Europameisterschaft in Deutschland und WM-Siege wie das Wunder von Bern feiern Jubiläum? Anlass für eine verrückte Aktion: Fans passen einen Ball von Kaiserslautern nach Stuttgart.
Einen Fußball über 444 Kilometer durch drei Bundesländer passen? "Gar kein Problem!", dachte sich Fußball-Fan Marian Prill. Schließlich startet die Europameisterschaft (EM) in Deutschland. Und das Wunder von Bern wird 70 Jahre alt. Warum dann nicht einen Ball vom Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern über Koblenz bis nach Stuttgart spielen? In nur 130 Stunden.
Fußball-Europameisterschaft: Fans aus Kaiserslautern starten Fan-Aktion
Es ist eine außergewöhnliche Fan-Aktion, die sich Marian Prill wenige Wochen vor dem Start der EM überlegt hat. Der Anlass: Nicht nur der WM-Sieg von 1954 feiert Jubiläum, als die Nationalmannschaft um Fritz Walter den ersten Weltmeister-Titel für Deutschland holte. Es jähren sich in diesem Jahr auch die WM-Erfolge aus den Jahren 1974 und 2014.
"Wie damals beim Wunder von Bern spielt die deutsche Nationalmannschaft auch jetzt gegen Ungarn", sagt Prill. Und zwar am Mittwochabend in der Stuttgart Arena. Bis zum Anpfiff wollen Prill und hunderte Freiwillige den Fußball bis zum Stadion gekickt haben.
Ball soll von Kaiserslautern über Koblenz nach Stuttgart kommen
Weil viele der Weltmeister von damals aus Kaiserslautern kamen, solle hier der Startpunkt sein. Dann geht's weiter nach Koblenz, "weil da ja gerade die Ausstellung 'Fußballfieber – Fußballgeschichte(n) aus Rheinland-Pfalz' läuft", sagt Prill.
Vorfreude auf die Fußball-Europameisterschaft Ausstellung "Fußballfieber" in Koblenz eröffnet
Schon mal in einem Museum laut getrommelt oder gekickt? In der neuen Familienausstellung "Fußballfieber" in Koblenz ist das jetzt möglich - und sogar gewünscht.
Die 444 Kilometer lange Strecke geht von da über Mainz und Mannheim bis nach Stuttgart, so der Plan. Maximal 130 Stunden sind dafür angesetzt. "Ich bin sehr aufgeregt, ob das alles so klappt", so der Organisator.
Über die Webseite der Aktion Meisterschaftsball können sich Freiwillige in Fünfergruppen anmelden, wenn sie eine der 87 Etappen übernehmen wollen. Beim Start Freitagmorgen sind noch längst nicht alle Etappen besetzt, verrät der Initiator. "Es ist hochdynamisch, Leute werden noch spontan dazu kommen."
Fußball-Fans aus der Pfalz melden sich für Fan-Aktion an
Über Stock und Stein, befahrene Straßen, durch Täler und Hügel in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg. "Es ist ambitioniert, ich weiß", sagt Marian Prill. Einige Vereine und Privatpersonen hätten sich schon angemeldet. "Es sind auch schon manche Nacht-Etappen vergeben."
Der Organisator selbst will während der ganzen Aktion dabei bleiben, von Etappe zu Etappe das Passspiel begleiten und während der 130 Stunden dann nötigenfalls im Auto schlafen.
Vereinstreue - gibt es das noch?
Vereinstreue im modernen Fußball scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Doch ist dem wirklich so?
Meisterschaftsball soll pünktlich zum EM-Spiel in Stuttgart sein
Damit dem Ball, genannt Meisterschaftsball, nichts passiert, hat Marian Prill mit seinem Team einen Ballschutz gebaut. Damit können die Freiwilligen den Ball abschirmen, damit der nicht unter einem Auto landet.
"Am Anfang hatte ich die romantische Vorstellung, dass der Ball nie länger als eine bestimmte Zeit liegen bleiben darf, ansonsten ist die Aktion vorbei", so Prill. Davon sei er aber wieder abgerückt. Die Aufgabe sei auch so groß genug.
Beim Anstoß Freitagfrüh um 8 Uhr vor dem Fritz-Walter-Stadion des 1. FC Kaiserslautern nieselt der Regen. Den ersten Ballkontakt vor dem Horst-Eckel-Tor hat Dagmar Eckel, die Tochter des Weltmeisters. Sie kickt weiter an Ahmet, einer von sieben Schülern der Nina-Pfaff-Realschule Plus.
Jugendliche aus Realschule Plus in Kaiserslautern machen mit
Die Schüler zwischen 12 und 16 Jahren lieben Fußball, über alle Grenzen hinweg. Sie kommen aus fünf verschiedenen Ländern, spielen hier aber in einem Team. An der Treppe runter vom Betzenberg wird's kurz brenzlig, doch Ahmet klemmt den Ball zwischen seine Beine und hüpft Stufe für Stufe runter.
In der Fußgängerzone dann passiert’s – ein Passant schafft es den Schülern den Ball abzuluxen. Doch sie bekommen ihn wieder zurück. Andere Passanten rufen den Jungs "Viel Glück" zu. "Die sind so fit, die schaffen das!", sagt eine ältere Frau, die von der Fanaktion im Radio gehört hat.
"Jetzt, wo wir durch die Innenstadt durch sind, ziehen wir das Tempo an, soll ja eine sportliche Herausforderung sein", sagt Lehrer Sven Weilemann, der an der Brennpunkt-Schule die Fußballteams anleitet. Für ihn und seine Schüler geht's jetzt weiter nach Otterberg und weiter gen Norden. Samstag soll der Ball dann in Koblenz ankommen. Wenn's klappt.