Fliegerbomben aus dem zweiten Weltkrieg liegen oft jahrzehntelang unbemerkt und in großer Zahl auch noch zündfähig unter unseren Straßen und Häusern. Wenn sie gefunden werden, ist es Zeit für den Kampfmittelräumdienst.
Insgesamt rund zwei Millionen Tonnen Bomben wurden im Verlauf des zweiten Weltkrieges über Deutschland und besetzten Gebieten abgeworfen, so die Schätzung von Experten. Wie viele davon auf Rheinland-Pfalz niedergingen, dazu liegen keine genauen Zahl vor. Laut der rheinland-pfälzischen Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier ist aber davon auszugehen, dass bis zu 20 Prozent dieser Bomben nicht detoniert sind und damit als Blindgänger gelten. In der Regel handele es sich dabei um Spreng-, Splitter- oder Brandbomben.
Zugverkehr rollt wieder Fliegerbombe in Mainz ist entschärft
Der Kampfmittelräumdienst hat die Fliegerbombe in Mainz entschärft. Die Menschen können wieder in ihre Wohnungen zurück. Der Zugverkehr rollt.
Oft werden die Bomben bei Bauarbeiten entdeckt, vor allem in Großstädten, auf Industriegeländen und an Bahnhöfen. In Rheinland-Pfalz wurden im Jahr 2023 den Angaben der ADD zufolge rund 19 Tonnen Munition gefunden und geborgen. 21 Blindgänger konnten demnach entschärft worden.
In Rheinland-Pfalz sitzt der Kampfmittelräumdienst (KMRD) mit seiner Zentrale in Koblenz. Zum KMRD gehören noch zwei Außenstellen mit insgesamt 14 Mitarbeitern - in Koblenz und Worms. Nach jedem Bombenfund entscheidet der Kampfmittelräumdienst, ob der Zünder eines Blindgängers entschärft werden kann oder ob die Bombe kontrolliert gesprengt werden muss. Bei einer Entschärfung wird erst der Zünder entfernt und dann der Sprengstoff zerstört.
Den Blindgänger finden
Wer als Privatperson Kampfmittel wie Bomben, Granaten oder sonstige Munition findet, muss umgehend das zuständige Ordnungsamt oder die Polizei rufen. Die Behörden ziehen dann den Kampfmittelräumdienst hinzu. Die Zuständigkeit liegt bei den Bundesländern.
Nach Blindgängern wird teils auch gezielt gesucht, beispielsweise im Vorfeld von Bauarbeiten. Dabei kommen Luftbilder der Alliierten zum Einsatz, die während des Zweiten Weltkrieges kurz nach den Bombenabwürfen gemacht wurden. Experten erkennen dann, ob sich im Baugebiet von heute Blindgänger von damals befinden. Mit hochempfindlichen Metalldetektoren versucht der Kampfmittelräumdienst im Anschluss, die Bomben vor Ort zu finden.
Die eigentliche Entschärfung
Vor der eigentlichen Entschärfung muss zunächst meist der Bereich um den Fundort der Bombe evakuiert werden. Hier steht der Schutz der Zivilbevölkerung an oberster Stelle, so die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion.
Sobald die Evakuierung komplett abgeschlossen ist, geht der Kampfmittelräumdienst an die Arbeit. Wichtig dabei: Der Blindgänger darf nicht bewegt werden, damit er nicht plötzlich detoniert. Im nächsten Schritt stellen die Experten fest, über welchen Zündmechanismus die Bombe verfügt – einen Aufschlag- oder einen Langzeitzünder.
Aufschlagzünder und Langzeitzünder
Ein Aufschlagzünder bringt eine Sprengladung beim Aufschlag auf den Boden oder auf ein Zielobjekt zur Detonation. Er funktioniert rein mechanisch, meistens mit Zündnadeln.
Bomben mit chemisch-mechanischem Langzeitzünder sind hingegen so konzipiert, dass sie erst Stunden nach dem Aufschlag detonieren. Mit ihnen sollten im Krieg Lösch- und Bergungsarbeiten verhindert werden. Durch die plötzliche Detonation sollten außerdem noch lange nach Ende eines Luftangriffs Personen getroffen werden, die ihre Schutzräume verlassen hatten.
Die Langzeitzünder sind im Heck der Bombe eingebaut, damit sie beim Aufschlag nicht beschädigt werden. Nach dem Abwurf wird Aceton freigesetzt. Dieses löst Kunststoffplättchen auf, die den Schlagbolzen halten. Je nach Anzahl beziehungsweise Dicke der Plättchen wird nach zwei Stunden bis sechs Tagen der Schlagbolzen ausgelöst. Dieser schlägt auf den Detonator mit dem Initialsprengstoff und bringt die Hauptladung zur Detonation.
Ausbausperre als weiteres Risiko
Langzeitzünder haben im Krieg häufig versagt. Ihr Anteil an den Blindgängern ist deshalb besonders hoch. Kam die Bombe zum Beispiel verkehrt herum auf, tropfte das Aceton nicht wie vorgesehen direkt auf die Kunststoffhalterung. Deshalb darf die Bombe bei der Entschärfung auch nicht bewegt werden.
Finden die Experten vom Kampfmittelräumdienst einen Langzeitzünder vor, stoßen sie häufig auf eine weitere Hürde: eine Ausbausperre, die den Zünder sofort auslöst, wenn er herausgedreht wird. Bei der Entschärfung wird dann ein Wasserstrahl-Schneidegerät eingesetzt, mit dem die Hülle zwischen Schlagbolzen und Sprengstoff getrennt wird.
Den Sprengstoff zerstören
Ist der Zünder erst einmal aus den Blindgängern ausgebaut, wird der Sprengstoff vernichtet. Da dies aber nur nach und nach geschehen kann, werden entschärfte Kampfmittel erstmal in einem Lager bei Koblenz aufbewahrt, bevor sie ins niedersächsische Munster zur Vernichtung kommen. Die Granaten und Patronen landen in einem berstsicheren Ofen, in dem der Sprengstoff verbrennt.
Entschärfungen in RLP bislang ohne Zwischenfälle
Erfreulich aus rheinland-pfälzischer Sicht: Laut ADD hat es im Land beim Entschärfen von Fliegerbomben aus dem zweiten Weltkrieg bislang keine Unfälle oder ungewollte Detonationen gegeben.