Der in Germersheim in der Südpfalz entflohene verurteilte Mörder ist weiter auf der Flucht. Laut Staatsanwaltschaft im badischen Pforzheim wird weiter im Ausland nach ihm gesucht.
Inzwischen seien etwa 60 Hinweise zum möglichen Aufenthaltsort des Geflohenen eingegangen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Es seien neue Spuren dabei, denen die Ermittler nun nachgingen. Der 43-jährige war vor rund drei Wochen am 30. Oktober bei einem bewachten Ausflug an einem Baggersee in Germersheim-Sondernheim davongelaufen.
Die Staatsanwaltschaft Pforzheim führt die Ermittlungen, weil der verurteilte Deutsch-Kasache enge Beziehungen zu Baden-Württemberg hatte. So soll er vor seiner Haft in Pforzheim gelebt haben. Verantwortlich für die Großfahndung ist mittlerweile das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart, das die zuständige Ermittlungsgruppe beim Polizeipräsidium Pforzheim unterstützt.
Straftäter hatte sich wohl über Haftbedingungen beschwert
Vor zehn Tagen war plötzlich ein Brief aufgetaucht, der angeblich von dem flüchtigen Mörder stammt und verschiedenen Zeitungen vorlag. Darin soll er sich bei einen Ex-Mithäftling über die Haftbedingungen in der JVA Bruchsal (Kreis Karlsruhe) beschwert haben. Auch von angeblichen Misshandlungen dort soll die Rede sein. Außerdem hat der geflohene Täter in dem Brief darüber geklagt, dass das Nichtraucherschutzgesetz im Gefängnis "in keinster Weise eingehalten und umgesetzt" werde. Auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hatte von dem Brief Kenntnis genommen und prüfte, ob sich daraus Hinweise ableiten lassen.
Fußfessel in Germersheim mit Werkzeug geknackt
Der Flüchtige hatte sich bei seiner Flucht in Germersheim offenbar selbst mit einem Werkzeug seiner Fußfessel entledigt. Das gab die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) Anfang November im Landtag bekannt. Zur Frage, wie der Strafgefangene an das Werkzeug gekommen ist und ob ihm möglicherweise jemand geholfen hatte, sagte die Ministerin nichts.
Trotz einer großen Suchaktion konnte die Polizei ihn bis heute nicht fassen. Es werde in alle Richtungen ermittelt, hatte eine Sprecherin des Landeskriminalamts eine Woche nach seiner Flucht gesagt. Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg erklärte bereits damals, dass die Ermittler mehreren Hinweisen und Zeugenaussagen nachgehen. Zudem werde auch verdeckt ermittelt.
Einzelheiten zur Flucht in Germersheim
Der 43-jährige Strafgefangene war nach Angaben der Staatsanwaltschaft Pforzheim Ende Oktober mit zwei Beamten der Justizvollzugsanstalt an einem Baggersee in Germersheim-Sondernheim unterwegs, als er gegen 13 Uhr davonlief. Er sei in ein angrenzendes Waldstück geflüchtet. Dabei trug er laut Polizei eine elektronische Fußfessel, die aber kurz danach laut Staatsanwaltschaft im Stadtgebiet von Germersheim gefunden worden war.
Gefangener sollte Frau und Kinder treffen
Wie der Leiter des Bruchsaler Gefängnisses mitteilte, sollte der geflohene Mörder an dem Sonderheimer Baggersee, Sollachsee genannt, seine Ehefrau und die gemeinsamen zwei minderjährigen Kinder treffen. Der Spaziergang am See sei kein Freigang gewesen und auch keine Maßnahme, um den Gefangenen auf eine mögliche Entlassung in naher Zukunft vorzubereiten.
Entflohener Mörder aus JVA Bruchsal JVA Bruchsal: Darum war der verurteilte Mörder in Germersheim in Rheinland-Pfalz
Der Mörder, der seit Tagen vor der Polizei auf der Flucht ist, verbüßt im Gefängnis in Bruchsal eigentlich eine lebenslange Haftstrafe. Der Anstaltsleiter hat nun mit dem SWR gesprochen.
Der Ausflug zum See war laut Anstaltsleiter eine sogenannte vollzugsöffnende Maßnahme im Sinne des Justizvollzugsgesetzes Baden-Württemberg. Dies bedeutet, dass ein Gefangener für eine bestimmte Tageszeit die JVA unter Aufsicht von Vollzugsbeamten verlassen darf. Für den Mörder war der Ausflug am Montag die achte Ausführung seit Oktober 2019. Alle anderen, bei denen je zwei oder drei Vollzugsbeamte dabei waren, verliefen bis dahin ohne Zwischenfälle.
Polizei Rheinland-Pfalz war über Ausflug informiert
Dass der Geflohene für seine Ausführung nach Germersheim kommen würde, war den rheinland-pfälzischen Behörden bekannt, bestätigte das Innenministerium in Mainz auf SWR-Anfrage. Die örtlichen Polizeistellen seien in solchen Fällen immer informiert. Man treffe dann aber grundsätzlich keine weiteren Maßnahmen.
Haftstrafe wegen Mordes
Der geflohene Straftäter verbüßt im baden-württembergischen Bruchsal eigentlich eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes an einem Mann. Dazu hatte ihn das Landgericht Karlsruhe 2012 verurteilt. Für das Gericht stand fest, dass der damals 32-Jährige sein Opfer aus Pforzheim am 7. Januar 2011 nach Gotha in Thüringen gelockt, gefesselt und geschlagen hatte.
Danach fuhren er und eine Mitangeklagte mit dem verletzten 44-jährigen Mann in die Südpfalz. Der jetzt Geflohene erwürgte ihn laut Urteil dort mit einem Gurt. Mit der Leiche fuhren die beiden Täter anschließend ins Elsass und versteckten sie bei Lauterbourg in einem Gebüsch. Die Mitangeklagte aus Gotha erhielt wegen schwerer Körperverletzung, Erpressung und Raubes eine Freiheitsstrafe von neun Jahren.
Zuvor war er wegen Totschlags inhaftiert
Wie die Ermittlungsbehörde inzwischen bestätigte, hatte der Mann aber zuvor schon einmal einen Menschen umgebracht und saß deshalb wegen Totschlags bereits von 2003 bis 2008 in einem Gefängnis. Davon hatte zuerst die Bild-Zeitung berichtet.
FDP forderte Aufklärung von baden-württembergischer Landesregierung
Die FDP unter Leitung des Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke hatte die Flucht des Mannes auch im baden-württembergischen Landtag zum Thema gemacht. Die Partei forderte eine umfassende und sofortige Aufklärung von der grün-schwarzen Landesregierung und Justizministerin Marion Gentges (CDU) unter anderem bei den Fragen, wie es zur Flucht kommen konnte und wie sich der Häftlinge so schnell seiner elektronischen Fußfessel entledigen konnte.
Keine konkrete Gefährdung der Bevölkerung
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Pforzheim hatte einen Tag nach der Flucht gesagt, dass es keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung der Bevölkerung gebe. Deswegen sei man mit der Fahndung auch erst nach einem Tag an die Öffentlichkeit gegangen. Man habe zunächst keine möglichen Fluchthelfer durch eine Öffentlichkeitsfahndung aufschrecken wollen.
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