Bei der Ulmer Vesperkirche gibt es in diesen Tagen nicht nur warmes Essen, sondern auch eine neue Frisur. Seit 20 Jahren schneidet Maria Hartmann den Menschen dort kostenlos die Haare.
Am 19. Januar hat die Ulmer Vesperkirche wieder begonnen. Vier Wochen gibt es in der Pauluskirche außer einem warmen Essen für wenig Geld, auch eine neue Frisur. Und zwar kostenlos.
Dafür sorgt Friseurmeisterin Maria Hartmann: Sie gehört seit 20 Jahren zum Team der Ulmer Vesperkirche und schneidet den Menschen dort kostenlos die Haare.
Bis zu 15 Kundinnen und Kunden hat die Friseurmeisterin an einem Vesperkirchentag. Sie freut sich auf neue und altbekannte Gesichter. Manche Menschen kämen seit 15 Jahren zu ihr, erzählt sie. Und manche warteten ein Jahr lang auf ihren neuen Haarschnitt.
Fast ein Drittel mehr bedürftige Menschen bei Ulmer Vesperkirche
Der neue Haarschnitt wird ebenso gut angenommen, wie das warme Essen (Speiseplan der Vesperkirche in Ulm) und die Gesellschaft. Viele Menschen hätten wegen Corona ihre Arbeit verloren, berichtet Pfarrer Peter Heiter. Menschen, die zuvor zur Mittelschicht gehört haben, leben jetzt auf der Straße, sind obdachlos. Der Pfarrer beobachtet eine Steigerung von 20 bis 30 Prozent der bedürftigen Menschen, die die Angebote der Ulmer Vesperkirche nutzen.
Vesperkirche in Ulm: Organisatoren erwarten viele Gäste
Daher hat die Vesperkirche aufgestockt: Bis zu 450 Essen können an einem Tag ausgegeben werden. "Wir haben im Vorfeld öffentlich kommuniziert, dass wir mit deutlich mehr bedürftigen Menschen rechnen", so Peter Heiter. So seien aber all die Menschen weggeblieben, die sich das Essen leisten könnten. Aus einer vornehmen Zurückhaltung heraus, mutmaßt der Pfarrer. Es sollen aber Menschen aus der ganzen Gesellschaft kommen. Das sei das Ziel der Vesperkirche.
In diesem Jahr wird zum ersten Mal direkt am Tisch bedient. Zudem gibt es 20 Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die sich um die Menschen kümmern. Vielleicht herrscht auch dadurch eine ruhige und warme Stimmung in der Pauluskirche. Zwei Damen seien in Tränen ausgebrochen, erzählt der Pfarrer. Bedient zu werden und ein offenes Ohr zu finden - so eine Wertschätzung würden sie sonst nirgends erfahren. "Die Sehnsucht nach einem würdigen Leben ist enorm", sagt Pfarrer Heiter.
Und Maria Hartmann trägt ihren Teil dazu bei: Bis zum Ende der Vesperkirche, also bis Mitte Februar, kommt die Friseurmeisterin zwei Mal die Woche und gibt den Menschen mit einem neuen, schicken Haarschnitt auch ein Stück Selbstbewusstsein mit auf den Weg.