Es gilt Abschied zu nehmen vom Warenhaus, meint Martin Rupps. Das Kaufhaus vergeht wie vorher der Tante-Emma-Laden und der Versandhauskatalog.
Die Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hat am Dienstag einen Insolvenzantrag gestellt, den dritten in drei Jahren. Auch im Südwesten bangen Galeria-Mitarbeitende um ihre Jobs. Die Stadtinitiative Heilbronn fürchtet ein Innenstadtsterben, wenn das letzte Warenhaus schließt. Die Beschäftigten in Speyer müssen einen neuen Betriebsratsvorsitzenden wählen, nachdem der bisherige den Kaufhof – das sprichwörtlich sinkende Schiff? – verlassen hat.
Große Lücken im Sortiment
Ich war kürzlich mal wieder in einer Galeria-Filiale, um ein Hemd zu kaufen. Ein Standardmodell, das Warenhäuser in den gängigen Größen auf Lager haben. Nicht so bzw. nicht mehr diese Filiale. Auch bei Hemden anderer Hersteller gab es große Lücken im Sortiment. Das war mir im Kaufhof noch nie passiert. Ich sage und schreibe immer noch Kaufhof, daran wird sich auch nichts ändern.
Beim Gehen überfiel mich eine melancholische Stimmung. Ich habe nicht wenig Lebenszeit in Kaufhäusern verbracht. Dort wurden Kinderfotos von mir gemacht, dort bekam ich als Junge die Haare geschnitten. Von dort stammte mein Kommunionsanzug, das Hemd für den Abschlussball meiner Tanzschule, die erste Garnitur zum Berufsstart.
Wer fast 60 ist wie ich, hat noch den Milchwagen erlebt, den Tante-Emma-Laden und natürlich den Versandhauskatalog. Jetzt heißt es, fürchte ich, Abschied nehmen vom Warenhaus. Ich bekomme mein Hemd auch anderswo. Für die Mitarbeitenden tut es mir aufrichtig leid.
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