Mit viel Geld wollen Bund und BW die Wasserstoff-Technologie ausbauen. Das steht nach dem Karlsruher Urteil nun infrage. Ein Unternehmen will aber ohne Staatsgelder auskommen.
Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Förderung wichtiger Zukunftsprojekte in Baden-Württemberg auf der Kippe. Es geht dabei unter anderem um die Entwicklung alternativer Antriebe und die Betankung mit Wasserstoff. Die grün-schwarze Landesregierung befürchtet nach SWR-Informationen, dass die hierfür geplante Förderung des Bundes von insgesamt 126 Millionen Euro wegbrechen könnte.
Cellcentric hat Förderantrag zurückgezogen
Allerdings ist entgegen Befürchtungen aus der Politik die geplante Brennstoffzellenfabrik von Cellcentric in Weilheim an der Teck (Kreis Esslingen) nun doch nicht betroffen. Man habe den Förderantrag vor dem Karlsruher Urteil zurückgezogen und sei deshalb davon nicht direkt berührt, teilte die Firma am Mittwoch erstmals öffentlich mit. Cellcentric ist ein Gemeinschaftsunternehmen von Daimler Truck und Volvo.
Cellcentric hält Anforderungen für Förderantrag für zu starr
Man beabsichtige nach wie vor, das Werk in Weilheim zu errichten und "damit den innovativen Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg zu stärken und das Brennstoffzellen-Know-how langfristig in der Region zu verankern", erklärte eine Sprecherin. Als Begründung hieß es, man wolle schnell und flexibel auf neue Entwicklungen reagieren. Das sei nicht möglich, wenn man gleichzeitig die Anforderungen, die durch die Förderung entstehen, sicherstellen müsse.
Bund wollte Cellcentric-Projekt mit 253 Millionen Euro fördern
Ursprünglich wollte der Bund das Cellcentric-Projekt mit 253 Millionen Euro fördern. Das Land hatte sich schon bereiterklärt, 108 Millionen Euro beizusteuern. Bei der Förderung sogenannter Ipcei-Projekte übernimmt der Bund 70 Prozent und das Land 30 Prozent. Die Idee stammt von der EU-Kommission, die über diesen Weg besonders innovative Projekte gefördert sehen will.
Kretschmann spricht von "allerhöchster Priorität"
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte noch am Dienstag auf die Frage, ob auch das Projekt von Cellcentric in Gefahr sei, gesagt, er habe das Thema "längstens" bei Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eingespeist. "Das muss die allerhöchste Priorität haben." Es sei unmöglich für Baden-Württemberg, den finanziellen Beitrag des Bundes zu übernehmen. "Deshalb sind wir darauf angewiesen. Das wissen alle." Auch Finanzminister Danyal Bayaz und seine Umweltkollegin Thekla Walker (beide Grüne) hatten mehrfach mit Blick auch auf Cellcentric auf die Gefahr für die Leuchtturmprojekte im Bereich Wasserstoff hingewiesen.
Hinter vorgehaltener Hand hieß es nun, Cellcentric habe seine Entscheidung in Sachen Förderantrag nicht vor der wichtigen Gemeinderatssitzung am 19. Dezember veröffentlichen wollen, um keine Zweifel an dem Vorhaben aufkommen zu lassen. In der Sitzung soll es unter anderem nochmal um die noch benötigten Grundstücke für das Projekt gehen.
Daimler Truck bei Projekt Pegasus betroffen
Es stehen aber drei Projekte in Baden-Württemberg infrage, die der Bund mit insgesamt 126 Millionen Euro anschieben wollte. Das Land wollte 54,3 Millionen Euro zuschießen. Betroffen ist vor allem das Projekt Pegasus von Daimler Truck. Hierfür sollen an drei Standorten - in Stuttgart, Mannheim und im rheinland-pfälzischen Wörth - emissionsfreie, wasserstoffbetriebene Lkw für den Fernverkehr entwickelt werden.
Wasserstoff-Tankstellen auf der Kippe
Daneben steht die Förderung für zwei Betankungsanlagen für Wasserstoff auf der Kippe. Die beiden Tankstellen sollten im Raum Mannheim und im Raum Ulm errichtet werden. Erstere ist ein Projekt des Wasserstoff-Tankstellenbetreibers H2 Mobility, die andere soll von Shell Deutschland errichtet werden. Die genaue Höhe der geplanten Förderung für die einzelnen Projekte ist bisher nicht bekannt. Die Tankstellen sollen mit 100 Prozent erneuerbar erzeugtem Wasserstoff versorgt werden.
Ampel fehlen 60 Milliarden Euro für Klimaprojekte
Hintergrund für die unsichere Lage ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November. Die Richter hatten es für unzulässig erklärt, Schulden aus dem Corona-Fonds in einen Fördertopf für die Energiewende umzuschichten. Damit fehlen der Ampelkoalition in Berlin nun 60 Milliarden Euro für Klimaprojekte. Auch nach dem Treffen der Länderminister mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montag und der Regierungserklärung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) sei weiter unklar, wie es mit den Klimaprojekten nun weitergehen soll, hieß es aus der Landesregierung.
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Wasserstoff als Energieträger wird in Baden-Württemberg wohl früher und in größeren Mengen gebraucht werden als bislang gedacht. Das zeigt eine Analyse des Umweltministeriums.
Kretschmann warnt vor "dramatischen Auswirkungen" für Standort
BW-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte am Dienstag, der Wegfall solcher Förderungen könne "dramatische Auswirkungen" für den Standort Deutschland und Baden-Württemberg haben. "Die Gefahr, dass das uns auch in der Breite trifft, die ist gegeben", sagte der Grünen-Politiker. Er nannte neben den Ipcei-Projekten auch die Wärmeplanung und den Netzausbau.
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Deutschland könne im Wettbewerb mit den USA oder China ohne massive Förderung große Nachteile erleiden. Kretschmann verwies insbesondere auf das Klimaschutzpaket der US-Regierung in Höhe von 375 Milliarden Euro, das auch deutsche Unternehmen anziehe.
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