Die Zahl der geflüchteten, asylsuchenden Menschen, die die Kommunen in der Pfalz unterbringen müssen, steigt ständig. Eine Bestandsaufnahme, wie es aktuell in den Städten aussieht.
Geflüchtete Menschen gut unterzubringen, zu begleiten und zu integrieren. Das haben sich die kreisfreien Städte Ludwigshafen, Neustadt, Speyer, Landau und Frankenthal zum Ziel gesetzt. Doch inzwischen stoßen alle einfach zahlenmäßig und finanziell an ihre Grenzen.
Ludwigshafen: Keine freien Flüchtingsunterkünfte mehr
"Es gibt keine freien regulären Unterkünfte mehr", so die Stadt Ludwigshafen auf SWR-Anfrage. Die Stadt greife deshalb seit März diesen Jahres auf Hallen als Notunterkünfte zurück. Die Halle in der Wattstraße werde seit März 2023 belegt, in der Wollstraße gebe es zwei Hallen, die erste sei seit August 2023 belegt, die zweite Halle werde derzeit vorbereitet. Darüber hinaus gebe es noch vier weitere Sammelunterkünfte im Stadtgebiet.
In Ludwigshafen sind der Stadtverwaltung zufolge aktuell 1.531 Menschen untergebracht, 581 von ihnen leben in Gemeinschaftsunterkünften und 950 in städtischen oder privat angemieteten Wohnungen. Von diesen Menschen besitzen bereits 962 eine Aufenthaltserlaubnis, was bedeute, dass sie nicht mehr in einer städtischen Unterkunft leben müssten, sondern stattdessen ganz normal zur Miete in einer Privatwohnung wohnen könnten.
Brandbrief ans Land Pfälzer Bürgermeister fordern: Sofort Aufnahmestopp für Flüchtlinge
Die Bürgermeister im Rhein-Pfalz-Kreis haben in einem Brief an das Integrationsministerium gefordert, dass das Land ihren Gemeinden ab sofort keine Flüchtlinge mehr zuweist.
OB Steinruck ist "sehr besorgt"
Nach dem sprunghaften Anstieg der Zuweisungen durch das Land Rheinland-Pfalz in den Jahren 2015 und 2016, in denen rund 2.500 Flüchtlinge nach Ludwigshafen kamen, habe es nochmals einen starken Anstieg im vergangenen Jahr gegeben mit rund 1.160 Menschen, davon rund 830 Flüchtlinge aus der Ukraine. In diesem Jahr seien es, Stand Ende September, rund 600 weitere Asylsuchende, so die Stadtverwaltung.
Aktuell kommen demnach 20 bis 30 Menschen pro Woche nach Ludwigshafen. Und das Land habe mitgeteilt, dass diese Zahl weiter steigen werde. Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin sagt zur aktuellen Lage: "Ich bin sehr besorgt angesichts der aktuellen Entwicklung (...). Die Unterbringungsmöglichkeiten in Ludwigshafen sind im Grunde erschöpft. Das heißt, wir arbeiten derzeit an Notlösungen."
Ludwigshafen: Populismus auf dem Vormarsch
Mit der Unterbringung alleine sei es aber nicht getan, so Steinruck. Es gehe beispielsweise auch um die Themen Kita, Bildung, Integration und um vieles mehr, was die Kommunen zusätzlich leisten müssten. "Gleichzeitig erleben wir, dass populistische Kräfte diese schwierige Lage für ihre Zwecke nutzen und instrumentalisieren. Ich halte es daher für absolut geboten, dass Bund und Land uns Kommunen in dieser schwierigen Situation mit allen Mitteln zur Seite stehen." Dazu gehöre auch, dass Bund und Land die Kosten für die Unterbringung der geflüchteten Menschen komplett übernehmen.
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Oberbürgermeister Weigel: Erfolgreiche Integration gefährdet
Auch Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel (FWG) sieht nicht nur in der Unterbringung und Versorgung der geflüchteten Menschen ein großes Problem. Es gehe auch um die Rahmenbedingungen, damit eine Integration gelingen könne. Dazu gehören ausreichend Plätze in den Kitas und Schulen sowie für Sprachkurse, so Weigel und weiter: "Denn wenn die Integration nicht gelingt, dann werden die gesellschaftlichen Folgekosten in ein paar Jahren deutlich höher sein als die jetzt vom Land dafür benötigten Mittel. Die Kommunen dürfen damit nicht alleine gelassen werden", fordert der Neustadter Oberbürgermeister.
Neustadt: fast 2.000 Geflüchtete leben in Neustadt
Aktuell leben 1.252 Geflüchtete plus 589 Menschen, die aus der Ukraine vertrieben wurden, in Neustadt, teilt die Stadtverwaltung auf SWR-Anfrage mit. Davon seien 666 Menschen in städtischen Unterkünften untergebracht, die Mehrzahl in den sieben Gemeinschaftsunterkünften, 90 Menschen in Wohnungen, die die Stadt angemietet habe.
Unterkünfte innerhalb von 1,5 Jahren verdoppelt
In den vergangenen anderthalb Jahren habe die Stadt ihre Kapazitäten zur Unterbringung geflüchteter Menschen verdoppelt. Auch in den vergangenen Monaten seien Unterkünfte erweitert worden, wie die Gemeinschaftsunterkunft Mandelring. Deshalb verfüge Neustadt aktuell noch über freie Plätze, so die Stadtverwaltung.
Trotzdem rechnet Neustadt bis zum Jahresende mit einem Engpass. "Daher arbeitet die Stadtverwaltung weiterhin mit Hochdruck an der Schaffung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten." Die Stadt schöpft dabei alle Möglichkeiten aus: Angefangen von zusätzlichen Mietcontainern an einer bestehenden Sammelunterkunft in der Europastraße über die Anmietung weiterer Wohnungen bis hin zu einem Notfallplan, bei dem die Flüchtlinge in Festhallen untergebracht werden könnten.
Zahl der Geflüchteten sprunghaft angestiegen
In diesem Jahr wurden der Stadt nach eigenen Angaben bis Ende September 141 Asylbewerber zugewiesen. Im September seien die Zuweisungen allerdings sprunghaft angestiegen: Kamen bisher durchschnittlich 15 Personen pro Monat, so waren es im September 33. Die Zahl der Zuweisungen der Geflüchteten steige weiter. Dabei sei keine Aussage darüber möglich, wie viele Menschen aus der Ukraine nach Neustadt flüchten, weil das nicht zentral erfasst werde.
Neustadt muss nun auch mehr Minderjährige aufnehmen
Neu sei die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen (UMA). Diese Aufgabe sei bisher zentral von Schwerpunktjugendämtern in Rheinland-Pfalz wahrgenommen worden. Das für Neustadt zuständige Schwerpunktjugendamt in Trier habe aber Anfang September 2023 angekündigt, diese Aufgabe für mehrere Vorderpfälzer Kommunen aufgrund der Vielzahl der neu ankommenden minderjährigen Flüchtlinge nicht mehr übernehmen zu können. Diese würden daher nun ebenfalls anhand eines Verteilschlüssels zusätzlich direkt auf die betroffenen Kommunen verteilt.
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Speyer würde gerne weiter auf Container verzichten
In Speyer sind nach Auskunft der Stadtverwaltung aktuell etwa 400 Menschen in verschiedenen dezentralen Unterkünften untergebracht. "Die Lage ist aber sehr dynamisch, da der Stadt mal mehr, mal weniger Geflüchtete zugewiesen werden, weshalb eine exakte, konstante Bezifferung nicht vorgenommen werden kann", so die Stadt auf SWR-Anfrage.
Es gebe noch vereinzelt freie Wohnungen in Speyer. Da deren Anzahl sich aber fast täglich durch neue Zuweisungen des Landes ändere, lasse sich keine genaue Zahl mitteilen, so die Stadt. Aktuell weise das Land der Stadt drei geflüchtete Menschen pro Woche zu. Allerdings solle sich die Anzahl nun verdoppeln. Die Stadtverwaltung arbeite aktuell daran, auch diese Menschen möglichst dezentral in Wohnungen unterzubringen, statt in Containern.
OB Seiler fordert: Erstaufnahmekapazitäten ausbauen
Die Stadt Speyer stehe weiter in engem Kontakt mit Land und Bund und halte an den Forderungen fest, die vor der Sommerpause in einem interkommunalen Schreiben der kreisfreien Städte und Landkreise in der Pfalz am 3. Juli an die Ministerpräsidentin dargelegt wurden, so die Oberbürgermeisterin von Speyer, Stefanie Seiler (SPD). Bis heute habe es darauf bedauerlicherweise keine Antwort darauf gegeben. "An der Lage hat sich nichts geändert, sondern sie ist im Gegenteil umso prekärer, wenn die Zahlen der zugewiesenen geflüchteten Menschen steigen. Die Stadt Speyer appelliert daher an den Ausbau und die Vorhaltung von Erstaufnahmekapazitäten auf Bundesebene", so Seiler.
Landau: Containerunterkunft ist als Reserve gedacht
Auch die Stadt Landau bemüht sich nach eigenen Angaben, dass sie weiter ohne Containerunterkunft auskommen kann. In Landau seien aktuell rund 400 Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht. Wie viele Menschen aus anderen Staaten in städtischen Unterkünften wohnen, dazu nennt die Stadtverwaltung keine Zahlen.
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In diesem Jahr habe Landau bisher 108 ukrainische Geflüchtete und 118 Drittstaatsangehörige zugewiesen bekommen. Dabei zeichnet sich eine Tendenz ab: Im August 2023 seien es 15 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und zehn Menschen aus Drittstaaten gewesen, im September bereits 18 ukrainische Staatsangehörige und 26 Asylsuchende aus Drittstaaten. Allein in den kommenden zwei Wochen habe das Land rund 30 Neuankömmlinge angekündigt. Für die Zeit danach liegen noch keine Angaben vor, so die Stadtverwaltung.
Klar scheint aber: Die Stadt geht bisher davon aus, dass sie die geplanten Container in einem Gewerbegebiet nicht nutzen muss, um Geflüchtete unterzubringen. "Die Containerunterkunft auf dem Neuen Messplatz ist nur eine "Reserve“, das heißt sie käme nur dann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wären", schreibt die Stadt dazu. Landau arbeite aktuell an weiteren dezentralen und zentralen Unterbringungen. Die Stadt gehe davon aus, dass sie damit bis Ende des Jahres "safe“ ist.
OB Geißler: Mit der Unterfinanzierung muss Schluss sein
Auch der Landauer Oberbürgermeister Dominik Geißler (CDU) fordert von Bund und Land endlich genug Geld für die Unterbringung von Geflüchteten, statt bisher nur unzureichende Pauschalbeträge und er nennt auch ein konkretes Beispiel: "Bringen wir einen Asylbewerber in unserer Sammelunterkunft unter, kostet uns das 2.650 Euro im Monat. Vom Land erhalten wir 848 Euro. Das reißt – trotz zusätzlicher Integrationspauschale und einer Einmalzahlung vom Bund – ein großes Loch in unseren Haushalt."
Das Land weise den Kommunen Geflüchtete zu, finanziere deren Unterbringung nicht ausreichend und lege dann durch die Kommunalaufsicht ADD enge Kriterien für die städtischen Haushalte an. "Damit muss Schluss sein", fordert der Landauer Oberbürgermeister und weiter. "Finden wir keinen gemeinsamen Weg und keine guten Lösungen, dann stärkt das auch den rechten Rand – und das gilt es zu verhindern.“
Frankenthal: Unterkünfte bis zum Jahresende ausgeschöpft
In Frankenthal leben nach Angaben der Stadt aktuell knapp 600 geflüchtete Menschen in städtischen Unterkünften. Für knapp 80 Personen stehe noch Wohnraum zur Verfügung. Doch der werde wohl nicht reichen. Denn das Land habe Frankenthal bereits seit Juni mehr als doppelt so viele Menschen zugewiesen, als zunächst angekündigt. Demnach kamen bis September 62 Menschen nach Frankenthal. Und auch bis zum Jahresende habe das Land seine ursprüngliche Prognose von rund 80 Personen ab Oktober nochmals nach oben korrigiert, so die Stadtverwaltung. Auch Frankenthal geht deshalb davon aus, "dass die aktuell tatsächlich zur Verfügung stehenden Kapazitäten nicht bis zum Jahresende ausreichen werden." Die Stadt prüft deshalb aktuell Standorte für Sammelunterkünfte.
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