Seit Juli gilt ein neues Baugesetz in Deutschland. Die neuen Regeln sollen den Wiederaufbau im Ahrtal erleichtern. Auch zwei Jahre nach der Flut komme das Gesetz noch rechtzeitig, sagt die Vorsitzende des Bauausschusses des Bundestags Sandra Weeser im SWR-Interview.
Die Politik habe seit der Flutkatastrophe im Ahrtal schon einiges auf den Weg gebracht - zum Beispiel die Änderungen im Baugesetz, sagt FDP-Politikerin Weeser. Seit Anfang Juli gelten beim Baurecht neue Regeln für Katastrophengebiete. Diese Änderungen könnten bei vielen Bauvorhaben im Ahrtal noch einiges bewirken, sagt die Bauausschussvorsitzende. Am Donnerstag besucht sie mit anderen Bundestagsabgeordneten des Bauausschuss das Ahrtal.
Dennoch sieht Weeser, die ihren Wahlkreis im Westerwald hat, beim Wiederaufbau noch Verbesserungsspielraum. Im Interview mit dem SWR erklärt die 53-Jährige etwa, wie das Geld aus dem Wiederaufbaufonds eventuell besser genutzt werden könnte. Außerdem bemängelt Weeser, dass es nicht gelungen sei, das Ahrtal zur einer zukunftsweisenden Modellregion zu machen - etwa für nachhaltiges Bauen.
SWR Aktuell: Seit Anfang Juli sollen Erleichterungen im Baugesetzbuch den schnelleren Wiederaufbau nach Katastrophen erleichtern. Die Flutkatastrophe im Ahrtal war vor etwas mehr als zwei Jahren. Kann das geänderte Baugesetzbuch noch etwas beim Wiederaufbau des Ahrtals bewirken?
Sandra Weeser: Das Baugesetzbuch kann gerade bei Bauvorhaben noch einiges bewirken. Zum Beispiel, dass Häuser unkomplizierter, also ohne große Planungsvorhaben, an anderer Stelle hochwassersicher wiederaufgebaut werden können. Und dass Ausgleichsflächen für die Natur pragmatisch geschaffen werden können. Man entsiegelt den Boden vielleicht an dem Ort, an dem das Haus vorher gestanden hat, damit dort Versickerungsflächen entstehen. Oder man kann, wenn diese Flächen nicht zur Verfügung stehen, an anderen Stellen Ausgleichsflächen kaufen. Die sind dann vielleicht nicht in der Gemeinde, in der das neue Haus gebaut wird. Aber dadurch können anderswo großflächige Ausgleichsprojekte finanziert werden. Das geänderte Baurecht ermöglicht zudem die vereinfachte Errichtung von mobilen Bauten, wie Schulen, Kindergärten und Supermärkten. Auch das hochwasserangepasste Bauen wird erleichtert.
Ich glaube diese Änderungen im Baugesetzbuch bringen noch etwas, denn wir dürfen nicht vergessen: Sie sind natürlich für alle Regionen, die später einmal von Katastrophen getroffen werden, vom Punkt Null an eine große Erleichterung, was den Wiederaufbau angeht.
SWR Aktuell: Am Anfang haben viele im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau von einer "Modellregion Ahrtal" gesprochen. Wird das Ahrtal in allen Bereichen des Wiederaufbaus noch eine Modellregion?
Sandra Weeser: Ich hätte mir gewünscht, dass aus dem Ahrtal eine Modellregion entsteht. Eine Art regulatorischer Sandkasten. Wo mit nachhaltigem Bauen, Hochwasserschutz und gemeinsamen Projekten eine Region zukunftssicher wieder aufgebaut wird. Das ist leider nicht passiert. Eine verpasste Chance - aber über vergossene Milch nachzudenken, bringt nicht viel. Es ist wichtig, dass jetzt die Baugesetzänderung steht, dass eine Fristverlängerung da ist, dass über das Land immer wieder Hilfen kommen. Und dass man das Ahrtal jetzt mit nachhaltigen Ideen wieder nach vorne bringt. Es bringt relativ wenig, alles so wiederaufzubauen, wie es war.
SWR Aktuell: Verantwortliche im Ahrtal würden gerne die Mittel aus dem Fluthilfefonds nutzen, um neue Hochwasserschutz-Maßnahmen zu finanzieren und nachhaltig wieder aufzubauen. Die bestehenden Regelungen lassen aber oft nur einen Wiederaufbau zum Status Quo wie vor der Flut zu. Wie ist Ihre Einschätzung?
Sandra Weeser: Das ist ein Riesenpunkt. Es ist aktuell so, dass dieser Wiederaufbaufonds nur den 1:1-Wiederaufbau zulässt. Es wäre sicher sinnvoll - und vielleicht kann ich meine Kolleginnen und Kollegen ja auch ein Stück weit motivieren, wenn wir uns das im Ahrtal anschauen - dass wir sagen: 'Lasst uns doch mal diese Auszahlungsmodalitäten anschauen'. Vielleicht gibt es darin ja eine Stellschraube, an der wir noch ein bisschen mehr drehen können. Und wenn wir nachhaltige Wärmenetze aufbauen und nachhaltigen Strom erzeugen wollen, dann macht es natürlich Sinn nachzujustieren. Denn dass was gestern gut war, muss nicht morgen gut sein. Das ist zwar ein sehr dickes bürokratisches Brett, aber die Verlängerung der Antragsfristen und die Baugesetzbuchänderung haben wir ja auch hinbekommen.
SWR Aktuell: Was halten Sie beim Wiederaufbau des Ahrtals immer noch für eines der größten Probleme?
Sandra Weeser: Generell haben wir in unserer Gesellschaft einen Grad von Bürokratie aufgebaut, der teilweise nicht mehr zu bewältigen ist. Insofern lohnt es sich immer wieder zu schauen, auch bei Förderprogrammen, ob man die Antragsmodalitäten vereinfachen kann. Wenn Geld nicht abgerufen wird, hat es ja meistens einen Grund. Und es liegt in der Regel nicht daran, dass das Geld nicht gebraucht oder nicht in Anspruch genommen werden möchte. Sondern daran, dass der Antrag einfach zu kompliziert ist. Ich sehe das größte Verbesserungspotential bei der Bürokratie, bei den Formularen und bei den Regularien. Da muss man regelmäßig schauen, ob das noch der Realität entspricht.
Das Interview führte SWR-Reporter Michael Lang.
Wiederaufbau nach Katastrophen soll einfacher werden Was kann ein geändertes Baugesetz für das Ahrtal bringen?
Im Ahrtal geht der Wiederaufbau für viele nicht schnell genug voran. Ein Grund dafür sind bürokratische Vorschriften. Eine geändertes Baugesetz soll die Situation jetzt verbessern.