Nach der wochenlangen Diskussion um zu viele Sitzenbleiber an Ludwigshafener Grundschulen, will die Stadt jetzt mit sogenannten Familienzentren an Brennpunktschulen Abhilfe schaffen.
"Die Hütte brennt. Man muss jetzt schnell und effizient was tun!" So deutlich wird die sonst sehr um Diplomatie bemühte Schuldezernentin Cornelia Reifenberg (CDU) selten. Hintergrund ist, dass fast 200 Erstklässler an den Ludwigshafener Grundschulen dieses Jahr womöglich nicht versetzt werden und die erste Klasse wiederholen müssen. Das sind fast zehn Prozent aller Erstklässler in Ludwigshafen.
Aufgekommen war das Thema erstmals im April, als klar wurde, dass an der Gräfenau-Schule im Ludwigshafener Stadtteil Hemshof voraussichtlich 40 Schülerinnen und Schüler das erste Jahr wiederholen müssen.
Trotzdem müsse der Antrag der SPD, Familienhilfezentren an Brennpunktschulen einzurichten, noch ein paar Hürden nehmen, bevor er realisiert werden kann, so Reifenberg. Wichtigster Punkt, der noch zu klären ist: die Finanzierung.
Stadt will keinen neuen Stress mit der ADD
Der Ludwigshafener Haushalt ist gerade erst von der ADD in Trier genehmigt worden, da könne man jetzt nicht nochmal schnell 30.000 Euro für das Schuljahr 2023 und weitere 70.000 für das Schuljahr 2024 einplanen - sonst drohe wieder Stress mit der Aufsichtsbehörde. Cornelia Reifenberg ist sich aber sicher, dass die Stadtverwaltung Gelder "umschichten" könne und so Mittel für die Familienhilfezentren freigeschaufelt bekomme - aber dies gelte es jetzt erst einmal abzuklären.
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Familienhilfezentren in unterschiedlichen Stadtteilen
Die meisten Stadtratsfraktionen stimmten der Schuldezernentin in diesem Punkt zu. Die Finanzierung müsse geklärt werden. Strittig ist noch: Wo sollen diese "Familiengrundschulzentren", wie sie offiziell heißen, überhaupt entstehen?
Die SPD-Stadtratsfraktion hatte neben der Gräfenauschule, die Bliesschule und die Goetheschule als Standorte vorgeschlagen. Damit hätten allein im Hemshof im Stadtteil Nord zwei Zentren ihre Heimat. Die anderen Fraktionen wünschten sich jedoch eine bessere Verteilung auf mehrere Stadtteile in der Innenstadt.
Familiengrundschulzentren: Konzept aus NRW
Ludwigshafen würde mit den Familiengrundschulzentren absolutes Neuland in Rheinland-Pfalz betreten. Solche Zentren gibt es in Deutschland bisher nur in Nordrhein-Westfalen. Der Sinn der Einrichtungen: Vor allem Eltern mit Migrationshintergrund oder bildungsferne Familien sollen stärker in die Verantwortung für den schulischen Erfolg ihrer Kinder genommen werden. Dafür müssten an solchen Zentren auch viele Übersetzer arbeiten, die die Eltern in ihrer Heimatsprache direkt ansprechen können.
Generell würden die Schulen mit Mitarbeitern vom Jugendamt und von freien sozialen Trägern unter einem Dach arbeiten. In Frage kämen daher nur Schulen, an denen bereits Schulsozialarbeiter tätig sind. Ihnen käme eine bedeutende Vermittler-Rolle in den Zentren zu.
Wichtigstes Ziel: Dass weniger Kinder den Unterricht schwänzen
Das Ziel der Zentren ist klar: Die Zahl der Kinder, die sehr oft dem Unterricht fern bleiben, weil für die Eltern der Schulbesuch nicht so wichtig ist, müsse stark reduziert werden. Und Eltern müsse die Bedeutung von Bildung deutlich klar gemacht werden, so die Antragssteller bei der SPD. Eltern sollen dann ihre Kinder ermuntern, am Thema Schule dran zu bleiben.
Die Familiengrundschulzentren könnten aber auch ein echter Ort der Begegnung werden für Eltern, Kinder und Lehrer.
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Eines wollte die Schuldezernentin Cornelia Reifenberg in diesem Zusammenhang betonen: Als Stadt könne man nicht den Lehrermangel auffangen. Das sei klare Aufgabe des Landes. Dennoch: Wenn das Land die Bildung solcher Zentren schon fördere, dann müsse man die Chance auch ergreifen.
Familiengrundschulzentren: Projekt für das kommende Schuljahr
Dem SPD-Antrag wurde dann als "Vorratsbeschluss" - also unter Vorbehalt - vom Jugendhilfeausschuss zugestimmt. Auch deswegen, weil die Stadt anstrebt, bereits im kommenden Schuljahr 2023/2024 mit der Entwicklung der Zentren zu beginnen.
Klar ist jedoch, laut Reifenberg, dass für diese Entwicklung alle Beteiligten an einen Tisch müssen: Schulleiter, Jugendamtsmitarbeiter, freie Träger und Mitarbeiter des Bildungsministeriums. Nur so würde aus den Familienzentren auch eine "runde Sache".
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