, zum Beispiel Feuerwehrfahrzeuge, besser geworden?
Das bezweifelt der CDU-Landtagsabgeordnete Dennis Junk aus Salmtal. Er sagt: "Es sind viele Gespräche geführt worden und es gab zahlreiche Willensbekundungen. Verändert hat sich leider Gottes nicht viel." Die Landesregierung habe an den Strukturen noch nichts geändert.
"Wir wollen eine Landesoberbehörde installieren, wo wir nicht wissen, wann, wie, wo das sein wird. Wir wollen im Bereich der Einsatzleitung Dinge verändern, bei den Zuständigkeiten Dinge verändern. Da ist einfach keine Bewegung drin", kritisiert Junk.
Als am 14. Juli 2021 der große Regen kam, gab es das Katastrophenschutzzentrum bereits seit rund drei Jahren. Die Räumlichkeiten auf dem Gelände der alten Bitburger Kaserne sorgten während der Flut für kurze Kommunikationswege und dienten im Anschluss vielen anderen Kreisen als Vorbild. Auch deshalb ist Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Jürgen Larisch ein gefragter Ansprechpartner, wenn es um Extremsituationen geht. Er sitzt auch in der Enquete-Kommission "Konsequenzen aus der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz".
Der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Eifelkreises Bitburg-Prüm, Jürgen Larisch, fordert, dass sich mehr tut und zwar schnell: "Katastrophen werden immer passieren, ob es bedingt ist durch den Klimawandel oder durch andere Unglücksfälle. Das werden wir nie verhindern können. Wir können aber die Bedingungen, unter denen die Hilfsorganisationen hier dann helfen, die können wir verbessern."
Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz Hochwasser 2021: Auf einer Karte die aktuelle Lage in allen Orten
Unvorstellbare Regenmengen haben am 14. und 15. Juli 2021 zur größten Naturkatastrophe in der Geschichte von Rheinland-Pfalz geführt. Auf unserer Karte zeigen wir die betroffenen Orte.
Kommunen versuchen, sich auf Katastrophen vorzubereiten
Die meisten Kommunen in der Region Trier haben sich nach SWR Recherchen personell besser aufgestellt als vor zwei Jahren. Die Kreise Trier-Saarburg, Bernkastel-Wittlich und Vulkaneifel haben jeweils eine neue Vollzeitstelle für den Brand- und Katastrophenschutz geschaffen, die den direkten Draht zur Landrätin oder dem Landrat hat. Schon 2021 saß Jürgen Larisch in Bitburg in einem Raum mit dem Verwaltungsstab. Das habe sich absolut bewährt, sagt er. Genau daran habe es anderswo gehapert.
Verwaltungsstab wichtiger als vor der Katastrophe gedacht
Was macht eigentlich ein Verwaltungsstab? "Das, was Verwaltungsleute täglich tun - nur schneller und ohne aufs Budget zu gucken", erklärt Jürgen Larisch. Die Mitarbeiter der Bauabteilung beispielsweise wissen genau, welches Bauunternehmen den passenden Bagger und den kürzesten Weg hat, um eine Blockade im Fluss wegzubaggern. Das Schulamt weiß genau, wo Hallen sind, um Menschen unterzubringen, wenn sie ihre Häuser verlassen müssen.
Das sehen auch die anderen Kreise so und deshalb wurde dieser Verwaltungsstab inzwischen auch überall trainiert.
Weil es sich in Bitburg bewährt hat, dass ein immer sofort einsatzfähiges Katastrophenschutzzentrum da ist, will der Kreis Bernkastel-Wittlich nachziehen. Zurzeit plant die Kreisverwaltung ein eigenes Katastrophenschutzzentrum im Bereich des früheren "Hela-Baumarktes"- vorausgesetzt der Kreistag stimmt zu. Bis zur Fertigstellung werden, so eine Kreissprecherin, Stabsräume als Interimslösung angemietet und eingerichtet.
Im Kreis Birkenfeld wurden die Räumlichkeiten des Katastrophenschutzes saniert und modernisiert, sodass die Technische Einsatzleitung im Einsatzfall direkt ihre Arbeit aufnehmen kann.
Mehr Sirenen
In vielen Orten wurden neue Sirenen aufgestellt, in manchen Orten gab es auch welche. Außerdem sollen Warn-Apps helfen, die Bürger zu erreichen. Zusätzlich gibt es klassische Lautsprecher.
Der Kreis Bernkastel-Wittlich hat zusammen mit den vier Verbandsgemeinden, der Gemeinde Morbach und der Stadt Wittlich mobile Lautsprecher und Sirenenanlagen angeschafft, die flexibel mit Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr und Hilfsorganisationen oder Dienstfahrzeugen der Kreisverwaltung eingesetzt werden können.
Digitale Pegel sollen Vorhersagen verbessern
Bei der Flutkatastrophe waren Pegel regelrecht abgesoffen. Eine Vorhersage war nicht mehr möglich. Digitale Pegel sollen ab Herbst im Eifelkreis Bitburg-Prüm helfen, dass das nicht mehr passiert. Denn die Messpunkte seien wichtig, damit die Einsatzleitung die Lage richtig einschätzen und gegebenenfalls die Bevölkerung auch warnen kann, erläutert der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Eifelkreises Larisch.
Wie kann man die Kommunikation sicherstellen?
Ganz wichtig ist, so Larisch, die Kommunikation sicher zu stellen - von der Einsatzstelle zur Einsatzleitung oder zu den politisch Verantwortlichen. Denn die Einsatzleitung müsse unbedingt wissen, wo der Einsatz am wichtigsten ist. Gerade wenn es eine flächendeckende Katastrophe wie 2021 gebe, erläutert der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur. Deshalb gibt es neben Digitalfunk auch Analogfunk oder auch Satellitenkommunikation. Auch der Kreis Trier- Saarburg hat aus diesem Grund Satellitentelefone angeschafft.
Drohnenbilder sollen helfen, die Lage einzuschätzen
Der Landkreis Vulkaneifel hat aus Spendengeldern eine leistungsstarke Drohne gekauft. Sie besitzt eine radiometrische Wärmebildkamera, eine erhöhte Wettertauglichkeit und eine besonders gute Flugleistung, sagt die Verwaltung. Mit einem Echtzeit-Übertragungssystem könnten Flugdaten und Flugvideos übermittelt werden, um die Lage besser einschätzen zu können.
Es mangelt an geländegängigen Fahrzeugen
Fast überall in der Region Trier klagen die Feuerwehrleute, dass es an geländegängigen und watfähigen Fahrzeugen mangele. Sie fordern, dass Förderrichtlinien und Normen des Landes überarbeitet werden, um die Hilfskräfte besser auszustatten.
Waldbrandgefahr steigt Waldbrände in Eifel und Hunsrück - Feuerwehren unter Druck
Immer öfter müssen die Feuerwehren in der Region Trier zu Waldbränden ausrücken. Sie sagen: Es hapert bei der Ausstattung.
Vor Ort hat man Verständnis dafür, dass manche Dinge länger dauern. "Aber es darf nicht zehn Jahre dauern", meint Larisch. Damit spricht er seinen Kollegen aus der Seele, die gegenüber dem SWR meinen, vieles sei zu langwierig.
Organisatorisch-strukturell haben die Kommunen in der Region Trier einiges gestemmt. Sie haben ihre Konzepte überarbeitet. Sandsackfüllmaschinen wurden gekauft, Evakuierungsräume festgelegt.
Die Angst vor einem juristischen Nachspiel
Aber es gibt auch andere Erfahrungen aus der Flutkatastrophe, die in die Arbeit der Katastrophenschutzstäbe mit einfließen. Im Katastrophenschutzzentrum in Bitburg läuft beim Einsatz eine Videoaufzeichnung mit, damit dokumentiert wird, wann wer welche Entscheidung mit welchem Vorwissen getroffen hat. Falls eine Staatsanwaltschaft das später wissen will.
Brand- und Katastrophenschutzinspekteur Jürgen Larisch beschreibt das so: "Es muss alles dokumentiert werden. Wichtig ist halt im Nachhinein, dass nachvollziehbar ist, ob man was vergessen hat." Keine leichte Situation. Denn im Nachhinein, wenn man Gutachter gehört habe, sei vieles leichter als in der Situation selbst, sagt er. "Da muss ich appellieren: Sowohl die Hauptamtlichen, wie auch die Masse der Ehrenamtlichen sind einfach in der Situation, dass sie schnelle Entscheidungen treffen müssen. Wir sind froh, wenn von zehn Entscheidungen sechs richtig sind."
Landrätin im Interview nach der Hochwasser-Katastrophe Vulkaneifel-Landrätin: "Es ist wichtig, dass man eine Entscheidung fällt"
Erst kurz im Amt und schon die zweite Krise nach Corona: Julia Gieseking (SPD), Landrätin der Vulkaneifel, über den Katastrophenfall, richtige Entscheidungen und etwas Glück.