Im Ahrtal geht der Wiederaufbau für viele nicht schnell genug voran. Ein Grund dafür sind komplizierte und bürokratische Vorschriften. Eine Änderung im Baugesetz soll die Situation jetzt deutlich verbessern.
Walter Krahe steht in seinem Heimatort Insul an der Ahr und schaut auf die Stelle, an der mal sein Haus gestanden hat. In der Flutnacht saß er ängstlich auf dem Dachboden seines Hauses und erlebte, wie die Ahr es zerstörte und auch einen großen Teil seines Grundstücks wegriss. "Auch Nachbarhäuser wurden einfach weggespült", sagt Krahe. Neu bauen wollte er an dieser Stelle nicht mehr. Aber ein passendes Ersatzgrundstück in seinem Heimatort fand er auch nicht.
So wie Walter Krahe geht es vielen Menschen an der Ahr. Ihre Häuser sind zerstört. Sie wollen gerne ihr Grundstück, das im Hochwassergebiet liegt, der Natur überlassen und dafür als Ausgleich an anderen Stellen in ihrem Heimatort bauen - aber einen einfachen Tausch lassen die Gesetze bis jetzt oft nicht zu.
Ortsbürgermeister: "Wir brauchen diese Ersatzflächen"
Auch der Ortsbürgermeister der Gemeinde Hönningen, Jürgen Schwarzmann (CDU), ist frustriert. Er würde im Ortsteil Liers gerne auf einer 20.000 Quadratmeter großen Fläche am Ortseingang ein neues Feuerwehrgebäude und ein Gemeindehaus bauen. Dort befinde sich aber eine Streuobstwiese, auf der seltene Gräser wachsen. Deshalb könne das Bauprojekt dort nicht umgesetzt werden, sagt Schwarzmann: "Das ist einfach ein Problem! In Liers sind 70 Prozent der Häuser betroffen. Wir brauchen diese Ersatzflächen."
Schwarzmann hofft, dass die Änderungen im Baugesetz die Verfahren im Ahrtal beschleunigen. Und diese Hoffnung ist durchaus berechtigt: Denn der Gesetzentwurf des Bundesbauministeriums sieht vor, dass die Bundesländer nach einer Katastrophe wie im Ahrtal Ausnahmeregelungen im Baugesetz erlassen dürfen. Das hieße zum Beispiel: Unterschiedliche Flächen könnten in den Orten einfacher gegeneinander verrechnet werden.
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Das Baugesetzbuch soll für den Wiederaufbau im Katastrophenfall ergänzt werden. So soll es zum Beispiel an der Ahr möglich sein, Häuser einfacher wiederaufzubauen.
Land hofft auf Erleichterungen
Wenn die sogenannte Wiederaufbaufklausel im Bundestag verabschiedet wird, kommt es anschließend darauf an, wie die rheinland-pfälzische Landesregierung den neuen Rahmen für konkrete Verordnungen nutzt. Landesbauministerin Doris Ahnen (SPD) sagt dazu: Das Baugesetzbuch werde hoffentlich auch beim Umweltschutz entsprechende Erleichterungen ermöglichen. Der Natur- und Artenschutz dürfe dabei aber nicht außer Kraft gesetzt werden. Denn es gehe letztendlich auch um einen resilienten und nachhaltigen Wiederaufbau im Ahrtal.
Landrätin sieht Kernforderungen erfüllt
Zwei Kernforderungen der Kommunalpolitiker aus dem Ahrtal seien in dem Gesetzentwurf erfüllt, sagt die Landrätin des Kreises Ahrweiler Cornelia Weigand (parteilos). Zum einen sieht die Novelle vor, dass neue Baugebiete einfacher ausgewiesen werden können. Demnach muss nicht sofort ein gleichwertiges Ausgleichsgebiet gefunden werden. Stattdessen ist es laut dem Gesetzentwurf auch erst möglich, einen finanziellen Ausgleich zu leisten, um später Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren.
Zum anderen sollen Betroffene hochwasserangepasst bauen können, ohne dass bestehende Baupläne geändert werden müssen. Heißt konkret: Wer nahe der Ahr ein neues Haus baut, soll im Erdgeschoss meist keinen Wohnraum mehr einplanen. Bis jetzt haben es die Bauvorschriften oft nicht erlaubt, dieses verlorene Geschoss oben zu ergänzen und höher zu bauen. Das soll sich nun ändern. Solche Erleichterungen würden den Kommunen Planungssicherheit und den Betroffenen Rechtssicherheit geben, sagte Weigand.
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Kommen neue Baugebiete in Heimersheim und Altenahr schneller?
Darauf setzt auch der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenahr, Dominik Gieler (CDU). "Uns sind 25 Hektar Wohnbauland sprichwörtlich weggeschwommen. Wir versuchen dafür Ersatz zu schaffen. Aber die Planungsprozesse sind sehr langwierig", sagte er dem SWR.
Nach Angaben der Stadtverwaltung Bad Neuenahr-Ahrweiler könnten die Änderungen bewirken, dass in den Ortsteilen Lohrsdorf und Heimersheim schneller hochwassersichere Baugebiete ausgewiesen werden können. Die Sinziger Stadtverwaltung rechnet zum Beispiel damit, dass es künftig einfacher wird, Vereinsgebäude - etwa für den Tennis- und den Minigolfclub - zu planen und zu bauen.
Der Sinziger Bürgermeister, Andreas Geron (parteilos), sagte dem SWR, dass grundsätzlich aber die Praxis zeigen müsse, ob das geänderte Baugesetz dem Ahrtal helfen werde. Er wünscht sich, dass die Städte und Gemeinden nicht nur schneller planen können, sondern vor dem Baubeginn auch deutlich weniger Bauunterlagen für die Projekte zusammengestellt werden müssen.
Kommunalpolitiker im Ahrtal äußern auch Kritik
Teilweise gehen Landrätin Weigand die Pläne nicht weit genug. Sie fordert, dass der Gesetzentwurf an einigen Stellen noch nachgebessert wird. Es sei etwa bisher für betroffene Unternehmen sehr schwierig, Ersatzflächen für ihre Betriebe an den alten Standorten zu finden. Sie befürchtet, dass Firmen abwandern könnten. Ein bekanntes Beispiel ist der Autozulieferer ZF.
Der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler, Guido Orthen (CDU), wünscht sich, dass an den Ortsrändern weiterhin schneller Bau- und Gewerbegebiete entstehen können. Die Sonderregelung dafür habe sich bewährt, sagt Orthen. Diese Ausnahme sei im neuen Gesetz nicht mehr vorgesehen. Das sei kein gutes Signal. Nach Angaben aus der Stadtverwaltung könnten die Planungen für Wohngebiete ohne solche Sonderregeln fünf bis zehn Jahre dauern.
Der Bundestag wird voraussichtlich ab Ende des Monats über den neuen Gesetzentwurf beraten. Bis dahin könnten die Wünsche und Forderungen aus dem Ahrtal noch berücksichtigt werden.