Der Trierer Bischof Stephan Ackermann muss einer Mitarbeiterin des Bistums 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Das hat das Arbeitsgericht Trier heute entschieden.
Das Arbeitsgericht Trier sah es als erwiesen an, dass Bischof Stephan Ackermann den bürgerlichen Namen der zuvor nur unter dem Pseudonym "Karin Weißenfels" öffentlich bekannten Frau bei einer Konferenz nannte. Die beim Bistum beschäftigte Frau war in den 1980er Jahren von einem Priester missbraucht und zu einer Abtreibung gedrängt worden.
In einer Videokonferenz mit 40 Mitarbeitern des Bistums nannte der frühere Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz im März des vergangenen Jahres den echten Namen des Missbrauchsopfers Weißenfels. Dafür entschuldigte Ackermann sich zwar kurz darauf und unterschrieb eine Unterlassungserklärung. Trotzdem landete der Streit vor Gericht.
Persönlichkeitsrechte eines Missbrauchsopfers verletzt
Die wahre Identität von "Karin Weißenfels" öffentlich zu machen, habe deren Persönlichkeitsrechte verletzt, urteilte das Gericht heute. "Und er [der Bischof] hat sich ja nicht versprochen, sondern den Namen absichtlich genannt", sagte Richterin Kathrin Thum.
Deswegen folgte die Kammer letztlich auch den Forderungen der Klägerin. D.h. Ackermann muss 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen, genauso viel wie die Anwälte von Weißenfels gefordert hatten.
Trierer Bischof erscheint nicht selbst zum Prozess
Der Bischof erschien am Morgen trotz einer Anordnung des Gerichtes nicht persönlich zum Prozess und zur Urteilsverkündung, sondern schickte einen Juristen als Vertretung. Der hatte eine Vollmacht von Ackermann dabei. Zu den Gründen für das Fernbleiben äußerten sich seine Anwälte nicht weiter.
"Das ist ein ganz normaler prozessualer Vorgang", sagte der Jurist Christoph Legerlotz lediglich. Auch die Pressestelle des Bistums erklärte nach dem Prozess, dies sei "normal und zulässig". Nach Angaben des Arbeitsgerichtes Trier hat sich der Bischof den Paragraphen 141 der Zivilprozessordnung berufen. Demnach kann er sich, selbst wenn sein persönliches Erscheinen angeordnet ist, vertreten lassen. "Dies setzt allerdings voraus, dass der Vertreter zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist", erklärte Uta Lenz, die Direktorin des Arbeitsgerichtes, auf Anfrage des SWR.
Anwalt von Weißenfels kritisiert Fernbleiben des Bischofs
Bei der Klägerin kam es trotzdem nicht gut an, dass der Bischof sich dem Verfahren nicht persönlich stellte, sagte ihre Anwalt Oliver Stegmann: "Ich hätte erwartet, dass er kommt, weil es eben ein Zeichen gesetzt hätte gegenüber der Klägerin, die seit Jahren dafür kämpft, dass das ihr widerfahrene Unrecht aufgearbeitet wird." Das Verhalten des Bischofs zeige, dass er nicht bereit sei, die Verantwortung für sein Fehlverhalten zu übernehmen.
Ähnlich sieht es Hermann Schell, Vorstandsmitglied der Opferinitiative MissBit, der den Prozess verfolgt hat: "Der Bischof wollte seine Macht demonstrieren und das ist gründlich in die Hose gegangen, jetzt ist das Urteil da."
Bischof und Bistum aktzeptieren das Urteil
Das Urteil wertet Oliver Stegmann als Erfolg: "Ich bin natürlich sehr zufrieden mit der Entscheidung. Die Klägerin hat voll obsiegt. Und das Urteil verschafft ihr eine gewisse Genugtuung." Weißenfels sei durch das Verhalten des Bischofs retraumatisiert worden, sagte Stegmann: "Der Bischof machte nicht nur die Identität der Klägerin innerhalb seines Bistums öffentlich, sondern auch ihre ganz persönliche Leidensgeschichte mit intimsten Details."
Bischof und Bistum akzeptieren das Urteil ebenfalls, teilte die Pressesprecherin des Bischöflichen Stuhls mit: "Bischof Ackermann wird den Geldbetrag zahlen." Demnach wird es kein Berufungsverfahren geben.
Anwälte des Bischofs lehnten Vergleich im März ab
Im Vorfeld hätten sich beide Parteien in dem Streit einigen können. Im Frühjahr lehnten die Anwälte des Bischofs einen Vergleich aber noch ab. Das Arbeitsgericht hatte dem Bischof damals vorgeschlagen, 10.000 Euro an die Klägerin und weitere 5.000 Euro an eine Opferschutzorganisation zu zahlen.
Bei dem Gütetermin hatte der Anwalt des Bischofs, Christoph Legerlotz, gesagt, Ackermann habe durch die Aussagen der Klägerin "selbst ein Trauma". Später distanzierten sich sowohl der Anwalt als auch die Pressestelle des Bistums davon. Die Aussage sei nie so gefallen. Der SWR und andere Medien, die vor Ort waren, bleiben aber bei ihrer Darstellung, dass dem so war.
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Danach wollte Ackermann den Vergleich aus dem März irgendwann doch akzeptieren. Allerdings war die Klägerin nicht mehr dazu bereit. Und das habe auch mit dem Gebaren der Gegenseite zu tun, sagte Oliver Stegmann, der Anwalt von Karin Weißenfels.
Datenschutzzentrum verpflichtete Bischof zur Schulung
Die Ausführungen der Prozessvertreter des Bischofs belegten damals schon, so Stegmann, dass der Bischof bis zuletzt nicht davor zurückgeschreckt habe, den "verwerflichen Bruch des Pseudonyms der Klägerin durch ihn mit allen Mitteln kleinzureden".
Auch eine Beschwerde beim katholischen Datenschutzzentrum wollte Karin Weißenfels nicht fallenlassen. Das Datenschutzzentrum hat Bischof Ackermann inzwischen verpflichtet, eine Schulung zu "Verschwiegenheitsverpflichtungen" zu besuchen. Nun muss er noch 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Für Karin Weißenfels ist das ein kleiner Sieg im Kampf für die Aufarbeitung von Missbrauch im Bistum. "Seit Jahren verweigert der Bischof die Aufarbeitung, verletzt seine Fürsorgepflicht, schützt die Täter bis über den Tod hinaus", sagte die Klägerin im SWR-Interview: "Die Verantwortlichen sind mit öffentlichen Ehren beerdigt und gewürdigt worden. Das war für mich ein ebenso schlimmer Schlag ins Gesicht wie seine nach meinem Empfinden viel zu spät erfolgte Entschuldigung wegen des vorsätzlichen Bruchs meines Pseudonyms. Ich leide bis heute."
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