Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil gegen den Amokfahrer von Trier teilweise aufgehoben. Die Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten sei durchgreifend rechtsfehlerhaft.
Wie Rechtsanwalt Otmar Schaffarczyk, der den Bruder eines der Amokopfer vertritt, dem SWR mitteilte, wurde ihm der BGH-Beschluss am Freitag am Jahrestag der Amokfahrt zugestellt. Dem Beschluss zufolge habe das Landgericht Trier den Geschehensablauf der Tat vom 1. Dezember 2020 zwar korrekt rekonstruiert. Die erfolgte rechtliche Beurteilung sei jedoch durch den BGH als mangelhaft bewertet worden. Dies betreffe insbesondere die Schuldfähigkeit des Verurteilten und welchen Einfluss seine psychische Verfassung bei der Tat gehabt habe.
Der Amokfahrer war im August 2022 vom Landgericht Trier wegen mehrfachen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zugleich wurde die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik angeordnet.
Beurteilung der Schuldfähigkeit durchgreifend fehlerhaft
In dem inzwischen vorliegenden 17-seitigen Dokument des BGH heißt es unter anderem zum Trierer Verfahren: Die Prüfung und Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten, "erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft." Der Fahrer habe an einer paranoiden Schizophrenie gelitten. Es müsse aber nicht nur die allgemeine Verfassung eines Täters ermittelt werden, sondern sein Zustand in der konkreten Tatsituation - also als er in seinem Fahrzeug saß.
Das Landgericht habe nicht genau hingeschaut, so der BGH, ob ein akuter Schub der Erkrankung vorgelegen habe. Außerdem habe es die Wechselwirkung mit Alkohol außer Acht gelassen. Der Fahrer war bei der Amokfahrt deutlich alkoholisiert gewesen. Der Trierische Volksfreund hatte zuerst über den BGH-Beschluss berichtet.
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Feststellung der kompletten Schuldunfähigkeit möglich
Nun wird sich nach Angaben von Rechtsanwalt Schaffarczyk eine andere Kammer des Landgerichts erneut mit dem Fall befassen müssen. Dabei müsse dann für jede Einzeltat die Schuldfähigkeit des Amokfahrers noch einmal geprüft werden, so der Rechtsanwalt.
Dass nun erneut vor Gericht verhandelt werden müsse, sei schon ein schwerer Schlag für die Angehörigen und überlebenden Opfer, auch wenn sie nicht erneut vor Gericht aussagen müssen. Sie hätten jedoch die Hoffnung gehabt, mit dem Urteil auch ein Stück weit mit den schrecklichen Ereignissen abschließen zu können.
Schaffarczyk zufolge ist nun vieles möglich. Nicht nur, dass die volle Schuldfähigkeit festgestellt werde. "Es kann natürlich eine komplette Schuldunfähigkeit festgestellt werden, und das würde einen Freispruch bedeuten", sagte der Rechtsanwalt im Interview mit dem SR.
Der Anwalt des Amokfahrers, Frank Peter, sieht das ähnlich. Der Deutschen Presseagentur (dpa) sagte er, es sei unstrittig, dass sein Mandant am Steuer war, und dass die Menschen gestorben seien.
Jetzt gehe es aber darum zu prüfen ob wirklich Mordmerkmale vorlagen. Außerdem müsse die Krankheit seines Mandanten nochmal geprüft werden. Unter Umständen sei er schuldunfähig. So sei auch denkbar, dass keine Mordmerkmale vorliegen und der Mann wegen Totschlags verurteilt würde.
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Der Notfall-Seelsorger Bernd Steinmetz kritisierte im Gespräch mit dem SWR, dass der BGH-Beschluss ausgerechnet zum dritten Jahrestag der Amokfahrt publik wurde. Steinmetz betreut einige der Hinterbliebenen der Amokfahrt.
Steinmetz sagte, ein weiterer Prozess sei eine emotionale Herausforderung für die Hinterbliebenen. Außerdem sei der Zeitpunkt der Entscheidung des BGH so kurz vor dem Jahrestag der Amokfahrt sehr unsensibel.
Ähnlich äußerte sich auch Rechtsanwalt Andreas Ammer gegenüber dem SWR. Er vertritt einen Mann, der bei der Amokfahrt schwerstverletzt wurde. "Ich bin erschüttert darüber, dass uns dieses Urteil ausgerechnet heute zugestellt wurde. Auch von einem obersten Gericht kann man mehr Sensibilität erwarten", sagte Ammer.
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