Bezahlbarer Wohnraum in Universitätsstädten ist Mangelware. Gleichzeitig kämpft die Pflegebranche gegen den Fachkräftemangel. Das Seniorenheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Mainz-Mombach hat eine Lösung gefunden, diesen Herausforderungen zu begegnen.
Der Personalmangel in der Pflege - ein Problem, dem auch das AWO Seniorenzentrum in Mainz-Mombach gegenübersteht. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Pflegefachkräften musste die Heimleitung eine Wohngruppe schließen. Das Ergebnis: Zehn freie Zimmer. Bereits sechs haben seit vergangenem Herbst neue Bewohner gefunden - überraschenderweise handelt es sich dabei nicht um Senioren, sondern um Studierende sozialer Fachrichtungen.
Werbung über AStA Mainz und Social Media
Beworben hat das Heim die frei gewordenen Zimmer mit einem Instagram-Post des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Universität Mainz. "Praktika, die im Studienverlauf sowieso notwendig wären, können dann direkt im Altenheim abgeleistet werden", heißt es dort. Durch diesen Post, einen Online-Artikel und ein Radiointerview ist "ein kleiner Selbstläufer" entstanden, wie Heimleiterin Michaela Hauf erzählt. Ab April werden zwei Auszubildende des Seniorenheimes zwei weitere freie Zimmer beziehen.
Die Zimmer können zu Mietpreisen zwischen 395 Euro, inklusive Gemeinschaftsküche, und 575 Euro für Zimmer mit eigener Küche belegt werden. Bislang sind erstere Zimmer beliebter als diejenigen mit der eigenen Küche, erzählt Hauf. Die Mieter sind nicht dazu verpflichtet, sich in der Pflege oder Betreuung der Senioren zu engagieren. Dafür besteht die Möglichkeit Praktika, ehrenamtlichen Tätigkeiten oder bezahlten Nebenbeschäftigungen im Seniorenheim nachzugehen.
Kontakte zwischen Senioren und Studierenden
Kontakt zu den jungen Menschen bestehe, wie Hauf mitteilt. Dennoch seien keine Aktionen geplant, um Senioren und Studierende gezielt zusammenzubringen. "Wir laden immer gerne ein, aber das ist natürlich eine Frage der zeitlichen Komponente und auch des Aufwandes, den sie für ihr Studium haben", erklärt Hauf. Insbesondere während der Wintermonate würden sich die Tagesabläufe der Bewohnergruppen stark unterscheiden. "Das wird sich jetzt eher zu den Sommermonaten zeigen, wie häufig die Bewohnergruppen sich begegnen", so Hauf.
Eine Studentin, die im Altenheim wohnt und die Senioren regelmäßig trifft, ist Mara. Neben ihrem Masterstudium der Erziehungswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz engagiert sich die 25-Jährige im Sozialdienst des Seniorenzentrums. Dabei widmet sie sich in erster Linie der Einzelbetreuung und dem Austausch mit den Senioren. Aber nicht nur das: Gemeinsam mit den Fachkräften organisiert sie auch Gruppenaktivitäten wie "Musikangebote, Spielenachmittage oder Rätselstunden", wie sie erzählt.
Wohnprojekt als Antwort auf erfolglose WG-Suche
Auch Ayatullah, der derzeit seinen Bachelor in Sozialwissenschaften, Migration und Integration an der Mainzer Hochschule absolviert, bewohnt seit Beginn des Wintersemesters eines der freien Zimmer. Das Wohnprojekt kam Ayatullah und Mara gerade recht: Denn beide Studierenden waren zuvor auf erfolgloser Suche nach einem passenden WG-Zimmer.
"Ich fand das ziemlich interessant, dass man als Student hier im Altersheim wohnen kann", erzählt Ayatullah. Insbesondere die "Kombination aus Alt und Jung" habe ihn neugierig gemacht. Sein Umfeld reagiere größtenteils mit Neugier auf die außergewöhnliche Wohnsituation. "Wenn ich in der Uni erzähle, dass ich im Altersheim wohne, finden das alle lustig und wollen mich unbedingt besuchen. Die kennen das gar nicht."
Die anfänglichen Bedenken von Ayatullah haben sich nicht bestätigt. "Ich dachte mir: Wenn ich hier wohne, kann ich nicht laut sein. Hauspartys kann ich sowieso vergessen", erinnert er sich. Doch die Realität sieht anders aus: "Wir haben hier viel Platz. Die Küche ist groß, wir haben ein Wohnzimmer und jedes Zimmer hat ein eigenes Badezimmer." Der Student erzählt, er habe oft Kommilitonen zu gemeinsamen Sushi-Abenden oder zum Musikhören eingeladen. "Es gab nie Beschwerden darüber, dass wir zu laut waren."
Mara hat kürzlich ihren Geburtstag im Gemeinschaftsraum der Wohngruppe gefeiert. Nach vorheriger Ankündigung bei der Heimleitung habe das kein Problem dargestellt, erzählt sie.
Perfekte Kombination aus WG-Leben und alleine Leben
Das Studentenleben im Seniorenheim genießen beide in vollen Zügen. Für Ayatullah ist es die ideale Verbindung von WG-Leben und einem ruhigen Rückzugsort. "Hier habe ich meine Ruhe, hier kann ich mich zurückziehen. Aber wenn ich eher Lust auf das WG-Leben habe, kann ich rausgehen und etwas mit meinen Mitbewohnern unternehmen." Anfangs habe sich das WG-Leben noch nicht vollständig eingespielt, erzählt Mara. Alle seien beschäftigt gewesen, und man habe sich selten gesehen. Doch inzwischen habe sich einiges geändert und gemeinsames Kochen und Fernsehen gehören dazu.
Heimleiterin Michaela Hauf steht derzeit im regen Austausch mit den Studierenden, um ihren Wünschen in der Wohnraumgestaltung gerecht zu werden. Dazu gehören beispielsweise Anfragen nach zusätzlichen Fahrradstellplätzen oder der Wunsch nach mehr Platz im Tiefkühlfach. Sie bemühe sich, diesen Wünschen nachzukommen, auch wenn die Umsetzung mitunter etwas länger dauern könne. "Das ist auch logisch, ich plane für drei Wohnbereiche und ein gesamtes Haus", erklärt Hauf. Die Studierenden zeigten jedoch Verständnis. "Sie haben Geduld und wir schauen, was wir machen können."
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Inklusive Wohnprojekte in sozialen Einrichtungen
Wohnprojekte in sozialen Einrichtungen sind keine Seltenheit: Ein ähnliches Projekt namens "Leben in Gemeinschaft" besteht bereits seit 2015 im Mainzer Stadtteil Gonsenheim. Hier leben Menschen mit Behinderung, Senioren und Studierende gemeinsam unter einem Dach und formen eine lebendige Gemeinschaft. Studierende, die sich für die Gemeinschaft engagieren, können dort kostengünstig wohnen.
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