Geldsorgen, komplizierte Verwaltungsprozesse und unzufriedene Bürger überfordern viele Bürgermeister im Norden von Rheinland-Pfalz. Trotzdem stellen sich die meisten wieder zur Wahl.
Aus einer Umfrage des SWR im vergangenen Herbst ging hervor, dass viele rheinland-pfälzische Bürgermeister unzufrieden sind. Als Gründe nannten sie die stetig wachsenden Anforderungen an ihr Ehrenamt. Sie klagten über Bürokratie, die sich lähmend auf viele Projekte auswirke. Außerdem fehle oft Geld für Gemeindeprojekte - von der Wertschätzung für ihre ehrenamtliche Arbeit ganz zu Schweigen.
Auch im nördlichen Rheinland-Pfalz war der Frust deutlich spürbar. Von den 185 Bürgermeistern aus dem Norden des Landes, die an der Umfrage teilnahmen, war etwa jeder fünfte Teilnehmer damals noch unsicher, ob er noch einmal kandidieren wollte. Der SWR hat bei den unentschlossenen Bürgermeistern noch einmal nachgefragt.
Viele Bürgermeister machen weiter, weil es keinen Nachfolger gibt
Auch wenn sich ihre Situation nicht verbessert hat, wollen fast zwei Drittel von ihnen wieder antreten - meist weil es keinen Nachfolger gibt. Ortsbürgermeister wie Patrick George (CDU) aus Stahlhofen (Westerwaldkreis) wollen ihre Gemeinden nicht im Stich lassen - teils aus "Liebe zum Ort", teils aus "Plichtbewusstein."
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Zuspruch aus Gemeinde und Familie motiviert zum Weitermachen
Viele Bürgermeister erklärten zudem, dass sie angefangene Projekte gerne noch fertigstellen möchten. Außerdem hätten sie viel Zuspruch aus dem Gemeinderat oder von ihren Familien bekommen.
Auch die Sorge um das generelle politische Klima im Land treibt einige um. So wie Karl-Heinz Keßler (SPD) aus Weitefeld: "Ich wollte auch "anderen Kräften" im Ort nicht so einfach das Feld überlassen." In seiner Gemeinde gebe es noch einen weiteren Kandidaten, was den Bürgermeister freut. So hätten die Bürger eine echte Wahl und müssten nicht nur ja oder nein zu einem Kandidaten sagen.
Etwa jeder vierte Unentschlossene tritt nicht mehr zur Kommunalwahl an
Von den 35 Bürgermeistern, die auf die erneute Anfrage des SWR reagiert haben, gaben neun an, dass sie nicht noch einmal kandidieren möchten. Die meisten begründeten ihren Entschluss damit, dass sie schon lange im Amt seien und nun Platz für andere machen wollten.
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So äußerte sich auch Michael Dötsch. Für die "Wählervereinigung Für Kobern-Gondorf-Dreckenach" war er 15 Jahre lang Ortschef von Kobern-Gondorf. Er ist der Meinung, dass nun ein Wechsel stattfinden sollte: "Den Erfahrungswerten steht die Gefahr entgegen, zu sehr in eine Routine zu verfallen." Ein neuer Bürgermeister könne neue Schwerpunkte setzen, hofft Dötsch. Er selbst möchte aber weiter kommunalpolitisch aktiv sein, nur eben nicht mehr als Ortschef.
Auch zunehmend unsachliche Auseinandersetzungen treiben einige aus dem Amt, zum Beispiel eine Bürgermeisterin aus dem Kreis Cochem-Zell, die ihren Namen nicht genannt haben will. Sie sagt, sie sei mehrfach sehr unsachlich angegangen worden: "Ich nehme mir das alles zu sehr zu Herzen. Vielleicht sieht es irgendwann nochmal anders aus. Aber im Moment geht es nicht mehr."
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