Fluthilfen für andere Bundesländer haben Baden-Württemberg Millionen gekostet. Auch deshalb dringt Ministerpräsident Kretschmann auf eine Versicherungspflicht. Aber kommt sie auch?
Baden-Württemberg finanziert Fluthilfen für andere Bundesländer mit. Dabei geht es nicht nur um Mittel für die öffentliche Infrastruktur, sondern auch um Hilfen für unversicherte Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte vergangene Woche erwägt, diese Solidargemeinschaft zu verlassen, falls die Bundesregierung keine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden einführe. "Ich finde, dass jetzt das Ende der Fahnenstange erreicht wird", sagte er auf einer Pressekonferenz.
BW finanziert Fluthilfen für andere Bundesländer mit
Allein nach dem Hochwasser im Sommer 2021 hätten Bund und Länder Hilfen in Höhe von 30 Milliarden Euro zugesagt. "Das belastet unsere Haushalte enorm", sagte Kretschmann. Baden-Württemberg ist mit 94 Prozent Spitzenreiter bei der Versichertenquote, andere Bundesländer stehen mitunter viel schlechter da.
Seit 2002 gab es drei Hochwasser-Katastrophen, nach denen der Bund im Zuge einer Aufbauhilfe ein Sondervermögen beschlossen hat. Alle Länder inklusive Gemeinden leisten dazu einen Beitrag, den sie über Jahre oder sogar Jahrzehnte abzahlen. Baden-Württemberg muss voraussichtlich rund 2,8 Milliarden Euro für alle Sondervermögen bereitstellen. Ein Teil davon ist schon bezahlt. Das geht aus der Antwort des Landesfinanzministeriums auf eine SWR-Anfrage hervor. Die Summe könnte sich noch verringern, falls das Sondervermögen, das nach dem Hochwasser im Sommer 2021 beschlossen wurde, nicht komplett abgerufen wird. Aus den drei Sondervermögen hat Baden-Württemberg selbst nur 53 Millionen Euro für Flutschäden erhalten.
Klimaökonom: Problem wird immer drängender
Durch den Klimawandel erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Stark- und Dauerregen. "Vor allem im Norden Deutschlands wird es immer schlimmer werden", sagt Reimund Schwarze, Klimaökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Dort sind besonders viele Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer nicht gegen Elementarschäden versichert. "Das Problem für Baden-Württemberg wird also immer drängender", ist Schwarze überzeugt.
Noch ist unklar, ob und wann es eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden geben wird. Momentan gibt es dazu eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern. Deren Ergebnisse blieben abzuwarten, teilt das Landeswirtschaftsministerium auf SWR-Anfrage mit. Das für eine Versicherungspflicht zuständige Bundesjustizministerium unter Führung von Marco Buschmann (FDP) lehnt eine Versicherungspflicht weiter ab. Die Ministerpräsidenten der Länder setzen sich dagegen seit Jahren dafür ein.
Lösung für Gebäude an gefährdeten Orten notwendig
Neben der Haltung der FDP gibt es nach Ansicht von Klimaökonom Schwarze einen weiteren Stolperstein. "Es muss eine Lösung für Gebäude gefunden werden, die an besonders gefährdeten Orten liegen", sagt er. Bundesweit fallen laut des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) 0,4 Prozent aller Gebäude in die vierte und damit höchste Risikoklasse. Zahlen für Baden-Württemberg teilt der GDV auf SWR-Anfrage nicht mit. Schwarze sagt, Besitzerinnen und Besitzer in der höchsten Risikoklasse drohe entweder eine hohe Prämie oder eine besonders hohe Selbstbeteiligung.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bestätigt, dass manche Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer aus diesen Gründen keine Versicherung gegen Elementarschäden haben. "Wir kennen Fälle, in denen Menschen bis zu 10.000 Euro Selbstbeteiligung zahlen müssten", sagt Peter Grieble, Leiter der Abteilung Pflege, Versicherung und Gesundheit.
Für die versicherten Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in Baden-Württemberg würde sich nach Auffassung von Grieble nur dann etwas ändern, wenn die Versicherer die hohen Kosten - verursacht durch Gebäude in der höchsten Risikoklasse - auf alle umlegten. "Dann würde es auch für alle teurer werden." Dass sich bei einer höheren Versicherungsdichte die Beiträge für alle erhöhen könnten, bestätigt auch die Sparkassenversicherung Baden-Württemberg auf SWR-Anfrage.
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Soll der Staat bei bestimmten Schadensfällen einspringen?
Grieble spricht sich trotzdem für eine Versicherungspflicht aus. "Menschen müssen dann im Fall der Fälle nicht mehr bibbern: Zahlt der Staat oder nicht?", sagt der Verbraucherschützer. Stattdessen hätten sie einen rechtlichen Anspruch gegen ihre Versicherer. "Außerdem schieben wir so jenen den Riegel vor, die sich sagen: 'Ich versichere mich absichtlich nicht, spare mir so die Beiträge und wenn was passiert, dann wird der Staat schon bezahlen.'"
Bezogen auf die besonders gefährdeten Gebäude kann sich Grieble auch vorstellen, dass der Staat für bestimmte Schadensfälle einspringt. "Dann wird also ein bestimmtes Risiko im Vertrag ausgeklammert und so kommt ein geringerer Beitrag für den Versicherten zustande", erklärt er. Klimaökonom Schwarze schlägt hingegen vor, dass die Besitzerinnen und Besitzer durch staatliche Programme beim Hochwasserschutz unterstützt werden.
Grieble, Schwarze und der GDV sprechen sich im Hinblick auf den Klimawandel auch generell für mehr Hochwasserschutz aus. "Wir erwarten, dass sich ohne konsequente Prävention die Prämien allein durch den Klimawandel in den nächsten zehn Jahren verdoppeln werden", schreibt der GDV dazu auf Anfrage.
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