Kindern Dinge ermöglichen, für die ihre Eltern eigentlich kein Geld haben. Das versucht die Stadt Neuwied in den Ferien. Mit Erfolg. Ein Beispiel, wie Teilhabe gelingen kann.
Es ist ein sonniger Tag in den Sommerferien im Familienfreibad in Neuwied-Oberbieber. Im Nicht-Schwimmer-Bereich tummeln sich rund zwanzig Kinder im Grundschulalter - schwimmen, lachen und spritzen sich gegenseitig nass. Sie kommen überwiegend aus den Stadtteilen Neuwied-Innenstadt und Heddesdorf.
Dort sind die Bedingungen für viele Familien schwieriger als in anderen Stadtteilen: Oft leben die Menschen in engeren Wohnungen, haben wenig Geld und einen schlechteren Zugang zu Bildung. Was für andere selbstverständlich sei, sei für die Kinder aus diesen Stadtteilen häufig nicht drin, sagt Stephan Amstad vom Kinder- und Jugendbüro der Stadt Neuwied.
Der kostenlose Schwimmkurs, den die Kinder besuchen, ist deshalb für viele ein echtes Highlight in den Ferien. Er ist aber auch aus einem anderen Grund etwas Besonderes: Die Kinder hatten selbst die Idee dazu und haben im Jugendparlament der Stadt dafür gestimmt.
Gesellschaft Kinderarmut in Deutschland – Ungleiche Chancen
2,8 Millionen Kinder wachsen in Armut auf. Durch Corona haben sich ihre Bildungswege verschlechtert. Immer noch bestimmt in Deutschland die soziale Herkunft die Zukunft der Kinder.
Stadt Neuwied ist "Kinderfreundliche Kommune"
Das Jugendparlament ist Teil eines Aktionsplans der Stadt Neuwied, mit dem die Rechte von Kindern gestärkt werden sollen. Seit 2023 ist Neuwied auch wegen dieses Konzeptes die erste und bislang einzige "Kinderfreundliche Kommune" in Rheinland-Pfalz.
Laut Bürgermeister Peter Jung bedeutet das unter anderem, dass Kinder aus einem sozial benachteiligten Umfeld mehr am öffentlichen Leben teilnehmen können: "Jedes einzelne Kind hat ein Recht darauf, schwimmen zu lernen. Jeder hat ein Recht darauf, in einen Fußballverein zu gehen und auch mal auf eine Ferienfreizeit zu fahren. Und das sollte kein Luxus oder Privileg sein."
Kinder sollen in Entscheidungen einbezogen werden, die sie angehen
Das Jugendparlament sei ein guter Weg, den Kindern eine Stimme zu geben und ihre Ideen ernst zu nehmen. Dass sie mitbestimmen dürften, stärke auch ihr Selbstbewusstsein, sagt Stephan Amstad: "Ich glaube, die sind auch teilweise unglaublich stolz darauf, mit dem Bürgermeister reden zu können oder überhaupt das Gefühl zu haben, sie verändern wirklich was."
Das empfindet auch der 11-jährige Philipp so. Er wurde von anderen Kindern aus seinem Hort in das Jugendparlament gewählt. Darüber habe er sich sehr gefreut. Vor allem, weil er da auch die Meinung von anderen Kindern vertreten könne. Philipp sagt, dass ihm das zugetraut werde, mache ihn stolz.
Im Jugendparlament priorisieren die Kinder ihre Wünsche selbst
Im Jugendparlament komme es auch mal zu Diskussionen, erzählt der gleichaltrige Aziz. Meistens würden sich die Kinder aber recht schnell einig. Sie wissen, dass nur begrenzt Geld zur Verfügung steht und deshalb nicht jede Idee in die Tat umgesetzt werden kann. Also müssen sie priorisieren.
Projektleiter Stephan Amstad sagt, er sei erstaunt, wie bescheiden und vernünftig die Kinder in den Sitzungen seien. Er habe mit viel größeren Wünschen gerechnet: teure Freizeitpark-Besuche oder ähnliches. Aber den Kindern sei es zum Beispiel wichtig gewesen, schwimmen zu lernen, ein Fußballturnier oder einen Kochkurs zu machen.
Vor allem gehe es den Kindern aber darum, in der Schule auch über das erzählen zu können, was sie in den Ferien erlebt haben, sagt Amstad. Und da sei es egal, ob sie die Zeit auf Mallorca oder im Neuwieder Freibad verbracht haben: "Sie können dann genauso mitreden. Man hat in seinen Ferien etwas Großartiges erlebt. Und ich glaube, auch teilhaben zu können, das ist eigentlich das Wichtige."
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