Strafzettel sind ohnehin nicht beliebt - in einem verkehrsberuhigten Bereich in Ulm sorgen sie gerade für richtig Ärger. Der Vorwurf: Parken auf Grünstreifen. Nur: Der Streifen ist gar nicht grün.
"Parken auf dem Grünstreifen" steht als Tatvorwurf auf den Strafzetteln. Und da verstehen viele die Welt nicht mehr. Sie haben ihre Autos auf einer Kiesfläche abgestellt, die nach ihrer Erinnerung von der Stadt selbst als Parkfläche angelegt wurde. Jetzt soll das Parken dort 55 Euro kosten. Widersprüche hat die Stadt bisher abgelehnt.
Was die Anwohner der Selbertstraße am Ulmer Eselsberg über Jahre hinweg als willkommene zusätzliche Abstellfläche der Stadt für ihre privaten Autos angesehen haben, soll gar keine sein. Gegenwehr zwecklos.
Wenige Parkplätze - und trotzdem kein Einsehen der Stadt Ulm
Dabei glaubten die Menschen dort jahrelang, die Stadt habe endlich ein Einsehen angesichts der schwierigen Parkraum-Situation vor Ort. Denn das vergleichsweise junge Stadtquartier war im Jahr 2000 als Außenstelle der damaligen Expo Hannover entstanden: Mit Niedrigenergie-Häusern und nur wenigen Stellplätzen für Autos.
Damals ging man davon aus, die eher ökologisch als motorisiert bewegten Anwohner bräuchten nicht so viel Parkfläche. Eine Fehleinschätzung, denn mittlerweile haben die damals kleinen Kinder der betroffenen Familien längst selbst einen Führerschein und häufig genug auch ein Auto.
Gekieste Fläche gilt bei der Stadt Ulm als Grünstreifen
Anwohner Vincent Solar: "Seit vielen Jahren haben hier alle Anwohner geparkt, ohne jemals Probleme bekommen zu haben. Und für jeden, der hier wohnt und für jeden, der hier ein Auto besitzt, waren das seit Jahren klar verständlich Parkplätze." Das war allerdings ein 55 Euro teurer Irrtum. Denn die Stadt bezeichnet die vor mehr als zehn Jahren gekieste Fläche nach wie vor als Grünstreifen und kassiert entsprechend ab. Dabei wurden die Autos eindeutig nicht im Grün geparkt, sondern auf dem Kies.
Zusätzlich führt die Stadt ins Feld, die Fahrzeuge ragten auf der Straßenseite um mehrere Zentimeter in die verkehrsberuhigte Straße. Gemeint ist damit die Regenablaufrinne. Der Leiter der städtischen Bürgerdienste, Rainer Türke, verteidigt die Verwarnungen: "Leider gibt es dort ein Problem mit diesem Bereich, der ein Grünstreifen war, wieder ein Grünstreifen werden soll, irgendwo das auch immer noch ist und wo eine Zweckentfremdung stattgefunden hat." Eine Zweckentfremdung.
Unklar, von wem der Kies kommt
Der Kies lässt sich nicht wegdiskutieren - aber wie ist er dorthin gekommen? Diese Frage lässt sich nicht zweifelsfrei beantworten. Ulrich Ziener, Anwohner mit direktem Blick auf den Ort des Geschehens, will die Anlieferung damals selbst gesehen haben und erinnert sich: "Anwohner waren es ganz sicher nicht, denn die hätte ich erkannt. Und das wirkte alles schon sehr professionell." Die Arbeiter seien tagsüber da gewesen.
Mysteriös. Denn auch bei der Stadt will sich niemand erinnern, den Schotter ausgebracht zu haben. Rainer Türke: "Von der Stadt wurde nie Schotter zur Verfügung gestellt." Vor vielen Jahren sei begonnen worden, auch vonseiten der Anwohner, "einen eigenen Parkraum zu schaffen". Teile des Grünstreifens seien dort zweckentfremdet und mit Schotter aufgefüllt worden.
Es geht für Ulm tatsächlich um viel Kies
Das Kies-Rätsel bleibt also vorerst ungelöst - im übertragenen Sinn geht es für die Stadt Ulm allerdings tatsächlich um viel Kies. Allein drei Millionen Euro hat die Stadt im vergangenen Jahr mit Strafzetteln eingenommen, für 125.000 gebührenpflichtige Verwarnungen. Statistisch gesehen bekommt damit jede Ulmerin und jeder Ulmer im Jahr einen Strafzettel, und damit ist die Stadt an der Donau Spitze zumindest in Baden-Württemberg, wenn nicht in ganz Deutschland. Dass die "Knöllchen" zum großen Teil berechtigt sind, das muss fairerweise gesagt werden. Und die Stadt sieht die Strafzettel-Meisterschaft auch nicht als besondere Auszeichnung.
In der Selbertstraße hat die Stadt übrigens jetzt vollendete Tatsachen mit anderen Mitteln geschaffen: Die gekieste Fläche wurde abtransportiert, frische Erde aufgeschüttet - und die Stadt hat diese Stelle zusätzlich mit einer Reihe von Holzpfosten vor unberechtigtem Abstellen von Autos geschützt. Damit ist jetzt - nach mehr als zehn Jahren allerdings - auch optisch klar: Parken ist hier verboten.
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