Nachdem bei einem Brand in Reutlingen drei Patienten ums Leben gekommen sind, stellt der Patientenschutz den Brandschutz in Frage. Viele Einrichtungen haben zum Beispiel keine Sprinkleranlage.
Inzwischen wird wegen dreifachen Mordverdachts gegen eine der Bewohnerinnen der psychiatrischen Einrichtung in Reutlingen ermittelt. Dennoch stellt sich nach dem Brand mit drei Toten in Reutlingen die Frage: War der Brandschutz ausreichend? Denn die Feuerwehr hatte am Abend nur sechs Minuten zum Einsatzort gebraucht. "Da ist automatisch die Alarmierung bei der Feuerwehr eingegangen. Die Zeiten sind kurz", erklärt Eugen Brysch, Vorsitzender der Stiftung Patientenschutz. "Und trotzdem gibt es Tote zu beklagen." Die Stiftung fordert jetzt Konsequenzen.
Waren die Zimmer verschlossen?
Unklar ist nach dem Feuer noch die genaue Situation in der Wohngruppe zum Zeitpunkt des Brandes. Feuerwehr und Stadt geben an, es hätten neben dem Raum, in dem das Feuer ausgebrochen sei, "20 weitere Türen geöffnet" werden und weitere Räume durchsucht werden müssen. Da die Menschen in ihren eigenen Wohnungen wohnten, könnten sie diese auch abschließen, sagte der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD). "Da kommt nicht jeder rein, aber alle kommen raus. Das sind Fluchttüren, die sind alle unschwer von innen zu öffnen." Nicht geklärt ist bislang, ob auch einzelne Zimmer abgeschlossen waren.
Stiftung Patientenschutz: Sprenkleranlagen und Generalschlüssel
Die Stiftung Patientenschutz fordert in diesen Einrichtungen Generalschlüssel, die in einem Schlüsselsafe hinterlegt werden. Dieser müsse sich bei Auslösen einer aufgeschalteten Brandmeldeanlage automatisch öffnen. Klar ist: In der Einrichtung war keine automatische Sprinkleranlage verbaut. Also eine selbstlöschende Anlage, die bei Feuer ausgelöst wird. Das wäre aber gerade in psychiatrischen Einrichtungen und Krankenhäusern wichtig, so Eugen Brysch gegenüber dem SWR. Das müsste Standard in den 13.000 deutschen Heimen werden, damit die Anlagen schon "den Brand bekämpfen, bevor die Feuerwehrkräfte, bevor die Hilfskräfte, bevor die Pflegekräfte da sind." Dafür bräuchte es aber eine gesetzliche Vorgabe.
Gesundheitsminister warnt vor zu schnellen Schlüssen
Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) warnte am Mittwoch in Reutlingen: "Man sollte nicht sofort als ersten Reflex Dinge in den Raum stellen, obwohl man konkrete Ursachen und konkrete Umstände nicht ausreichend kennt." Man wüsste, dass die Heimaufsicht, die zuständigen Behörden und der Brandschutz gut ausgerüstet gewesen sei.
"Eine Sprinkleranlage braucht auch eine gewisse Zeit, bis sie auslöst", ergänzt Michael Reitter, Kommandant der Reutlinger Feuerwehr. "Bis dahin können sich Rauchgase bereits entwickelt haben." Auch Dietrich Knobloch von der Feuerwehr Reutlingen reagiert zurückahltend: "Aufgrund meiner 30-jährigen Berufserfahrung möchte ich davon ausgehen, dass eine Sprinkleranlage an dem tragischen Ausgang des Brandereignisses nichts wirklich etwas hätte verhindern können."
Stiftung: "In anderen Bereichen gibt es auch gesetzliche Vorgaben"
Die Stiftung Patientenschutz hingegen verweist auf andere Branchen. "Bei Hochregallagern, bei Einrichtungshäusern - da gibt es diese selbstständigen Löschanlagen schon", so Eugen Brasch. Dort sei von Sachversicherern Druck ausgeübt, sodass dort Sprinkleranlagen Standard sind. Der politische Druck in Bezug auf Pflegeeinrichtungen fehle zurzeit. "Dass Tote geborgen werden, das lässt sich sehr stark minimieren, indem man zusätzlich zum vorbeugenden Brandschutz selbstständige Löschanlagen mit initiiert." Diese Pflicht müsse kommen und beschlossen werden von Bau- und Gesundheitsministern in Bund und Ländern. "Die Menschen, die sich selbst nicht schützen können, die müssen wir mindestens so schützen, wie die Sachwerte in Deutschland."
Immer wieder kommt es zu Bränden in Einrichtungen in BW
Dass es in Einrichtungen für psychisch Kranke brenne, sei nicht selten, sagt Gerhard Längle, Psychiater und Leiter der Reutlinger Einrichtung. Deshalb gebe es für solche Häuser auch hohe Brandschutzvorgaben und -kriterien, die im aktuellen Fall erst kürzlich überprüft worden seien.
Auch in Baden-Württemberg hat es in verschiedenen Einrichtungen in den vergangenen Jahren immer wieder gebrannt. Im Sommer 2017 brach ein Feuer in einem Pflegeheim in Stuttgart aus. Fünf Menschen wurden verletzt. Im März 2021 gab es ein Feuer in einem Altenheim in Bühl (Kreis Rastatt) mit drei Verletzten. Im März 2022 brannte es schon einmal in Reutlingen. Damals gab es vier Verletzte. Und im Juni 2022 soll ein 25-jähriger Mann einen Brand in einer Einrichtung in Alpirsbach gelegt haben.