Lieber Stau oder lieber Bahn

Deutschlandticket - lohnt es sich für Pendler in RLP?

Stand
Autor/in
Susanne Weber
Bild von Susanne Weber, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz
Sina Groß

Mit dem Auto durch den Berufsverkehr oder mit Bus und Bahn zur Arbeit - vor der Frage stehen Pendler in Rheinland-Pfalz. Das Deutschlandticket bietet einen Anreiz, aber wie lange noch?

Björn Scarbata und Angelika Jun sind Nachbarn in Rheinböllen und pendeln beide zu ihrer Arbeit nach Mainz. Die Kinderkrankenschwester im Schichtdienst ist mit dem Pkw unterwegs, der IT-Experte dagegen fährt seit dem Sommer per Deutschlandticket mit Bus und Bahn ins Büro. Dabei ist er allerdings dreimal so lang wie seine Nachbarin unterwegs. Ob Björn Scarbata im kommenden Jahr weiter günstig und umweltfreundlich pendeln wird, ist offen. Bund und Länder streiten sich über die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets.

Das 49-Euro-Ticket als Experiment

Morgens um 5:40 Uhr geht es für Björn Scarbata mit dem Bus los, gegen halb acht ist er im Büro. "Ich nutze momentan das Deutschlandticket, bis zum Ende des Jahres will ich das mal ausprobieren. Ich fahre mit dem Bus von Rheinböllen nach Bad Kreuznach, von dort mit der Regionalbahn oder dem Regionalexpress nach Mainz, von dort wiederum mit der Tram oder dem Bus nach Kisselberg."

Von Rheinböllen aus funktioniert die Taktung ganz gut, sagt er. Aus Nachbarorten wäre es mehr Zeitaufwand. Für ihn ist es eine Alternative, allerdings nur einmal in der Woche, ansonsten arbeitet er im Homeoffice. Jeden Tag würde er den Aufwand nicht betreiben, da wäre der Zeitverlust zu groß. "Morgens zwei Stunden, nachmittags anderthalb, das ist für jeden Tag zu viel." Die Zeit im Zug nutzt er, um die Zeitung zu lesen oder schon zum Arbeiten. Für 49 Euro viermal im Monat nach Mainz zu fahren, sei preislich schon attraktiv, wenn er die Kosten des Fahrzeugs dagegen halte. Bei möglichen Preiserhöhungen würde er allerdings genauer überlegen. "Die Schmerzgrenze liegt da so bei 69, 79 Euro".

Es ist schon eine Alternative, deswegen habe ich das Experiment ja gestartet. Ob ich das weitermache, kommt auch auf die Politik an.

Für die Kinderkrankenschwester Angelika Jun dagegen ist das Deutschlandticket derzeit noch keine Alternative. Durch die Schichtdienste ist sie nicht zu den üblichen Stoßzeiten unterwegs, sagt sie, und steht eher selten im Stau. "Ich vergleiche ja auch die Fahrzeiten, ich könnte vielleicht zum Spätdienst mit Zug und Bus fahren, aber dafür brauche ich eineinhalb Stunden. Mit dem Auto bin ich in 40 Minuten auf meiner Arbeitsstelle."

Wären die Verbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmittel besser, wären Bus und Bahn für Angelika Jun vielleicht auch ein Thema. Sie habe keine festen Bürozeiten, könne nie sagen, ob sie pünktlich rauskomme. "Es wird auch mal halb elf. Und dann stehe ich da und komme nicht mehr zurück."

Wenn ich Spätschicht habe, muss ich noch von Bingen nach Hause kommen und nicht noch eine halbe Stunde am Bahnhof stehen. Das bringt mir dann auch nichts.

Auch für den Frühdienst sind öffentliche Verkehrsmittel für Angelika nicht praktikabel. Es gibt keine Verbindung, mit der sie morgens um 6 Uhr in der Klinik wäre. Sie wünscht sich deshalb auch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Zudem gebe es alte Zugstrecken, die reaktiviert werden könnten.

Die Politik müsse jetzt mal zu einer Entscheidung kommen, wie das weitergeht mit dem Deutschlandticket, so die Forderung von Angelika Jun. Viele, die das derzeit schon nutzten, brauchten ja auch die Sicherheit, dass sie sich in Zukunft darauf verlassen können.

Mehr als eine Million Deutschlandtickets in RLP verkauft

Im Pendlerland Rheinland-Pfalz ist das Deutschlandticket durchaus ein Erfolg. Nach Angaben des Mobilitätsministeriums wurden allein in den Monaten Mai bis August rund 1,03 Millionen Tickets verkauft. Darin sind auch alle von bisherigen Abos - also Schülerkarten oder Jobtickets - umgestellten Tickets enthalten. Aus bundesweiten Zahlen lasse sich ableiten, dass pro Monat etwa 20.000 Neukunden das 49-Euro-Ticket kaufen, so das Ministerium. Das werde beim Kauf jedoch nicht abgefragt, valide Zahlen gebe es daher nicht.

Finanzlücke 2024 - droht dem Deutschlandticket das Aus?

Die einzelnen Verkehrsverbünde haben durch das Ticket Einnahmeverluste und beklagen steigende Kosten für Energie und Personal. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat für das kommende Jahr eine Finanzierungslücke von rund 400 Millionen Euro bundesweit errechnet.

Der Verkehrsverbund Rhein-Mosel (VRM), nach eigenen Angaben mit über 250.000 Kunden pro Tag der größte Verbund in Rheinland-Pfalz, forderte jüngst einen "vollumfänglichen und auskömmlichen Finanzierungsausgleich" durch Bund und Länder. Der bisherige Preis von 49 Euro müsse zudem bestehen bleiben. Ansonsten sehe man sich als VRM GmbH gezwungen, aus dem Deutschlandticket auszusteigen - und das spätestens zum 1. Mai 2024, hieß es in einer Mitteilung.

Auch die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) sieht die Politik in der Pflicht. Geschäftsführer Jochen Erlhof fordert, zügig über eine Fortsetzung des Deutschlandtickets zu entscheiden. "Uns als ÖPNV-Unternehmen ist es eigentlich nicht so wichtig, wer was wie bezahlt, sondern was wir dringend brauchen, ist Planungssicherheit. Wir können nicht Ende November eine Entscheidung darüber bekommen, ob es das Ticket ab 1. Januar noch gibt oder nicht."

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Streit um Finanzierungslücke bei ÖPNV Verkehrsverbünde: Wenn es bald keine Finanzierung gibt, ist das Deutschlandticket tot

Der Streit um die Anschlussfinanzierung des Deutschlandtickets geht weiter, denn diese ist für 2024 nicht geklärt. Die Verbünde sehen die Zukunft des Tickets ernsthaft gefährdet.

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Deutschlandticket - Bund und Länder zanken um Finanzierung

Bund und Länder hatten sich Ende 2022 auf das Deutschlandticket geeinigt, als Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Die Finanzierung des Deutschlandtickets wurde bis 2025 gesetzlich festgeschrieben. Demnach stellt der Bund den Ländern für die Kalenderjahre 2023 bis 2025 jeweils 1,5 Milliarden Euro zu Umsetzung des Deutschlandtickets zur Verfügung. Die Länder geben die gleiche Summe, so dass in jedem Jahr drei Milliarden Euro bereitstehen.

Mehrkosten, die den Verkehrsunternehmen im Einführungsjahr, also 2023, durch Mindereinnahmen entstehen, tragen Bund und Länder je zur Hälfte. Die Länder fordern nun allerdings eine Zusage des Bundes, mögliche Mehrkosten auch im kommenden Jahr zur Hälfte zu übernehmen. Sie seien dazu bereit, heißt es auch im zuständigen rheinland-pfälzischen Ministerium.

"Die Verkehrsminister stehen zu ihren Zusagen, das haben sie auch beschlossen, dass sie die Mehrkosten hälftig tragen", so Michael Hauer (Grüne), Staatssekretär im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität. "Und das sollte der Bund auch tun." Der Bund sage nun aber, dass er sich nicht beteiligen wolle. "Aber wir hoffen, dass es da ein Einlenken gibt", so Hauer.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht das allerdings anders. Eine "Nachschusspflicht" für 2024 gebe es nicht, sagte er jüngst im Bundestag. Der Bund halte sich an den Beschluss vom November 2022.

Wir haben ein Ticket, wir haben eine Vereinbarung, die Vereinbarung wird umgesetzt. Und wenn Dinge sich aus der Sicht der Länder ändern, dann müssen sie das klären.

Die Frage "Wie weiter mit dem Deutschlandticket" soll nun bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Regierungschefs der Länder auf die Tagesordnung. Termin dafür ist der 6. November.

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