Die Stadt Nassau und die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen, die mit Millionenbeträgen von Günter Leifheit gefördert wurden, stehen jetzt wegen neuer Enthüllungen unter Druck.
Günter Leifheit, der Gründer des Haushaltsgerätekonzerns Leifheit, soll laut einer neuen Studie ein überzeugter Nazi gewesen sein. Er hat in der Vergangenheit Millionenbeträge - unter anderem an die Stadt Nassau - gespendet.
Bislang unbekannte Seite des Unternehmers
Die Studie des Historikers Stefan Holler zeichnet eine in der Öffentlichkeit bislang unbekannte Seite des 2009 verstorbenen Unternehmers Günter Leifheit. Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen, die im Jahr 2016 mit 57 Millionen Euro Stiftungsgeld des Ehepaars Leifheit bedacht wurde, hat die Studie am Montag auf ihrer Homepage veröffentlicht. Zuerst haben der "Münchner Merkur" und die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet.
Freiwilliger Eintritt in Waffen-SS
Der aus Nassau stammende und in München lebende Historiker Holler kam nach umfangreichen Recherchen in Dokumenten aus dem Zweiten Weltkrieg im Bundesarchiv zu dem Schluss, dass Günter Leifheit eine "mustergültige nationalsozialistische Karriere" absolviert habe. Bereits 1932, ein Jahr vor der Machtergreifung Adolf Hitlers, sei Günter Leifheit mit elf Jahren freiwillig in das "Deutsche Jungvolk" eingetreten und dort in acht Jahren zum hauptamtlichen "Jungbannführer" aufgestiegen.
1938 sei Leifheit der NSDAP beigetreten und 1940 freiwillig in die Waffen-SS eingetreten. Von September 1940 bis Kriegsende 1945 soll er in verschiedenen Pionier-Einheiten der "Leibstandarte-SS Adolf Hitler" gedient haben. Bis Mai 1944 sei Günter Leifheit Kompanieführer i.V. gewesen. "Damit war er Vertreter seines damaligen Kompaniechefs Erich Rumpf", schreibt Holler. Als letzte Station soll Leifheit im Mai oder Juni 1944 Kompanieführer im SS-Panzer-Pionier-Bataillon "LSSAH" geworden sein.
Für seine Militäreinsätze habe er bis 1943 mehrere Auszeichnungen erhalten, so Stefan Holler, darunter das Eiserne Kreuz II. Klasse, das Infanterie-Sturmabzeichen in Bronze, das Verwundeten-Abzeichen in Schwarz sowie die Ostmedaille.
Frage nach Beteiligung an Verbrechen gegen Menschlichkeit
Laut Stefan Holler hat Leifheit an Feldzügen der "Leibstandarte" auf dem Balkan, in der Ukraine, in Russland und in Ungarn teilgenommen.
Aufgrund seines hohen Rangs und seiner umfangreichen Fronterfahrungen stellt der Historiker die Frage, ob Leifheit möglicherweise an Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt gewesen sein könnte. Obwohl er hierfür keine Nachweise gefunden habe, sei nicht auszuschließen, dass Günter Leifheit "an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen sein könnte oder zumindest von ihnen Kenntnis hatte."
Leifheit bislang Vorbild und Namensgeber für Gymnasium
Von dieser nationalsozialistischen Vergangenheit war bislang nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. In der Stadt Nassau galt Leifheit als leuchtendes Vorbild. Zudem war er der wichtigste Förderer und Mäzen der Stadt. Seine Präsenz, selbst 15 Jahre nach seinem Tod, ist allgegenwärtig. So sind ein privates Gymnasium, der Leifheit Campus, ein Kulturhaus und eine Straße nach ihm benannt.
Posthume Ordens-Entziehung im Landesgesetz nicht vorgesehen
Die Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz teilte mit, es sei zutreffend, dass Günter Leifheit im Dezember 2006 mit dem Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet worden sei. Hätte man damals bereits Kenntnis von seiner nunmehr bekannt gewordenen NS-Vergangenheit gehabt, wäre die Auszeichnung niemals verliehen worden.
Günter Leifheit verstarb am 2. Juli 2009. "Der grundsätzlich mögliche Widerruf einer Auszeichnung kann nur zu Lebzeiten des Ordensträgers bzw. der Ordensträgerin erfolgen. Eine posthume Entziehung des Ordens ist im Landesgesetz über den Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz nicht vorgesehen, auch weil die Rechte, die sich aus der Auszeichnung mit dem Verdienstorden ergeben, als höchstpersönliche Rechte mit dem Tod des Ordensträgers erlöschen", so die Staatskanzlei weiter.
Unternehmen Leifheit: Befürworten Aufklärung
In Nassau an der Lahn hat Günter Leifheit 1959 mit seiner Ehefrau Ingeborg zusammen das in Deutschland erfolgreichste Unternehmen für Haushaltsgeräte, die Leifheit AG, aufgebaut. Kaum ein Haushalt, der kein Produkt der Marke Leifheit aufweist - ob Wischmops, Wäscheständer oder Bügelbretter.
Auf Anfrage des Südwestrundfunks teilte das Unternehmen mit, die Leifheit AG habe die Forschungsergebnisse des Historikers Stefan Holler zur Kenntnis genommen. Ferner: "Wir befürworten die angestoßene transparente Aufklärung durch unabhängige Historiker und Experten, um die historische Rolle von Herrn Leifheit zu bewerten und den damit verbundenen persönlichen Vorwürfen nachzugehen."
Belastete Lebensgeschichte zunächst verschwiegen
Stefan Holler hat durch seine Forschungen auch herausgearbeitet, dass Günter Leifheit sich nie zu seiner nationalsozialistischen Vergangenheit bekannt hatte. Auch nach seinem Tod 2009 hätten laut Holler die Familie, die Stiftung, die Schule, die Stadt Nassau und die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen die belastete Lebensgeschichte Leifheits vor 1945 verschwiegen.
Vor unangenehmen Fragen zu diesem "dunklen Kapitel" sei Günter Leifheit offenbar verschont geblieben, so sein Fazit. Möglicherweise ist das der Grund, warum die in seiner Studie beschriebenen Veteranentreffen der "Leibstandarte-SS Adolf Hitler" von 1968 bis 1978 in Nassau offenbar unbehelligt stattfinden konnten. Eine Anfrage an die Stadt Nassau zu den Veteranentreffen wurde nicht beantwortet.
Kommunen schließen sich zur Aufarbeitung zusammen
Für diese Aufklärung haben sich die betroffenen Kommunen Garmisch-Partenkirchen und Nassau zusammengeschlossen. Ferner ist die G. und I. Leifheit Stiftung Nassau und der Leifheit Campus in Nassau in die weitere Aufarbeitung einbezogen. Koordiniert werden die Maßnahmen durch die LongLeif GaPa gGmbH in Garmisch-Partenkirchen. Sie ist für die Verwaltung der 57 Millionen Euro zuständig, die der Ort vom Ehepaar Leifheit geschenkt bekommen hat.
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