Beim Blick zurück auf das Jahr 2022 fallen Stefan Giese einige Merkwürdigkeiten auf, auf die er im kommenden Jahr gerne verzichten würde.
Nun geht es also zu Ende, das Jahr 2022. Dass es ein herausragend tolles Jahr war, lässt sich sicher nicht behaupten. Dafür gibt es viele Gründe, einige davon haben etwas mit "Walldorfer Katzen", Milchprodukten und Winnetou zu tun.
Die Walldorfer Katzen stehen für unseren Umgang mit den zwei größten Problemen, die wir unseren Nachkommen hinterlassen: die Erderwärmung und das Artensterben. Als gäbe es kein Morgen, haben wir im Jahr 2022 unseren weltweiten Kohlendioxidausstoß noch einmal gesteigert – und damit den Klimawandel weiter befeuert. Ähnlich desorientiert stehen wir dem Artensterben gegenüber.
Ausgestorben – na und?
Auch 2022 sind wieder zehntausende Tier- und Pflanzenarten von diesem Planeten verschwunden – für immer weg von überall. Dass man darin offenbar nicht überall ein ernsthaftes Problem sieht, wurde erkennbar am empörten Aufschrei, als in einem Teil von Walldorf Hauskatzen für einige Wochen in ihren Wohnungen bleiben mussten. Ihnen sollte so die Möglichkeit genommen werden, einer vom Aussterben bedrohten Vogelart den Garaus zu machen. Die Prioritäten mancher Katzenfreunde scheinen woanders zu liegen. Globales Scheitern in Miniaturformat.
Wie eine Zahnwurzelbehandlung
Wenn es ums Scheitern geht, darf einer nicht fehlen: Der unangefochtene König dieser Disziplin, verantwortlich für die Fehlentscheidung des Jahres, heißt eindeutig Wladimir Putin. Sein Plan, die Ukraine mal eben mit einer kurzen „Spezialoperation“ unter die eigene Knute zu zwingen, hat sich als spektakuläre Fehlkalkulation erwiesen. Unter den Folgen leiden unzählige Menschen jeden Tag – vor allem natürlich in der Ukraine, aber auch bei uns. Für viele sorgt der Wocheneinkauf mittlerweile für so viel Vorfreude wie der Termin für eine Zahnwurzelbehandlung angesichts der atemberaubenden Preissprünge für Milch, Butter, Zucker und vieles mehr.
Mutige und Aufgeplusterte
Ob der größenwahnsinnige Despot im Kreml ein Winnetou-Fan ist, weiß ich leider nicht. Sicher ist dagegen, dass der Apachen-Häuptling für eines der großen Themen des Jahres steht: Freiheit. Während die Ukraine oder auch die mutigen Frauen im Iran auf jeweils eigene Weise um ihre Freiheit kämpfen, fabulieren hierzulande besorgte Kulturkrieger vom Ende der Freiheit, wenn ein Verlag aus Ravensburg eines seiner Winnetou-Kinderbücher vom Markt nimmt. Dem ohnehin schon schwer verdaulichen Jahr 2022 haben sie damit eine höchst verzichtbare Portion aufgeblasenen Gratismut hinzugefügt.
Ein besserer Ort ist die Welt damit im Jahr 2022 bedauerlicherweise nicht geworden. Um es positiv auszudrücken: Für 2023 gibt es viel Luft nach oben – und genau das wünsche ich uns allen.
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