Nach dem Sturz von Assad in Syrien wird darüber diskutiert: Welche Folgen hätte es, wenn jetzt ganz viele Syrer Deutschland schnell verlassen? Wir haben uns in der Pfalz umgehört.
"Die Lücke wäre kaum zu schließen." Das ist der zentrale Satz in der E-Mail der Pressesprecherin der Arbeitsagentur in Landau auf die Frage, welche Folgen es für Firmen oder Krankenhäuser in der Pfalz hätte, wenn plötzlich alle Syrerinnen und Syrer der Vorder- und Südpfalz den Rücken kehrten. Denn dann würde die regionale Wirtschaft nicht nur einfache Arbeiter verlieren, sondern viele Fachkräfte.
"Mehr als die Hälfte der Beschäftigten mit syrischer Staatsangehörigkeit sind inzwischen als Fachkraft oder als Experte/Spezialist beschäftigt, haben also eine berufliche Ausbildung bzw. einen Studienabschluss", schreibt die Sprecherin der Arbeitsagentur. Viele Arbeitgeber in der Region hätten die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt mit großem Engagement vorangetrieben und auch einiges dafür investiert, heißt es weiter.
Nach Angaben der Arbeitsagentur gibt es derzeit 2237 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mit einem syrischen Pass in der Vorder- und Südpfalz. Der Großteil arbeitet im Handel sowie im Gesundheits- und Sozialwesen - nämlich fast 800 Beschäftigte. Nicht mitgezählt hat die Arbeitsagentur die Syrerinnen und Syrer, die mittlerweile einen deutschen Pass haben, denn die werden in der Statistik der Arbeitsagentur als Deutsche geführt.
Syrer gefragt wegen Fachkräftemangels
Aber auch ohne diese Beschäftigen stellt die Sprecherin der Arbeitsagentur in Landau für die Vorder- und Südpfalz fest, wie wichtig die Menschen mit syrischen Wurzeln für den regionalen Arbeitsmarkt sind und was es heißen würde, wenn sich ein Großteil aus Deutschland verabschiedete: "Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels in verschiedenen Branchen, wie beispielsweise im Gesundheits- und Pflegebereich, würde das die Arbeitgeber vor eine große Herausforderungen stellen, denn die Lücke wäre kaum zu schließen."
Auch in den Krankenhäusern in der Vorder- und Südpfalz sind Mitarbeitende mit syrischen Wurzeln wichtig. Eine Sprecherin des Klinikums in Ludwigshafen schreibt auf SWR-Anfrage, dass dort aktuell 21 Menschen arbeiten, die aus Syrien stammen: "Jede und jeden dieser hochqualifizierten Mitarbeitenden würden wir durch einen Weggang stark vermissen. Wir sind zwingend auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen und immer darum bemüht, diese für unsere Einrichtung zu gewinnen", heißt es weiter.
Noch ist unklar, wer sich für eine Rückkehr entscheidet
Etwas entspannter ist man offenbar im St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen. Dort sind nach Angaben einer Sprecherin 18 in Syrien geborene Mitarbeitende beschäftigt. Vier seien Mediziner, acht Auszubildende in der Pflege und sechs arbeiten im Pflege- und Funktionsdienst.
"Wer und wie viele sich für eine Rückkehr entscheiden würden oder werden ist uns nicht bekannt", schreibt die Sprecherin. Ein leitender Mediziner habe gesagt, er plane keine Rückkehr. So wie er, fühlten sicher auch andere Mitarbeitende.
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In Krankenhäusern würden Fachkräfte fehlen
Eigene Auszubildende würden sehr gerne übernommen. Dennoch entschieden sich immer wieder Auszubildende nach dem Examen woanders zu arbeiten. Zu einem möglichen Weggang der syrischen Arbeitskräfte schreibt die Sprecherin des St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen: "Natürlich werden wir unsere Mitarbeitenden sehr vermissen, aber sonst erwarten wir keine gravierenden Auswirkungen. Es kommt ja immer vor, dass Mitarbeitende ihre Arbeitsstelle aus den verschiedensten Gründen verlassen."
Statistisches Landesamt: Viele Syrerinnen und Syrer hochqualifiziert
Bezogen auf ganz Rheinland-Pfalz spielen syrisch stämmige Beschäftigte eine große Rolle. Das Statistische Landesamt in Bad Ems schreibt in einer Mitteilung: "Viele Syrerinnen und Syrer sind hochqualifiziert und leisten beispielsweise im rheinland-pfälzischen Gesundheitssystem einen essentiellen Beitrag zur Daseinsvorsorge."
Viele Ärzte, Zahnärzte und Apotheker aus Syrien
Zwischen 2015 und 2023 seien rund 380 positiv beschiedene Anerkennungen zur Ärztin bzw. zum Arzt, 190 zur Zahnärztin bzw. zum Zahnarzt und 110 zur Apothekerin bzw. zum Apotheker auf eingewanderte syrische Bürgerinnen und Bürger zurück gegangen.
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Nach dem Sturz von Assad blicken auch viele Syrer, die in der Pfalz leben, mit gemischten Gefühlen auf die aktuelle Lage in Syrien. Denn die Zukunft ist ungewiss, sagen sie.
Unter dem Strich tragen die in Human- und Zahnmedizin sowie Pharmazie qualifizierten Syrerinnen und Syrer etwa fünf bis elf Prozent aller neu verfügbaren Fachkräfte in den jeweiligen Referenzberufen bei, so das Statistische Landesamt.
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Zurück in die Vorder- und Südpfalz: Wie viele Syerinnen und Syrer sind eigentlich derzeit arbeitslos? Laut Arbeitsagentur sind es zurzeit 920 im Bezirk Ludwigshafen und 734 im Bezirk Landau. Das heißt: Der Anteil der Menschen mit syrischem Pass an den Arbeitslosen liegt bei 5,9 Prozent im Bezirk Ludwigshafen und 5,6 Prozent in Landau.
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