Am Samstag hat sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zum ersten Parteitag in Berlin getroffen. In Rheinland-Pfalz hatte sich die neue Partei bereits vorgestellt. Der Trierer Professor Markus Linden sieht bei ihren Mitgliedern teils verschwörungstheoretische und radikale Tendenzen.
Anfang vergangener Woche hat die Ex-Linken-Chefin Sahra Wagenknecht das nach ihr benannte Bündnis und ihre Vorhaben bereits bei einer Pressekonferenz in Mainz vorgestellt. 28 Mitglieder sind in Rheinland-Pfalz bisher an Bord, unter anderem der jüngst parteilose Landtagsabgeordnete Andreas Hartenfels und Ex-Fußballprofi Andreas Buck.
Der Trierer Politikwissenschaftler Professor Markus Linden analysiert das Bündnis Sahra Wagenknecht und seine Protagonisten in Rheinland-Pfalz im SWR-Interview.
SWR Aktuell: Wo verorten Sie das Bündnis Sahra Wagenknecht im politischen Spektrum?
Markus Linden: Das Bündnis Sahra Wagenknecht steht nach eigener Aussage für eine links-konservative Ausrichtung. Das heißt: Linke Sozialpolitik vermischt sich mit einer konservativen Migrationspolitik und mit der Propagierung eines konservativen Wertekorsetts. Aber das ist im Endeffekt eine Art Camouflage.
SWR Aktuell: Was meinen Sie damit?
Markus Linden: Das Bündnis Sahra Wagenknecht tritt dezidiert mit hybridem Querfront-Populismus an als eine Partei, die radikal gegen das System, gegen die sogenannten demokratischen Eliten Stimmung macht und eine radikale Veränderung durchbringen möchte. Dabei ist die Partei vor allen Dingen negativ aufgestellt, sie hat noch kaum ein positives Programm. Die Partei zeichnet sich dadurch aus, dass sie vor allen Dingen Kritik äußert. Und im Endeffekt versucht Sahra Wagenknecht, verschiedene diffuse Protestmilieus in diesen hybriden Querfront-Populismus zu integrieren.
SWR Aktuell: Was heißt "hybrider Querfront-Populismus"?
Markus Linden: Das heißt, dass es etwas Zusammengesetztes ist. Einerseits bringt man linkspopulistische Dinge, andererseits aber auch rechtspopulistische Dinge vor und versucht, dadurch verschiedene Milieus miteinander zu verbinden, ohne direkt rechtsradikal zu sein. Es läuft darauf hinaus, dass man radikal politisiert und dabei auch wirklich radikale Positionen vertritt, aber im Endeffekt immer davon ausgeht, dass es so etwas gibt wie EIN Volk. Das ist ein tendenziell antipluralistisches Konzept, was aber verkauft wird als Vertretung von Meinungsfreiheit und als Vertretung von Bedürfnissen der Bevölkerung.
SWR Aktuell: Welche Protestmilieus spricht die Partei mit ihrer Politik an?
Markus Linden: Da ist einerseits der Protest gegen die Corona-Maßnahmen und andererseits eine Putin- oder russlandfreundliche Politik, die die Partei betreibt. Ein von mir sehr geschätzter Journalist, Thomas Dudek, sprach von "Einiges Russland - Sektion Deutschland". Das würde ein renommierter Historiker wie Karl Schlögel sicherlich bejahen, und ich glaube, diese Analyse trifft es.
SWR Aktuell: Was sagen Sie zu den inhaltlichen Positionen aus dem Gründungsmanifest der BSW?
Markus Linden: Man hat ja noch kaum eigene Positionen entwickelt. Es ist eine rein negative Partei. Sie tarnt Populismus als Vernunft. Sie tut so, als würde sie rationale Argumente vorbringen. Dahinter steckt aber sehr oft ein recht radikales Anti-Programm.
SWR Aktuell: Können Sie das an bestimmten Themen festmachen?
Markus Linden: Nehmen wir mal die Corona-Maßnahmen: Allein an den Akteuren in Rheinland-Pfalz, zum Beispiel an Herrn Hartenfels oder an Herrn Buck kann man sehen, dass die Protagonisten des BSW fast schon in einem Querdenker-Milieu beheimatet sind. Das merkt man an den Medien, die sie teilen. Nehmen wir die Russlandpolitik: Hier tendiert das Bündnis Sahra Wagenknecht dazu, eine Schuldumkehr zu betreiben und quasi dem Westen die Schuld am Krieg in der Ukraine zuzuschreiben. Das können Sie auch bei Herrn Hartenfels nachlesen, der auf seiner Homepage davon spricht, dass wir hier Krieg führen. Das ist aber ein Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Es werden Narrative des russischen Regimes verbreitet.
SWR Aktuell: Was kennzeichnet die Partei noch?
Markus Linden: Man vermischt radikale Kritik mit legitimen Kritikpunkten an politischen Akteuren und versucht, dadurch ein radikales Protestmilieu zu binden, aber auch eine Wählerinnen- und Wählerschaft der Mitte zu erreichen. Die Partei ist außerdem eine sehr führungszentrierte Partei, bei der Frau Wagenknecht die einzelnen Akteure, die in der Partei überhaupt Mitglied sein können, persönlich auswählt. Das ist mit dem Demokratieanspruch, den diese Partei vertritt, nicht wirklich kompatibel. Das Bündnis Sahra Wagenknecht zeichnet sich zudem dadurch aus, dass es über ein relevantes Vorfeld verfügt.
SWR Aktuell: Was meinen Sie damit?
Markus Linden: Zu diesem Vorfeld gehört zum Beispiel die Berliner Zeitung oder die Zeitung Junge Welt. Aber ganz besonders gehören dazu die Nachdenkseiten, ein so genanntes alternatives Internetportal, bei dem die Nähe zu Putins Politik alleine schon dadurch deutlich wird, dass es einen regen Austausch der Redakteure mit der alten Redaktion von RT Deutsch (der Ableger von Russia Today - ist in Deutschland verboten, Anm. d. Red.) gibt. Ohne dieses Vorfeld würde die Partei ihren Kontakt zu radikalen Milieus verlieren.
SWR Aktuell: Was fällt Ihnen mit Blick auf die Protagonisten in Rheinland-Pfalz auf?
Markus Linden: An den Protagonisten in Rheinland-Pfalz kann man gut die Doppelstrategie der Partei ablesen. Auf der einen Seite gibt es Herrn Hartenfels. Der tritt etwas gemäßigter auf, ist erfahrener und vertritt ein naives Friedenskonzept, das auch dem Westen die Schuld am Krieg in der Ukraine zuschreibt. Und auf der anderen Seite gibt es Andreas Buck. Er steht für etwas populistischere und radikalere Ausformungen. Er tritt zum Beispiel auf beim österreichischen verschwörungstheoretischen und auch antisemitischen Sender AUF1. Oder er teilt ein Portal wie "Infrarot" mit ganz klarem Bezug zu Putin.