Der Streit zwischen Land und Kommunen um die Flüchtlingskosten spitzt sich zu. Städte, Kreise und Gemeinden erwägen jetzt, das Land zu verklagen. In einem ersten Schritt haben die drei Kommunalverbände ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
Die Kommunen beklagen seit Jahren, dass sie für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge Pauschalbeträge bekämen, was dazu führe, dass sie einen Teil der Kosten selbst aufbringen müssten. Dieser Anteil werde aufgrund der deutlich gestiegenen Flüchtlingszahlen immer größer, heißt es. Für dieses Jahr rechnen die Kommunen grob mit Ausgaben von rund 300 Millionen Euro. Zugesichert wurden ihnen bislang rund 122 Millionen Euro.
Die Kommunen erwarten, dass das Land ihnen die Kosten für die Flüchtlinge vollständig ersetzt. Das Gutachten, das die drei Kommunalverbände der Städte, Kreise und Gemeinden gemeinsam beauftragt haben, soll klären, ob es mit der rheinland-pfälzischen Verfassung vereinbar ist, dass das Land den Kommunen nur einen Teil der Flüchtlingskosten ersetzt. Außerdem soll in dem Gutachten geprüft werden, wer die Integration der Flüchtlinge leisten und finanzieren soll.
Land sei verpflichtet, die Kosten vollständig zu tragen
Die Kommunalverbände argumentieren, das Land habe den Kommunen die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge vollständig übertragen, wolle aber nur zum Teil dafür bezahlen. Obwohl die Verfassung das Land dazu verpflichte, den Kommunen die Kosten vollständig zu bezahlen.
Tatsächlich heißt es im Artikel 49, Absatz 5 der Landesverfassung sinngemäß: Wenn das Land den Kommunen Aufgaben überträgt, dann muss es den Kommunen dafür auch das Geld geben. Juristen sprechen vom Konnexitätsprinzip - vereinfacht: wer bestellt, muss bezahlen.
Land: Artikel gilt nicht in diesem Fall
Das Land selbst bestreitet auch gar nicht, dass es den Kommunen die Zuständigkeit für die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge übertragen hat, wie aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage an die Landesregierung vom Juni dieses Jahres hervorgeht. Aber: Die Regelung aus Artikel 49, Absatz 5 sei 2004 eingeführt worden und gelte nur für Aufgaben, die das Land den Kommunen ab 2004 übertragen habe, nicht aber für frühere Fälle. Und die Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge sei den Kommunen vor 2004 übertragen worden. Deshalb gelte hier das Konnexitätsprinzip eben nicht. Im Klartext: Ungedeckte Flüchtlingskosten sollen die Kommunen selbst tragen.
Städtetag: Landesverfassung soll Kommunen schützen
Die Kommunalverbände kennen diese Argumentation. Lisa Diener, Geschäftsführerin des Städtetags sagt dem SWR, mit dieser Haltung ziehe sich das Land aus der Verantwortung. Das Konnexitätsprinzip sei in die Landesverfassung aufgenommen worden, um die Kommunen vor finanziellen Überlastungen zu schützen. Dieses Ziel würde durch die Argumentation des Landes ausgehebelt.
Deshalb seien sich alle drei Kommunalverbände schon seit längerem einig gewesen, die Rechtsauffassung des Landes durch ein Gutachten überprüfen zu lassen, so Lisa Diener. Wenn dieses zum Ergebnis käme, dass die Rechtsauffassung des Landes nicht mit der Verfassung vereinbar ist, hofften sie, dass das Land einlenke.
Nach Spitzengespräch mit Dreyer RLP-Kommunen fordern mehr Geld für Versorgung von Flüchtlingen
Keine Einigung gab es am Donnerstag im Streit um die
Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen. Die Kommunen wollen vom
Land ihre tatsächlichen Ausgaben erstattet bekommen.
Andreas Göbel, Geschäftsführer des Landkreistags sieht das ähnlich und sagt, wenn das Land nicht einlenke, könne man nicht ausschließen, dass eine oder mehrere Kommunen das Land vor Gericht verklagen würden.
Kommunen hätten nicht genug Einnahmen für die Finanzierung
Göbel sagt, die Kommunen hätten gar nicht die Einnahmen, um die Ausgaben für Aufnahme, Unterbringung und Integration der Flüchtlinge finanzieren zu können. Wenn das Land nicht einlenke, seien zahlreiche Bürgermeister gezwungen, ihre Grund- und Gewerbesteuern noch weiter zu erhöhen als sie es ohnehin schon tun müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erstellen. Und die Kreise müssten ihre Umlagen erhöhen. Die Auswirkungen kommunaler Steuererhöhungen bekämen also vor allem Mieter und Hausbesitzer sowie Unternehmen zu spüren.
Das Ergebnis des Gutachtens erwarten die Verbände in rund zwei Monaten.