Angebot der Caritas

Wohnungslose als Stadtführer: Lemmy zeigt sein Ulm

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Hannah Schulze
Hannah Schulze

Statt ins Münster geht's zur Bahnhofsmission, statt ins Fischerviertel in die Vesperkirche. Bei der Stadtführung "Blickwinkel" zeigen Wohnungslose die Stadt Ulm aus ihrer Perspektive.

Wärmestube, Übernachtungsheim und Ulmer Nester - nicht unbedingt die Orte, die bei einer normalen Stadtführung auf dem Programm stehen. Jörn Zweng, in Ulm vor allem bekannt als Lemmy, zeigt als ehemaliger Wohnungsloser, wie er die Stadt sieht und was er erlebt hat, als er "Platte machte".

"Ich bin der Lemmy, das ist der Knopf und wir sind heute alle per Du!" - so startet Jörn "Lemmy" Zweng seine alternative Stadtführung vor der Caritas-Wärmestube in der Bessererstraße. Immer an seiner Seite: sein Hund Knopf. Die beiden führen an diesem Tag eine Gruppe von Studentinnen und Studenten durch die Stadt Ulm

Angebot der Caritas: Ulm aus einer anderen Perspektive

Die Führung bietet die Caritas auf Anfrage an. Wohnungslose und ehemalige Wohnungslose, wie Lemmy, zeigen den Leuten Orte, an denen sie vermutlich sonst einfach vorbei gelaufen wären. Die Führungen sind kostenlos, Spenden gehen direkt an die Stadtführer.

Ein Mann mit Hut und Hund vor dem Eingang zu einem Haus. Lemmy zeigt bei seiner Stadtführung den Studierenden auch das DRK-Übernachtungsheim für Wohnungslose in Ulm.
Bei der Stadtführung "Blickwinkel" steht auch das DRK-Übernachtungsheim in der Frauenstraße auf dem Programm.

Von der Wärmestube führen Lemmy und Knopf die Studentengruppe ins DRK-Übernachtungsheim. "Ich find's saugut, dass es so etwas gibt. Ist aber Hardcore!", sagt der 53-Jährige. Hardcore - damit meint er die Schlafsäle, die sich die Wohnungslosen zu elft teilen müssen. Privatsphäre? Fehlanzeige. Aber eben Alltag für manche Menschen.

"Krass", murmeln die Studierenden, als sie mit Lemmy das Übernachtungsheim verlassen. Es geht kreuz und quer durch die Stadt. Und Lemmy erzählt Lebensweisheiten und Anekdoten von der Straße. Dass sich Friedhöfe zum Übernachten anbieten, Vordächer von Schulen lieber nur in den Ferien. "Sonst musste vor 7 Uhr schon weg."

Ein Mann in roter Jacke und Strickmütze steht in einer Gasse vor einem Geschäft. Jörn "Lemmy" Zweng verkauft die Obdachlosenzeitung in der Platzgasse in Ulm.
Hier kennt man ihn: Jörn "Lemmy" Zweng verkauft die Obdachlosen-Zeitung "Trottwar" in der Platzgasse in Ulm.

Ulms bekanntester Zeitungsverkäufer hat selbst jahrelang "Platte gemacht"

Rund zehn Jahre hat Lemmy "Platte gemacht", also auf der Straße gelebt. In Ulm kennt man ihn. Eigentlich steht er in der Platzgasse zwischen Blumenladen und Metzgerei und verkauft die Obdachlosenzeitung "Trottwar". Dadurch hat er es in ein geregeltes Leben geschafft und wohnt heute in einer Wohnung.

Ein Mann in roter Jacke und mit Hund und eine Gruppe Menschen am Hauptbahnhof Ulm. Der ehemalige Wohnungslose Jörn "Lemmy" Zweng zeigt bei der Stadtführung "Blickwinkel" der Caritas Interessierten die Stadt Ulm aus seiner Perspektive - hier einer Gruppe von Studierenden.
Der ehemalige Wohnungslose Jörn "Lemmy" Zweng zeigt bei der Stadtführung "Blickwinkel" der Caritas Interessierten die Stadt Ulm aus seiner Perspektive - etwa die Bahnhofsmission am Ulmer Hauptbahnhof.

Die Straße kennt Lemmy aber immer noch wie seine Westentasche. Auf dem Programm der Stadtführung stehen noch die Vesperkirche, die Ulmer Nester - inklusive Probeliegen -und die Bahnhofsmission. Orte, an denen die Studierenden ohne ihren Stadtführer womöglich vorbei gelaufen wären.

"Schön, dass Lemmy so offen ist und uns alles zeigt. Aber es ist schon krass."

Am Ende gibt es Applaus, die Gruppe übergibt Lemmy als kleines Dankeschön Schokolade und Gutscheine. Die Einblicke waren für sie eindrucksvoll. Denn auch wenn Lemmy sehr humorvoll über "die Platte" erzählt: Es ist ein Leben, das für Menschen auf der Straße alles andere als einfach ist.

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