Weil dort immer wieder Müll gefunden wird, gibt es Sorgen um den Gaybach. Für die ARD-Aktion "Unsere Flüsse" haben Experten den Fluss untersucht. Die Ergebnisse sind ernüchternd.
Gartenhäuser, komplette Wohnwagen, Gartenmöbel, Staubsauger, Brotmaschinen und vor allem Autoreifen - das alles hat ein ehemaliger Fischereipächter am Gaybach in Wallendorf schon gefunden. Damit hat er sich an die ARD-Mitmachaktion #unsereFlüsse gewandt. Noch bis Ende Oktober können dabei alle mitmachen und melden, wie es um den Bach oder Fluss in ihrer Nähe steht.
Erste Ergebnisse der Aktion gibt es aber trotzdem schon: Experten haben im Juni DNA-Proben aus ausgewählten Flüssen entnommen und ausgewertet. Was dabei für den Gaybach herausgekommen ist, darüber hat SWR Aktuell mit Prof. Dr. Florian Leese von der Universität Duisburg-Essen gesprochen.
ARD Mitmachaktion #unsereFlüsse
ARD-Moderatorin Jessy Wellmer ruft zum Mitmachen auf! Gehen Sie raus ins Grüne und suchen Sie sich einen Bach aus: Wie rauscht der Bach? Welche Farbe hat das Wasser? Schlängelt der Bach sich durch die Landschaft?
SWR Aktuell: Herr Leese, laut Ihren Untersuchungen hat der Gaybach die sogenannte ökologische Zustandsklasse 3 von 5 erreicht, wobei 1 die beste Bewertung wäre. Als Laie denkt man da: Da geht noch was, aber katastrophal ist es jetzt auch nicht. Wie geht's denn dem Gaybach?
Florian Leese: Also, wir haben im Bach ziemlich viele Spuren von Lebewesen gefunden. Wir haben 87 wirbellose Arten und 16 Wirbeltierarten nachweisen können, insbesondere Fischarten. Zum Beispiel auch die Bachforelle. Das weist alles schon darauf hin, dass einiges im Gaybach lebt. Diese ökologische Zustandsbewertung weist aber trotzdem auf eine mäßige Qualität.
Man muss aber auch sagen, wir waren recht spät im Jahr. Wären wir früher gewesen, vielleicht wäre es sogar noch eine Klasse besser geworden. Der Gaybach sieht gar nicht so schlecht aus, wenngleich doch einige Hinweise auf eine suboptimale Zusammensetzung da sind. Wir finden zum Beispiel auch Spuren vom Signalkrebs, also einer invasiven Art, die dort anscheinend angekommen ist.
SWR Aktuell: Wie genau sind Sie vorgegangen, um diese Spuren zu finden?
Leese: Zwei meiner Mitarbeiterinnen haben aus dem Gaybach Wasser gepumpt und gefiltert. An dem Filter werden dann Partikel mit DNA-Spuren des Erbguts der Lebewesen aus dem Bach gebunden. Diese Partikel haben wir im Labor isoliert. Damit konnten wir die Organismen, die diese DNA abgegeben haben, bestimmen. Und damit dann auch, wie die Lebensgemeinschaft aus Fischen und wirbellosen Tieren zusammengesetzt ist.
Das ist eine Methode der Wissenschaft. Das Umweltbundesamt würde das noch mit einer weiteren Methode kombinieren, um den ökologischen Zustand offiziell zu bestätigen und wirklich gerichtsfest zu machen. Das Ergebnis "mäßig" ist aber meines Erachtens für den Gaybach gerechtfertigt.
SWR Aktuell: Welche Tiere müssten denn im Gaybach sein, damit das Ergebnis nicht mehr "mäßig", sondern super wäre?
Leese: Wir würden erwarten, dass noch mehr sensible Wirbellose, insbesondere zerkleinernde Flohkrebsarten, Eintagsfliegen, Köcherfliegen, Steinfliegen vorkommen. Davon haben wir weniger gefunden, als man in einem typischen naturnahen Gewässer finden würde.
SWR Aktuell: Dass Sie Fische, Krebse und Fliegen gefunden haben, verwundert nicht. Sie haben aber auch unter anderem DNA von Hunden und Rindern isoliert. Also ging es nicht nur um die Wasserlebewesen, sondern um alles, was da kreucht und fleucht?
Leese: Nein, in die ökologische Beurteilung haben wir nur die wirbellosen Arten einfließen lassen, so wie man das in der offiziellen Bewertung nach der Wasserrahmenrichtlinie auch machen würde. Allerdings basieren unsere Erkenntnisse auf Spuren der DNA.
Wir finden tatsächlich auch die Spuren von Lebewesen, die am Bach leben. Wenn der Hund eines Spaziergängers in den Bach geht, hinterlässt der auch Spuren, die wir nachweisen können. Und wenn landwirtschaftlich genutzte Fläche da ist, sprich Kühe auf der Weide, dann finden wir die Hinterlassenschaften der Rinder im Gewässer.
SWR Aktuell: Auch der SWR hat am Gaybach Spuren gefunden, nämlich Spuren von Müll - Autoreifen, Plastikeimer und Silofolien lagen da Ende Juli am und im Wasser. Können Sie auch das in Ihrer Analyse finden?
Leese: Wenn ein Gewässer stark beeinträchtigt ist, beispielsweise durch Verschmutzung, durch Eintrag von Schadstoffen, dann ist das dadurch nachzuweisen, dass wir in der Regel weniger Arten und mehr anspruchslose Arten finden. Also Arten, die auch unter Belastungssituationen gut klar kommen.
Wir nehmen Wasserproben. Wenn wir die kurz unterhalb einer Vermüllung nehmen, dann vermischen sich darin auch die Spuren, die von weiter oberhalb im Wasser hinuntergespült werden, wo es keinen Müll gibt. Das heißt, es kann durchaus sein, dass es weiter flussabwärts schlechter ist, als unsere Probe das vermuten lässt.
Und ganz klar: Wenn da Autoreifen im Gewässer sind, die gehören da nicht rein, die können Schadstoffe abgeben. Das kann sich auf die Qualität der Lebensgemeinschaft dort vor Ort auswirken, was wir unter Umständen mit der Umwelt-DNA aber nicht so lokal nachweisen können.
SWR Aktuell: Aber können Sie einen Zusammenhang zwischen dem Müll im Gaybach und Ihrem Untersuchungsergebnis einer "mäßigen" ökologischen Zustandsklasse herstellen?
Leese: Das kann einen Einfluss haben. Da müsste man jetzt aber wirklich ganz konkret vor Ort gehen und mit Netzen einmal die Lebensgemeinschaft fangen und betrachten. Die Schlussfolgerung, dass der Müll wirklich für die mäßige Zustandsklasse verantwortlich ist, können wir basierend auf dieser Umwelt-DNA alleine nicht treffen. Fakt ist, gerade Autoreifen haben negative Auswirkungen auf Wirbellose und Wirbeltiere. Der Müll ist sicherlich nicht vorteilhaft für die einheimische Lebensgemeinschaft.
SWR Aktuell: Und wie wirkt sich der eingeschleppte Signalkrebs auf die Lebewesen im Gaybach aus?
Leese: Der Signalkrebs ist unglaublich invasiv, der erobert ganz, ganz viele Gewässer. Er ernährt sich von unterschiedlichsten Materialien, unter anderem auch Fischlaich. Der räumt in so einem Ökosystem relativ gut auf und verdrängt unterschiedlichste Organismen. Die invasiven Arten haben einen negativen Einfluss auf die einheimische Fauna.
SWR Aktuell: Wenn wir das alles betrachten - der Gaybach ist nur in einem mäßigen Zustand, es gibt dort Müll und eine invasive Art - besteht denn überhaupt noch Hoffnung?
Leese: Ich glaube, für den Gaybach gibt es ganz viel Hoffnung, auch wenn sicherlich nicht alles wieder so wird, wie es in der Vergangenheit war. Wenn der Signalkrebs wirklich drin ist und die Spuren weisen darauf hin, ist es ganz schwierig, den loszuwerden.
Was aber klar ist: Wir haben sehr viele Arten gefunden, auch durchaus anspruchsvolle und teilweise sehr seltene Arten. Eine ganz seltene Eintagsfliege zum Beispiel. Auch von der Gewässerstruktur her, von der Lebensraumqualität, sieht das beim Gaybach gar nicht schlecht aus.
Entscheidend ist wirklich: Verschmutzungen, Belastungsfaktoren müssen minimiert werden. Die invasive Art zu bekämpfen, ist schwierig. Aber trotzdem bietet der Gaybach wirklich ein vielfältiges Habitat, das, wenn es nicht weiter vermüllt wird, Platz für einheimische natürliche Lebensgemeinschaften bieten kann.