Der Messerangriff in Solingen hat die Debatte um Abschiebungen neu befeuert. In RLP sind derzeit rund 2.000 Menschen ausreisepflichtig. In Abschiebehaft sitzt nur ein Bruchteil.
Stefan Mollner leitet das Abschiebegefängnis in Ingelheim - offizielle Bezeichung: "Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige". Normalerweise sind hier Kameras tabu.
Die Einrichtung hat Platz für 40 Personen. Derzeit leben hier 21 Männer und fünf Frauen. Grundsätzlich ist eine Einzelunterbringung vorgesehen. Die Zellen sind einfach, es gibt die Standardausstattung mit Bett, Tisch, Stuhl, einen Fernseher, einen Wasserkocher und eine private Toilette.
Gerichte entscheiden auf Antrag der jeweiligen Ausländerbehörde, wer hier rein muss. Das betrifft Menschen, die sich der Abschiebung entzogen haben oder vermutlich entziehen werden.
Im Schnitt verbringen die Abschiebehäftlinge rund 24 Tage in der Einrichtung, sagt Mollner. Mal seien viele Afrikaner dabei, dann viele Menschen aus Asien oder auch Osteuropa - das wechsle ständig. Die meisten dürfen sich tagsüber in den Gemeinschaftsräumen und Fluren frei bewegen. Aber nicht alle.
Auch ein besonders problematischer Fall wurde vor wenigen Wochen von Ingelheim aus in seine Heimat abgeschoben. Es geht um den Marokkaner Tarik J. Jahrelang hielt er die Menschen im thüringischen Apolda mit schweren Straftaten in Atem, landete immer wieder im Gefängnis. Eigentlich hätte er seit 2017 ausreisen müssen. Eine Abschiebung war bis zuletzt nicht möglich. Er nutzte verschiedene Identitäten und Marokko weigerte sich lange, ihn zurückzunehmen.
Asylbewerber aus Apolda von Ingelheim aus abgeschoben
Am Ende gelang es den deutschen Behörden dann doch. Stefan Mollner erinnert sich gut an den Abschiebehäftling: "Sein Ruf eilte ihm voraus, er war ein nicht leichter Mensch, der auch seine Probleme mit anderen Personen hatte." Mehr will Mollner dazu nicht sagen, nur dass der Vollzugsdienst bei Bedarf für Ruhe sorgte.
Rund 380 Abschiebungen aus RLP 2024 gescheitert
Insgesamt wurden aus Rheinland-Pfalz in diesem Jahr rund 670 Personen abgeschoben. Aber bei rund 380 war die Abschiebung nicht erfolgreich. Warum ist es so schwierig, selbst straffällige Ausreisepflichtige abzuschieben? Im Integrationsministerium heißt es, wie bei jeder Abschiebung müssten erst die Voraussetzungen erfüllt sein.
Viele Stellen müssten dabei zusammenarbeiten, sagt Daniel Asche, Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Integrationsministerium. Polizei, Innenministerium, Verfassungsschutz. Es gehe um Fragen wie: Betrifft es die öffentliche Sicherheit? Welche Straftaten hat sich ein Ausländer zu Schulden kommen lassen? Dann werde Kontakt mit der jeweiligen kommunalen Ausländerbehörde aufgenommen.
Nach Solingen: Abschiebeflug Richtung Kabul
Wie schnell und medienwirksam Abschiebungen stattfinden können, zeigt der Flug nach Kabul Ende August. Nach dem Messeranschlag mit drei Toten in Solingen wurden 28 Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, einige direkt aus deutschen Gefängnissen heraus. Bisher waren Abschiebungen in dieses Land nicht möglich. Auch Rheinland-Pfalz hat sich an dem Flug beteiligt. In welcher Form sagt das Integrationsministerium nicht, um die Planung weiterer Flüge nicht zu gefährden. Das funktioniert aber nur, wenn etwa Afghanistan seine Bürger wieder ins Land lässt.
Man sei auf Vereinbarungen mit Herkunftsstaaten angewiesen, so wie es der Bund jetzt in Form von Migrationsabkommen tue. "Das ist ein Geben und Nehmen", sagt Asche. "Da werden die legalen Wege für Migration eröffnet und dafür wird gesagt, wir haben vereinfachte Verfahren zur Rücknahme unserer Staatsbürger."
Kommunen sehen den Bund bei Abschiebungen in der Pflicht
Verantwortlich für die Asylbewerber, und damit auch für die Abschiebungen, sind die Kommunen im Land. Diese sind allerdings oft überlastet. Bei der Rückführung von ausländischen Staatsangehörigen gebe es viele Probleme, heißt es. Die Abläufe seien mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden und sehr komplex. Oft scheiterten Rückführungen daran, dass die Identität der Personen nicht klar sei, sie untertauchten oder ihre Heimatländer keine Papiere ausstellen.
Einige Kommunen schlagen eine grundsätzlich andere Vorgehensweise vor. Sie wünschen sich, dass sich eine zentrale Ausländerbehörde auf Landesebene um die Abschiebungen kümmert. Es würde grundsätzlich helfen, "wenn Abschiebungen in Rheinland-Pfalz, wie in anderen Bundesländern auch, von zentralisierten Stellen wie Regierungspräsidien durchgeführt würden", sagt beispielsweise der Landrat des Kreises Südliche Weinstraße, Dietmar Seefeldt (CDU). In Baden-Württemberg oder Hessen gibt es diese Möglichkeit bereits.
Allein im Landkreis Bad-Kreuznach leben rund 200 ausreisepflichtige Ausländer. Nur rund 20 werden pro Jahr abgeschoben. Landrätin Bettina Dickes glaubt nicht, dass sich daran schnell etwas ändern wird. Aber sie erwartet mehr von der Bundesregierung.
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