Der anhaltende Regen sorgt bei der Ernte vieler Bauern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz vor allem im Getreide für Verluste. Regional gibt es allerdings große Unterschiede.
Anfang Juli hatte man sich in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch auf durchschnittliche Getreidemengen eingestellt. Doch die Erwartungen trübten sich immer weiter ein. Der Deutsche Bauernverband zieht für die diesjährige Ernte eine negative Bilanz. Insgesamt sei von einer Getreidemenge von 39,3 Millionen Tonnen in ganz Deutschland auszugehen. Bei der Ernte 2023 waren es noch 42 Millionen Tonnen.
Wiederkehrende Niederschläge und wenig Sonne haben sowohl Menge als auch Qualität der Ernte stark beeinträchtigt. In allen Teilen Deutschlands habe die Feuchtigkeit dazu geführt, dass die Bauern viele Pflanzenschutzmittel eingesetzt haben. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind die Bilanzen regional trotzdem sehr unterschiedlich.
Verluste bei Getreide- und Grünlandernte in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg litt vor allem die Getreideernte. Nach Angaben der Verbände sei das unbeständige Wetter die Hauptursache. Bei Gerste und Raps rechnet der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband (BLHV) mit bis zu 30 Prozent weniger Ertrag als in einem guten Jahr. "Mit der diesjährigen Getreideernte sind wir nicht zufrieden. Die Erträge liegen unter dem Niveau der Vorjahre", sagte der Präsident des Landesbauernverbands, Joachim Rukwied am Freitag. Eine weitere Herausforderung war den Angaben zufolge der hohe Pilzdruck aufgrund der feuchten Witterung. Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hätte die zu noch erheblicheren Ertragseinbußen geführt.
Doch nicht alle Regionen trifft es gleichermaßen: Gegenden wie der Neckar-Odenwald-Kreis, die in den vergangenen Jahren unter der Trockenheit gelitten haben, seien mit den Gerstenerträgen sehr zufrieden. Im Kraichgau sei die Ernte dagegen nicht gut, so der Landesbauernverband (LBV). Im Ortenaukreis habe es überflutete Äcker gegeben. Vielerorts sei die Qualität so schlecht, dass sich das Getreide häufig nur für Futter eignet, nicht aber für Brot.
Große Probleme machte außerdem die Grünlandernte. Die schweren Traktoren konnten die Wiesen wegen des Regens erst spät befahren. Hochwertiges Heu und Silage werde dieses Jahr regional deshalb nur schwer zu bekommen sein, betont der Verband.
Sojabohne, Mais und Zuckerrübe werden erst im Herbst geerntet, die Bestände stehen in Baden-Württemberg optisch bisher gut da. Durch den vielen Regen ist die Kartoffelernte beschwerlich. Frühkartoffeln hatten große Probleme mit Krautfäule, die Erträge sind bisher aber zufriedenstellend.
Getreide, Äpfel und Trauben in Rheinland-Pfalz mit Einbußen
In Rheinland-Pfalz war ebenfalls die Getreideernte stark beeinträchtigt. Schon die Aussaat vieler Kulturen konnte man laut Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau e.V. erst später durchführen, weil der Herbst zu nass war.
Auch hier gibt es regional wieder große Unterschiede: In Rheinhessen seien die Böden durchlässiger, in der Südwestpfalz habe der Regen teils zu Staunässe und unterdurchschnittlicher Ernte geführt.
Großes Sorgenkind seien wegen der Witterung auch die Sonderkulturen. Im nördlichen Rheinland-Pfalz sei mit einem guten Viertel Ausfall bei der Apfelernte zu rechnen. Entlastung könnten den Bauern allerdings die Preise bringen: Aufgrund der hohen Frostschäden in Polen und Ostdeutschland ist mit höheren Erlösen zu rechnen. In den Weinbergen an Mosel und Mittelrhein habe Frost, Hagel und Starkregen die Trauben teils komplett zerstört, so die Verbände.
Europaweite Ernteschätzung Apfelernte: Obstbauern am Bodensee hoffen auf gute Preise
Europaweit wird es in diesem Jahr weniger Äpfel geben, da zur Zeit der Blüte in Osteuropa Frost herrschte. Davon könnten die Obstbauern am Bodensee profitieren. Sie hoffen, mehr Geld für ihre Äpfel zu bekommen.
Kein Preisanstieg für Verbraucher erwartet
Trotz der schlechten Ernte erwartet Bauernpräsident Rukwied keine höheren Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Lebensmittelpreise seien schon immer ein Stabilisator bei der Inflation gewesen.
Den Preis dafür zahlen laut Rukwied die Landwirte: "Unser Anteil am Endpreis nimmt ständig ab." Trotz einer knappen Versorgungslage bedeute das nicht, dass die Preise auch steigen. In Verbindung mit den hohen Betriebskosten für Energie sei ein wirtschaftlicher Getreideanbau in Deutschland kaum noch möglich.
Bauernpräsident Rukwied: "Schuld sind Klimawandel und Politik"
Die Frustration der Landwirte sei aufgrund der schlechten Ernte und der Preissituation groß, erklärt der Bauernpräsident. Es gebe seit zehn Jahren rückläufige Erträge bei Getreide und Raps und auch die Qualität sei geringer. Grund dafür sei zum einen der Klimawandel. Auch für den Südwesten nehmen laut Prognosen die Tage mit Extremwetter wie Starkregen und längeren Trockenperioden zu.
Zum anderen macht Rukwied die politischen Vorgaben dafür verantwortlich. Zum Beispiel sei die geringere Düngemenge in sogenannten Roten Gebieten für geringere Erträge verantwortlich, so der Bauernpräsident. In "Roten Gebieten" ist die Nitratbelastung des Grundwassers zu hoch. Die Bundesregierung musste vor einigen Jahren die Düngevorgaben anpassen, weil sonst hohe Strafzahlungen an die EU fällig geworden wären.
Viele Landwirte kritisieren das, genauso wie Rukwied im Interview im ZDF Morgenmagazin. Man dürfe nicht mehr bedarfsgerecht düngen und könne die Pflanzen nicht mehr ausreichend vor Infektionen schützen. Tatsächlich steht die Landwirtschaft im Zuge von Klimaerhitzung und Artensterben vor großen Herausforderungen. Doch die Frage, wie sich die Landwirtschaft darauf einstellen kann, wird diskutiert: Laut Rukwied passen sich die Landwirte seit Jahren über wassersparende Verfahren und eine geeignete Sortenwahl an die klimatischen Bedingungen an.
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