Das Landgericht Landau steht vor einem schwierigen Urteil: Im Prozess um die tödliche Messerattacke auf einen 17-Jährigen geht der Staatsanwalt von Totschlag aus, die Verteidiger von Notwehr.
In einem Punkt waren sich am Donnerstagvormittag eigentlich alle vor dem Landgericht Landau einig. Im Prozess um die tödliche Messerattacke auf einen 17-Jährigen in Weingarten (Kreis Germersheim) waren es vor allem die jungen Zeugen, die die Suche nach der Wahrheit erschwert haben. "Die sogenannten Freunde des Opfers haben hier vor Gericht einige Pirouetten gedreht, was zu unschönen Szenen geführt hat", sagte Oberstaatsanwalt Thomas Spielbauer. "Hier ist gelogen worden, dass sich die Balken biegen", sagte Verteidiger Alexander Klein.
Staatsanwalt: "Sinnloser Tod des 17-Jährigen"
In ihrer Bewertung des Falls liegen Staatsanwalt und Verteidiger allerdings weit auseinander. Im Prozess um die tödliche Messerattacke nach einer Grillparty in Weingarten haben sie und die Nebenklage am Donnerstag die Plädoyers gehalten. Damit steht der Prozess kurz vor dem Abschluss.
Zuerst hatte der Staatsanwalt das Wort: der Tod des 17-Jährigen sei sinnlos und schrecklich. Der Abend an der Grillhütte im Juli 2023 habe ein bitteres Ende genommen. Der 21-jährige Angeklagte aus Lingenfeld habe an dem Abend eine aggressive Grundstimmung gehabt. Die sechs bis sieben Dosen Whiskey-Cola-Mischung hätten ihn enthemmt.
Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe von fünf Jahren
Vor der tödlichen Messerattacke hatten das spätere Opfer und der mutmaßliche Täter vor Ort schon einen Streit. Dabei hatte der Angeklagte sein Handy verloren. "Er wollte unbedingt sein Handy wieder bekommen, das war das Thema des Abends", so der Landauer Staatsanwalt. Auch deswegen sei der 21-Jährige später zur Grillhütte zurückgekehrt. Auf Rache sei er nicht aus gewesen, sagt der Staatsanwalt und nimmt damit eine Vermutung aus der Anklageschrift zurück.
Als er das Handy nicht vor Ort wiedergefunden hatte, soll der Angeklagte zu seinem Auto zurückgegangen und eingeschlafen sein. Der 21-Jährige gab im Prozess an, aus Angst ausgestiegen zu sein, als das spätere Opfer mit Freunden ins Auto hinein geleuchtet hatte. Doch das nimmt ihm Oberstaatsanwalt Spielbauer nicht ab. "Der Angeklagte ist eher aus Wut, Enttäuschung und Demütigung ausgestiegen." Er habe sich in diese Gefahrensituation begeben, um "etwas zu erreichen".
Zwar habe das spätere Opfer den 21-Jährigen vor dem tödlichen Messerstich eine Ohrfeige verpasst - doch damit habe der 17-jährige die Situation beenden wollen, weiteres habe er nicht vorgehabt.
Rechtsmedizinerin sagt aus Weingarten-Prozess: Auf das Opfer wurde "mit nicht unerheblicher Wucht" eingestochen
Im Prozess um den Tod eines 17-Jährigen, der nach einer Grillparty bei Weingarten (Kreis Germersheim) erstochen wurde, hat am Dienstag eine Rechtsmedizinerin ihre Einschätzung zum Fall gegeben.
Für den Angeklagten fordert der Staatsanwalt fünf Jahre Haft wegen Totschlags in minder schwerem Fall. Er soll nach Jugendstrafrecht bestraft werden. Faktoren, die die Schuld vermindern, sind laut Staatsanwalt der Alkohol, das geringe Selbstwertgefühl des Angeklagten, und dass er keine Vorstrafen und bereits eine lange Zeit in Untersuchungshaft gesessen habe.
Nebenklage: "Der Angeklagte war der böse Wolf"
Auch an jedem Prozesstag dabei sind die Mutter und der Bruder des 17-jährigen Opfers als Nebenkläger. Ihre Anwältin Eva Lütz-Binder plädiert nach dem Staatsanwalt. Auch sie spricht davon, dass der Messerstich eine "vorsätzliche Tötungshandlung" war: "Der Angeklagte wollte das Opfer angreifen".
Im Prozess wurde auch über den Charakter des Opfers der tödlichen Messerattacke gesprochen. Er soll häufiger in Schlägereien verwickelt gewesen sein. Dazu sagt die Anwältin seiner Mutter: "Er war sicher nicht das Rotkäppchen, aber der Angeklagte war der böse Wolf." Weder war das Opfer beim ersten Zusammentreffen am Abend auf Stress aus, noch am Auto.
Emotionaler Ausbruch der Mutter des Opfers
Nachdem ihre Anwältin geredet hat, bricht es aus der Mutter des getöteten 17-Jährigen raus. Sie weint und schreit im Gerichtssaal den Angeklagten an. Der Vorsitzende Richter vom Landgericht sagt: "Das tolerieren wir hier nicht."
Verteidiger: "Das war Notwehr"
Als letztes halten die beiden Verteidiger des 21-jährigen Angeklagten aus Lingenfeld ihre Schlussreden. Anwalt Alexander Klein macht deutlich, dass er Teile des psychiatrischen Gutachtens für unbrauchbar hält. Später warnt er das Gericht vor einem "Fehlurteil".
Dem Verteidiger zufolge war seinem Mandanten nichts anderes übrig geblieben, als das 17-jährige Opfer mit dem Messer zu attackieren. "Das war ein Schläger. Die Ohrfeige, die er dem Angeklagten kurz vor dem Messerstich verpasst hätte, war das Zeichen, dass es jetzt losgeht." Weiter sagt Klein: "Der Messerstich nach der Ohrfeige ist als Notwehr zu verstehen." Angehörige des mutmaßlichen Täters auf der Zuschauerbank nicken zustimmend.
Warum der Angeklagte sein Messer genutzt hat? Dazu der Verteidiger: "Er musste so handeln, um den Kampf sicher zu beenden". Klein und der zweite Verteidiger fordern Freispruch und die Aufhebung des Haftbefehls.
Am Freitag soll das Urteil fallen.
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